Milliarden fließen in die Flüchtlingshilfe. Doch es gibt auch das Elend vor der Haustür. Im Dreibrunnenweg leben Obdachlose in armseligen Unterkünften.
Es geht eine steile Treppe empor, vorbei an der schmucklosen Baracke. Wir klopfen an der verwitterten grünen Holztür. Eine Klingel gibt es nämlich nicht.
In der Anonymität
Poltern im Innern. Ein jugendlich wirkender Typ öffnet. Mit einem freundlichen Lächeln, im ausgewaschenen blauen Pullover und einer verschlissenen Hose, die deutlich machen, dass der Mann schon lange keine neue Kleidung mehr gesehen hat. Wir fragen nach seinem Namen. Den will er nicht nennen. Er schämt sich. Wir akzeptieren, dass er anonym bleiben will, nennen ihn Max Meier - und schätzen ihn auf 44.
Am Rande der Gesellschaft
Max ist ein Außenseiter. Er lebt am Rande der Gesellschaft. Im Dreibrunnenweg. Nicht in einem der schmucken Einfamilienhäuser, die in der Ziegelhüttener Straße stehen. Er lebt dort, wo niemand hin möchte: in der Obdachlosenunterkunft.
"Selber verbockt"
Wir fragen ihn nach seiner Lebensgeschichte, und der Mann plaudert munter drauf los. Anderen die Schuld für seine Misere in die Schuhe schieben, das will er nicht. "Ich habe das selber verbockt", sagt Max, der aus Nürnberg kommt und mal Schornsteinfeger war. Dann kam der Alkohol. Die Abhängigkeit. "Ich habe mit Kumpels gesoffen. Es wurde immer mehr. Ich hatte mich am Ende nicht mehr unter Kontrolle", berichtet der Mittvierziger, der in die Abwärtsspirale geriet. Mit dem steigenden Alkoholkonsum kamen finanzielle Probleme, mit den Geldsorgen kam der Abstieg. Irgendwann konnte er die Miete nicht mehr zahlen. Über einen Freund kam er 1995 nach Kulmbach. Seit weit über einem Jahrzehnt lebt er nun schon in der Obdachlosenunterkunft, die eigentlich, dem ist er sich bewusst, nur als Übergangslösung gedacht ist.
Keine Luxusbude
Max, der seit vielen Jahren trocken ist, zählt zu den 35 Obdachlosen, die in Kulmbach registriert und in städtischen Notunterkünften untergebracht sind. Im Dreibrunnenweg leben, nachdem ein Haus im Dezember 2015 abgebrannt ist, noch sieben Personen in den übrig gebliebenen Baracken. Im Winter ist es dort ganz hart, sagt Max. Es gibt fließend Wasser, doch das ist kalt. Duschen? "Das geht nicht", erklärt der Mann, der wahrlich in keiner Luxusbude lebt. Zum Beweis legt er die Hände auf den Fußboden. Der ist kalt. "Wir haben keinen Keller." Geheizt wird mit Holz. Es gibt einen kleinen Ofen. So richtig warm wird es bei Außentemperaturen von unter zehn Grad minus allerdings nicht. Seine Hände verdeutlichen das. Sie sind vor Kälte feuerrot.
Das Wohnbauprojekt
Die Unterkunft, in der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Flüchtlinge wohnten, teilt er sich mit drei Personen. "Jeder hat sein eigenes Zimmer", sagt Max, den wir darüber informieren, dass unterhalb seiner Bretterbude, auf dem geschotterten Parkplatz, bei einem Ortstermin mit dem Oberbürgermeister ein neues Wohnprojekt vorgestellt wird. Zwölf kleine Wohnungen baut der Freistaat, neben der Obdachlosenunterkunft im Dreibrunnenweg, für Flüchtlinge und sozial Schwache.
Er ist nicht sauer
Ob Max sauer ist, dass in Deutschland Milliarden für Flüchtlinge ausgegeben werden, während zeitgleich Hunderttausende Obdachlose am Abgrund stehen? "Das bin ich nicht", betont er. Er ist froh, dass er nicht auf der Straße leben muss. "Ich bin der Stadt sehr dankbar, dass sie mir hier Unterschlupf gewährt."
Baracke wird weggerissen
Die Wohnung wird er bald verlassen müssen. Die Baracke im Dreibrunnenweg wird abgerissen. Max und seine Mitbewohner werden umquartiert. Nicht in das neue Wohnprojekt, wie es nach dem Förderprogramm der Regierung auch möglich wäre. Nein, in andere städtische Häuser im Stadtgebiet. Wohin genau? Max weiß es nicht.
