Offenbar verweigern einige Kulmbacher Allgemeinmediziner kostenlose PCR-Tests. Patienten sind verwundert, der Ärzteverband sieht ein Dilemma.
Gudrun Schrötter (Name geändert) fühlt sich plötzlich unwohl: Kopfweh, triefende Nase und Schüttelfrost plagen die 59-Jährige. Der Verdacht auf eine Covid-19-Infektion liegt bei der Kulmbacherin nahe, der Schnelltest zu Hause zeigt ein positives Ergebnis. Um Gewissheit zu bekommen, will die Büroangestellte bei ihrem Hausarzt einen PCR-Test nachschieben. Gratis. Doch der Mediziner lehnt am Telefon mit Bedauern ab, verweist stattdessen an die Teststation des BRK und bekundet, die Dame solle sich sicherheitshalber freiwillig daheim isolieren. Das lässt die Betroffene einigermaßen ratlos zurück.
Kein Einzelfall mehr
"Das ist mittlerweile kein Einzelfall mehr", bestätigt Anja Tischer. Die Allgemeinärztin aus Thurnau ist zugleich Vorsitzende des Hausarztvereins Kulmbach - und bei dem Thema hin und hergerissen. "Ja, es gibt Mediziner, die den Test nicht mehr gratis anbieten. Ich denke aber, sie sollten es weiterhin tun, denn wer Symptome hat, der gehört getestet und untersucht." Tischer äußert aber auch in gewissem Maß Verständnis für die Verweigerung. "Es ist für manche Kollegen allein schon wegen der schieren Masse an Anfragen schwierig darzustellen." Manchmal handele es sich fast um Notwehr, wenn die Praxis dem Betroffenen sagen müsse: Tut uns leid, heute geht es wirklich nicht.
Hintergrund sei zudem die neue Gebührenordnung, die seit Anfang April gilt. Zuvor hatten die Ärzte für Abstriche Geld bekommen - acht Euro pro Stück. Das gibt es so nicht mehr, sagt Anja Tischer. "Die Leistung für den Abstrich ist gestrichen, sie geht in der Grundpauschale auf: Das ist die Summe, die ich sowieso für die Patienten bekomme. Es wird als Teil dessen angesehen, was pauschal zu machen ist, ohne gesonderte Vergütung, quasi wie Blutdruckmessung oder Gespräch." Ihre Standesvertretung, die Kassenärztliche Vereinigung Bayern, und der bayerische Hausärzteverband ließen sich das aber nicht gefallen, sagt die Vorsitzende. Sie und ihre Mitstreiter hofften nun auf Nachverhandlungen mit den Krankenkassen. "Wir Allgemeinmediziner leisten den Löwenanteil der Covid-Versorgung, sollen aber hier quasi umsonst arbeiten. Andere, wie etwa Labore, bekommen ihr Geld ja auch."
Es sei eine "unbefriedigende Situation natürlich auch für die Patienten", räumt die Ärztin ein. Sie selbst handhabe es wie gehabt: Wer einen PCR-Test benötigt, beispielsweise als Voraussetzung für eine Reha-Maßnahme, der bekommt einen. "Die Krux ist, dass ich den positiven PCR-Test für den Genesenen-Status brauche. Das ist nur eine bürokratische Voraussetzung." Sie plädiere für mehr Eigenverantwortung des Einzelnen. Jeder könne sich im Falle von Symptomen vernünftig verhalten und zu Hause bleiben. "Brauche ich für den Arbeitgeber eine Krankmeldung, nehme ich wie gewohnt Kontakt zum Arzt auf und bespreche es."
Laut Bundesgesundheitsministerium hatte es seit Beginn der Pandemie geheißen, es sei vorrangiges Anliegen, Testkapazitäten schnell aufzubauen und zu erweitern. Wer Symptome habe, die auf Covid-19 hindeuten, solle sich als ersten Ansprechpartner für Tests an den jeweiligen Hausarzt wenden. Denn: Abstrichstellen stellten zwar entsprechende Testbescheinigungen aus - aber sie untersuchten eben nicht auf Symptome wie ein Arzt.
Labore entlasten
Die Verbraucherzentrale Bayern verweist darauf, dass sich jeder einmal pro Woche im Rahmen der Bürgertestung kostenlos testen lassen kann - das geht in Testzentren, aber auch in Apotheken. Es handelt sich dabei jedoch um Antigen-Schnelltests, nicht um PCR-Tests. Die aktuelle Testverordnung gilt noch bis Ende Juni, der PCR-Test als der zuverlässigste. Um die Labore zu entlasten, sollen sie aber nur noch in jenen Fällen vorgenommen werden, in denen man (bei hoher Inzidenz in einer Region) davon ausgehen könne, dass sie positiv ausfielen. Dem PCR-Test sollte stets ein hochwertiger Antigen-Test vorausgegangen sein.
Und was ist mit dem Anspruch auf den PCR-Test beim Allgemeinmediziner? Der bleibe grundsätzlich bestehen, schreiben die Verbraucherschützer. Bei Diagnose und Auswertung würden "Risikopatienten sowie Personen in verletzlichen Bereichen, wie stationäre Pflege, Pflege zu Hause, Eingliederungshilfe und in medizinischen Berufen" bevorzugt. Ein Anspruch müsse mit einem Antigentest abgeklärt werden. Das war bis dato die Zugangsvoraussetzung für einen kostenfreien PCR-Test. Und nur die (positiven) zählen letztlich für die Infektionsstatistik des Robert-Koch-Instituts. Ist die Erhebung unter diesen Voraussetzungen dann nicht endgültig Makulatur?