Gefährdete Vogelarten wie das Braunkehlchen benötigen Ackerbrachen. Die aber könnten wegfallen, sollten solche Flächen für den Anbau von Nahrung benötigt werden. Frank Schneider vom LBV befürchtet Schlimmes für die natürliche Vielfalt.
Das Braunkehlchen hat es ihm besonders angetan. Frank Schneider, Mitglied der Kulmbacher Kreisgruppe im Landesbund für Vogelschutz (LBV), bemüht sich seit 15 Jahren um den Schutz der heimischen Vogelwelt. Doch im Zuge der Ukraine-Krise mit zu erwartenden deutlich verringerten Getreideexporten - etwa beim Weizen - wird bereits über die Ausweitung der Flächen zur Lebensmittelproduktion hierzulande nachgedacht. Das würde bedeuten: Aus der Erzeugung rausgefallene Flächen rücken plötzlich wieder in den Fokus.
Frank Schneider sieht das mit großer Sorge. "Ungenutzte Brachflächen sind elementar für Vogelarten wie das Braunkehlchen. Eigentlich sind sie Wiesenbrüter, doch wo es Wiesen nicht mehr ausreichend gibt, nehmen sie im Notfall auch Ackerbrachen an." Fallen diese dann aber auch noch weg, und zwar abrupt, dann sind sämtliche Brutgelegenheiten mit einem Mal passé. "Dann ist es das Ende - und diese Arten kommen auch nicht wieder. Dann waren all unsere Schutzbemühungen letztlich umsonst."
Rapider Rückgang
Bis in die 1970er Jahre hinein sei das Braunkehlchen, das von Mai bis Mitte/Ende Juni brütet, ein häufiger und im Maintal, Frankenwald und Fichtelgebirge weit verbreiteter Wiesenvogel gewesen, sagt Schneider. Dann sei die Zahl deutlich zurückgegangen, seit 15 Jahren nahezu alle Bestände in der Region "rasant zusammengebrochen". Heute sei dieser Vogel landkreisweit ausgestorben - nur im Gebiet zwischen Melkendorf, Wickenreuth und Zettlitz gebe es noch ein paar letzte Brutpaare.
Was sind die Gründe? Der LBV-Experte nennt vor allem die intensive Landwirtschaft. "Durch eine frühe und häufige Wiesenmahd wurden die meisten Gelege vielerorts zerstört. Aus Grünland wurde Ackerland und der Einsatz von Pestiziden wirkt doppelt verheerend: Insekten werden einerseits direkt bekämpft, indirekt werden Wildkräuter als Nahrungsgrundlage von Insekten und Vögeln vernichtet." Was ihn freut: Im Rotmaintal sei es gelungen, Vogelschützer, Behörden, Jäger und Landwirte zusammenzubringen. Bauern stellten Äcker und Wiesen als Brutgebiete zur Verfügung, erlaubten das Ausbringen von Bambusstecken als Ansitzwarten. "Es gibt wieder Blühflächen, Wiesen werden streifenweise gemäht und gemulcht. Leider durften wir bislang keine Hecken pflanzen, was wichtig wäre."
Doch das könnte alles Makulatur sein, wenn viele dieser Flächen nun wegfallen, sollten sie wegen erwarteter Getreideknappheit durch den Ukraine-Krieg und damit unterbrochener Lieferketten in die Produktion mit aufgenommen werden. "Es ist natürlich immer eine Güterabwägung, wenn menschliche Versorgung und Umweltschutzgedanken unter einen Hut gebracht werden müssen", weiß Schneider. Aber es genüge definitiv nicht, den Tieren ein paar handtuchkleine Gebiete anzubieten, denn sie seien auf zusammenhängende Großareale angewiesen. "Ihr Schwerpunktvorkommen liegt zum Glück noch auf Flächen, die dem Vertragsnaturschutz unterstellt sind. Doch wir als Verband können gar nicht so viele weitere Gebiete ankaufen, die es bräuchte, um die Beständen auf Jahrzehnte hinaus zu sichern."
Knallharter Verteilungskampf
Ob er Verständnis für Überlegungen hat, dass der Naturschutz hinter der Versorgung der Bevölkerung zurückzustehen habe? "Ich sehe das Dilemma durchaus. Aber sollte es einen knallharten Verteilungskampf geben und wir wirklich jeden zusätzlichen Quadratmeter Nutzfläche brauchen, können wir als LBV-Kreisgruppe nur antworten: Wenn es so ist, dann lasst uns alle miteinander überlegen, auf welchen Flächen wir wenigsten ein Mindestmaß an notwendigen Strukturen für unsere Mitgeschöpfe bewahren können, die ein Leben und Überleben sicherlich auch verdient haben."
Brachflächen: Landwirte wollen nutzen statt stilllegen
Die Zahl ist beeindruckend: Nach Angaben des Landesamts für Statistik beträgt die landwirtschaftlich genutzte Fläche in Bayern mehr als drei Millionen Hektar - das entspricht der Größe von knapp viereinhalb Millionen Fußballfeldern. Auf mehr als der Hälfte wächst demnach Getreide. Es könnte mit Blick auf die Eigenversorgung noch mehr sein, sagen die Bauernverbände.