Pressecker bewältigt den Rennsteig zu Fuß

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Es ist ein Ritual, am Ende der Tour einen Stein aus der Werra in die Selbitz zu werfen. Fotos: privat
Es ist ein Ritual, am Ende der Tour einen Stein aus der Werra in die Selbitz zu werfen. Fotos: privat

Der Pressecker Ulrich Renke bewältigte in sechs Tagen den 169,3 Kilometer langen Rennsteig.

Eine weitere große Tour hat der Pressecker Ulrich Renke unter die Füße genommen. In sechs Tagen erwanderte er den 169,3 Kilometer langen Rennsteig. Wir veröffentlichen nachfolgenden Auszüge aus seinem Tagebuch.

Die Idee

Als ich Anfang Oktober 2015 den neuen Frankenwaldsteig abwandere, überschreite ich bei Steinbach am Wald zweimal den Rennsteig, jenen bekannten, ja legendären Kammweg, der in Hörschel bei Eisenach seinen Anfang nimmt und nach 169,3 Kilometern am Wanderdrehkreuz in Blankenstein endet. Er soll der richtige Einstieg in die neue Wandersaison sein. Übrigens: 1530 überquerte sogar Martin Luther den Rennsteig von Coburg aus kommend, um in Lehesten zu predigen. 1806 zogen napoleonische Truppen auf ihm zur kriegsentscheidenden Doppelschlacht von Jena und Auerstedt.


Der größte Teil des Weges liegt im Thüringer Wald und im Thüringer Schiefergebirge, nur ein relativ kleiner Teil führt durch den Norden des Frankenwaldes.

Die Planung

Als ich mit der Planung der Tour beginne, beschließe ich, auf die Mitnahme meines Zeltes zu verzichten und in den hölzernen Schutzhütten entlang des Weges zu übernachten. Das spart Gewicht.


Der Start

An einem Freitag im April fahre ich mit dem Zug nach Hörschel. Einem alten Brauch folgend, nehme ich vom Ufer der Werra einen Kieselstein mit, den der Wanderer bei seiner Ankunft in Blankenstein in die Selbitz werfen muss. Es ist 14.30 Uhr und ich will noch ein paar Kilometer gehen, ehe es dunkel wird, damit ich wieder in meinen Rhythmus hineinfinde. Was die Dunkelheit angeht, so habe ich im November ausgiebig auf dem Mühlenweg bei Nacht trainiert, um auch auf diese Bedingungen vorbereitet zu sein.

Ich schultere meinen Rucksack mit knapp 20 Kilogramm und los geht's, der Anstieg kann beginnen. Das Wetter ist fantastisch, geradezu ideal für mein Vorhaben. Die Sonne strahlt vom blauen Himmel, es hat fast 15 Grad. Der Weg zieht sich zunächst durch Laub-, später durch Nadelwald moderat bergan. Die Markierung ist ein großes weißes R, das man gar nicht übersehen kann, so häufig ist es angebracht. Der typische Gruß der Wanderer auf dem Rennsteig ist "Gut Runst", was so viel heißt wie "gut rennen".


Der zweite Tag

Ich wache bereits um 5 Uhr auf. Es ist noch dunkel und hat drei Grad, ich habe gut geschlafen. Das Schlafen auf dem Boden bedeutet für mich Regeneration pur. Studien haben ergeben, dass bereits nach wenigen Nächten im Freien unsere innere Uhr wieder aktiviert wird. Hinzu kommt ein enormer Stressabbau. Tage und Nächte draußen in der Natur sind Labsal für die Seele.

Nach 48 Kilometern stoße ich auf das erste von sechs "Rennsteighäusern". Dies sind moderne Stationen, in denen sich der müde Wanderer, Mountainbiker oder Langläufer erholen kann. Ich gehe also hinein, lasse den Rucksack von den Schultern gleiten und gönne mir erst einmal eine ausgiebige Dusche. Wenn mir schon so viel Luxus aufgedrängt wird, verzichte ich heute mal darauf, mich am Bach zu waschen.

