Mountainbiker contra Waldbesitzer: Freie Bahn für freie Radler?

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Jerrit Biewald von der Waldbesitzervereinigung Kulmbach-Stadtsteinach
Jerrit Biewald von der Waldbesitzervereinigung Kulmbach-Stadtsteinach
Solche Rampen im Wald sind illegale Bauwerke.Jerrit Biewald/WBV
Solche Rampen im Wald sind illegale Bauwerke.Jerrit Biewald/WBV
 

Mountainbiker pochen auf ihr Recht, durch Hain und Aue zu fahren. Waldbesitzer sehen das Vergnügen kritisch.

Das Urteil hat Aufsehen erregt - bei Mountainbikern wie Waldbesitzern gleichermaßen: Der bayerische Verwaltungsgerichtshof hat einen Spruch des Landgerichts Augsburg aus dem Jahr 2014 kassiert. Das hatte Radfahrern untersagt, im sogenannten "Bannwald" bei Ottobeuren ihrem Hobby zu frönen und auch auf schmalen Pfaden zu fahren, um diese für Wanderer und Fußgänger freizuhalten.

Dagegen hatte ein Mountainbiker geklagt - und vor dem Verwaltungsgerichtshof in zweiter Instanz Recht bekommen. Radfahren in freier Natur, so die Begründung, ist von der Verfassung geschützt - vorausgesetzt, es handelt sich um ein Hobby (wird also nicht kommerziell betrieben), dient der Erholung und vollzieht sich in ein einem für die Natur verträglichen Rahmen.

Der Spruch könnte Präzedenzcharakter erlangen. Was die Gilde der Mountain-, E- und sonstiger Biker jubeln lässt, lässt private Waldbesitzer mit Stirnrunzeln zurück. Was bedeutet das im Umkehrschluss? Ist nun zu tolerieren, dass Trialpfade und sogar Sprungschanzen angelegt werden, wo man sonst Fichte & Co. rückt? Kommt es zum Showdown im Wald zwischen Eigentümern, Wanderern und Mountainbikern?


"Die meisten sind vorsichtig"

"Die allermeisten von uns sind vorsichtig, rücksichtsvoll, hinterlassen keinen Müll im Wald und verursachen keine Schäden", sagt dazu ein Mountainbiker, der jedoch anonym bleiben will. Klar scheuche er mal ein Tier auf und ziehe bei feuchter Witterung eine Furche in den Boden. "Aber das war es dann auch, denn ich gehöre zu denen, die keine künstlichen Rampen oder gar Schanzen anlegen. Meistens sind durch grobe Wurzeln oder Steine ohnehin genügend Hindernisse eingebaut." Er als Mountainbiker habe bevorzugte Strecken in und um Kulmbach, beispielsweise den Padersberg, aber auch die Schwedenschanze unterhalb von Petzmannsberg sowie den Hans-Edelmann-Ringweg. Ansonsten fährt er gerne am Ochsenkopf. "Das ist ein Radler-Paradies, das fehlt hier bei uns."

Er räumt auch gleich mit einer Fehlinformation auf: Die sogenannte Zwei-Meter-Regel, wonach Waldwege für Radfahrer mindestens zwei Meter breit sein müssen, beziehe sich demnach nur auf Baden-Württemberg. "Und selbst dort steht die Vorgabe vor der Abschaffung", sagt er. In Bayern gelte das Jedermannsrecht, wonach prinzipiell im Privat- und im Staatswald gefahren werden dürfe.

Ob er Absperrungen gesehen habe, mit denen Waldbesitzer ihr Terrain für Radfahrer unzugänglich machten? "Ich komme manchmal an Stellen vorbei, wo vom Staat beauftragtes Personal hör- und sichtbar Bäume fällt. Da halte ich natürlich Abstand, es geht ja auch um meine persönliche Sicherheit." Sobald aber ein Verbotsschild für Autos auftaucht und eine Sperrkette, dahinter aber ein geschotterter Weg verläuft, fährt er trotzdem weiter, wie er bekundet. "Fußgänger ignorieren das ja auch und betreten den Weg."
Apropos Fußgänger: "Manche stänkern schon mal, wenn wir an ihnen vorbeifahren. Ich versuche, ihnen den Vortritt zu lassen und halte Abstand. Wie es halt bei den Menschen üblich ist: Ein paar Unbelehrbare gibt es immer, auf allen Seiten."