Raus aus der Notlage
Wohin er mit seinem Leben will, das weiß der gebürtige Mittelfranke genau. Er will raus aus der Notlage. "Ich will wieder ein ganz normales Leben führen." Ein Leben, für das er sich nicht mehr schämen muss. Zwei Mal hat er das schon versucht. Er hat für einen Sozialverband und für eine Zeitarbeitsfirma gearbeitet. Zu einem längerfristigen Beschäftigungsverhältnis hat das nicht geführt - die Baracke ist seine Heimat geblieben.
"Flüchtlinge können nichts dafür"
Das Beispiel des Mittvierzigers macht deutlich, dass nicht nur viele Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten Not erlebt haben. Not gibt es auch vor der eigenen Haustür. Ob Max Missgunst verspürt, es den Flüchtlingen neidet, die in der neuen Wohnanlage im Dreibrunnenweg bald warm duschen können? "Nein, warum sollte ich?", fragt der Mann, der dafür überhaupt keinen Grund sieht: "Die Flüchtlinge können ja wirklich nichts dafür, dass ich mein Leben in den Sand gesetzt habe."
Letztlich wieder nur ein Bericht, der ohne Flüchtlingsproblematik und Neubau nicht zustande gekommen wäre.
In den letzten Jahren war es der Zeitung auch egal wer im Dreibrunnenweg unter welchen Bedingungen haust.
Ich hoffe der Mann findet einen Ausweg aus seiner Situation.
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da hat die Stadt Kulmbach seit Jahren Ihre Hausaufgaben nicht gemacht ! Man hätte schon längst (vor der Flüchtlingskrise) neue und bessere Unterkünfte für sozial Schwache bauen können. Für Prestigeobjekte wird ja immer viel Geld ausgegeben, nur für die sozial Schwachen fehlt halt das Geld. Gebäude aus Nachkriegszeiten hätten schon längst saniert bzw ersetzt werden müssen !!
Das ganze jetzt wieder auf die Flüchtlinge zu schieben ist mehr als unfair. Der Schwarze Peter geht in diesem Fall an die Verantwortlichen in der Stadt Kulmbach.
Auch Obdachlose haben Anspruch auf Hartz 4, mit einigen Bedingungen.
Nachzulesen z. B. hier:
http://www.anwalt-kiel.com/sozialrecht/lsg-berlin-brandenburg-alg-ii-fur-obdachlose/
Dann kann man sich auch durchaus mal neue Bekleidung leisten.
Es ist immer eine Frage, möchte jemand aus seinem Elend raus? Dann sollte derjenige was tun. Und wenn er sich mit den Behörden auch erst mal abärgern muss.
Das ist durchaus manchmal nicht einfach, aber da muss man halt durch.
Immerhin sagt dieser Betroffene von sich, dass er das selbst in den Sand gesetzt hat.
Es gäbe aber durchaus die Chance, das ganze aus dem Sand heraus zu holen.
Es ist schwer, sich als Außenstehender in die Lage eines Obdachlosen reinzuversetzen. Das wird mir und auch Ihnen nicht gelingen. Es gibt sicherlich Personen, die sich - mag es aus Scham sein oder mögen psychische Gründe den Ausschlag geben - in ihren Baracken verkriechen oder es nicht schaffen, sich ein neues Leben aufzubauen. "Da muss man halt durch" ist wohl eine Aussage, die man leicht treffen kann, wenn man sich nicht selber in so einer Lage befindet. Mit freundlichen Grüßen Alexander Hartmann
In die Lage eines Obdachlosen kann ich mich nicht versetzen, das ist richtig.
Jetzt kommt das Aber:
Wie der Interviewte ja selbst sagt, hat er das selbst in den Sand gesetzt.
Ich hätte durchaus bereits schon mehrfach die Möglichkeit gehabt, so einiges in den Sand zu setzen.
Was hilft es mir aber, wenn man Post ignoriert, Rechnungen nicht bezahlt usw?
Man sieht ja das Ergebnis hier an diesem Beispiel.
Aber es gibt durchaus die Möglichkeiten sich zu helfen (zu lassen). Auch schon, bevor es soweit ist.
Ich habe da evtl. auch eine etwas andere Ansicht, weil ich weis, wie es ist, eigentlich nicht mehr weiter zu wissen.
Nur es hilft nichts, sich in irgendeinem Schneckenhaus zu verkriechen - wie auch immer das aussehen mag.
Besser wird dadurch nämlich nichts.