Entlang des Rennsteiges gibt es über 100 Schutzhütten in den verschiedensten Ausführungen. Da gibt es welche in Form alter Bushaltestellen, andere sind geradezu winzig. Wiederum andere sind massive Blockhütten, zum Teil mit Veranda. Die meisten sind auf drei Seiten geschlossen, die Fensteröffnungen sind häufig unverglast, so dass der Wund kräftig durchzieht.

Wenn man Glück hat, haben frühere Wanderer zwei Bänke zusammengerückt, so dass man drauf seine Isomatte ausrollen kann. Ansonsten muss man sich auf den Boden legen. Aus gutem Grund führt der versierte Wanderer eine Plane mit sich, die ansonsten unter dem Zelt zum Schutz vor spitzen Ästen und Steinen zum Einsatz kommt.

Der dritte Tag

Wie bei allen Touren bin ich auch bei dieser Wanderung morgens schon zeitig auf den Beinen. Nach einem heißen Kaffee und drei Doppelkeksen wird der Rucksack geschultert. Am Anfang noch etwas steif, gehe ich von einigen Pausen unterbrochen, den ganzen Tag bis zum Einbruch der Abenddämmerung. Nach wie vor bin ich immer alleine unterwegs. Auch diesmal fragen mich die Leute, ob mir nicht langweilig ist oder ob mir nicht die Gesellschaft fehlt. Das Gegenteil ist für mich der Fall, muss ich ihnen immer wieder sagen.

Nicht umsonst gab es zu allen Zeiten Menschen, die weit zurückgezogen für sich allein lebten, um der Essenz des Daseins auf die Spur zu kommen, ganz gleich welcher geistigen oder religiösen Strömung sie anhingen.
Der angekündigte Wetterbericht enttäuscht. Statt fünf Stunden Sonnenschein herrschen Nebel, Schneefall und Graupel bei null Grad vor und dies sollte bis zum vorletzten Tag so bleiben. Nachts sinkt die Temperatur unter den Gefrierpunkt. Weite Aussichten über das Mittelgebirge bleiben mir also versagt. Ab Kilometer 30 (Höhe Ruhla) bis kurz vor Spechtsbrunn liegt Schnee, was das Gehen anstrengend macht. Ich befinde mich auf einer Winterwanderung!

Der vierte Tag

Die dritte Nacht verbringe ich wieder im Freien auf dem Großen Beerberg in etwa 900 Metern Höhe. Ich habe einen Aussichtspunkt mit einer Hütte verwechselt. Als ich um 21 Uhr immer noch nichts gefunden habe, breite ich Plane und Isomatte unter den Ästen einer großen Fichte aus.

Ich kann Ihnen versichern, dass die Nacht sehr frisch war. Am nächsten Tage erreiche ich nach 30 Kilometern Masserberg. Bereits am Nachmittag begannen Probleme mit völlig nassen Füßen, und so beschließe ich, mir ein Quartier zu suchen. Ich schlafe mit der Gewissheit ein, dass ich eben doch ein Weichei bin.

Der fünfte Tag

Ab Ernstthal gibt es keine anstrengenden Aufstiege mehr und ich komme schneller voran. Die letzten sechs Kilometer bis Steinbach am Wald trotte ich im Nieselregen dahin, bevor ich mich in einem Metzgerimbiss stärken kann. Dann sind es noch acht Kilometer bis Brennersgrün, wo ich im letzten Rennsteighaus übernachte.

Der sechste und letzte Tag


Auf den letzten 20 Kilometern scheint dann doch noch etwas die Frühlingssonne. Es ist wieder 14.30 Uhr, als ich nach 169,3 Kilometern das Wanderdrehkreuz in Blankenstein-Unterreichenstein erreiche.
Meine Frau Marianne erwartet mich schon und macht ein paar Bilder zur abschließenden Dokumentation.