Was aber tut er bei einem Sturz? Wie sieht es mit der Haftungsfrage aus? "Ich bin öfter gestürzt, habe mir das Knie oder die Hände aufgeschlagen. Für mich ist klar: Wenn ich einen Fahrfehler mache, bin ich dafür selber verantwortlich. Ich würde nie für mein eigenes Verschulden andere haftbar machen."
Kein Verständnis hat er aber für Waldbesitzer, die mit künstlichen Hindernissen die Wege für Radler unpassierbar machten. "Quergelegte Bäume, aufgetürmte oder in den Boden gespickte Äste - alles schon gesehen. Ich habe auch erlebt, dass eine Schnur in Kopfhöhe quer über den Weg gespannt war. Um ein Haar hätte mich das vom Rad geholt. So etwas geht gar nicht, das grenzt für mich an Gemeingefährlichkeit."


Das sagt das Gesetz


In Deutschland gilt ein Betretungsrecht von Wäldern zu Erholungszwecken

Grundlage Das sogenannte Betretungsrecht regelt den Gemeingebrauch an fremden Flächen wie Wälder und Fluren zum Zwecke der Erholung. Es ist, soweit private Flächen betroffen sind, eine Einschränkung des Eigentumsrechts (Artikel 14 Grundgesetz). Es ist in mehreren Bundesrahmengesetzen geregelt, unter anderem in § 59 Bundesnaturschutzgesetz sowie in
§ 14 Bundeswaldgesetz.
Gleichstellung Für Bayern gilt: Grundsätzlich hat jedermann das Recht auf Erholung in freier Natur, das regelt die bayerische Verfassung. Demnach dürfen alle Teile der freien Natur unentgeltlich betreten werden. Das Radfahren auf geeigneten Wegen ist dem Betreten zu Fuß grundsätzlich gleichgestellt. Dem Fußgänger gebührt aber Vorrang. Die Ausübung des Betretungsrechts erfolgt grundsätzlich auf eigene Gefahr.
Verbote Beschränkungen und Verbote für Radler dürfe es nur dann geben, "wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der Wanderer erheblich übersteigt. Innerhalb des Waldbestandes aber, das heißt zwischen den Bäumen hindurch, ist das Radfahren generell unzulässig. Dies gilt auch für Mountainbiker. red


Interview mit der Waldbesitzervereinigung


Waldbesitzer und Radfahrer - nicht immer lassen sich da Spannungen vermeiden. Das bestätigt Jerrit Biewald, Forstmitarbeiter der Waldbesitzervereinigung Kulmbach-Stadtsteinach, im Interview.

Herr Biewald, ist es richtig, dass Radfahrer alle möglichen ausgewiesenen und nicht ausgewiesenen Wege im Wald benutzen dürfen?
Jerrit Biewald: Laut Waldgesetz dürfen sie das nicht. Das bayerische Gesetz sieht in Artikel 13 vor: "Radfahren, Reiten und das Fahren mit Krankenfahrstühlen ist generell nur auf Straßen und geeigneten Wegen zulässig. Dazu zählen nicht: Rückegassen und Wirtschaftswege, sondern nur ausgebaute Forstwege. Diese kennzeichnet eine Befestigung mit Schotter, wo auch Lastwagen und schweres Gerät verkehren können. Auf anderen Untergründen, also Moos oder Erde, ist es verboten.

Was passiert, wenn ein Biker sich nicht daran hält und stürzt: Wie sieht es mit der Haftung aus?
Er hat keinerlei Ansprüche, wenn sich der Unfall auf einem Abschnitt ereignet, wo er sich nicht hätte aufhalten dürfen.

Wie oft verlassen Radfahrer denn die Wege im Forst?
Leider kommt das nach meiner Erfahrung sehr oft vor. Man sieht das ja an den Spuren, die Radler hinterlassen. Unsere Waldbesitzer, aber auch ich als Förster sehen es häufiger, dass Mountainbiker wirklich abseits der Wege mitten durch den Bestand donnern. Noch schlimmer sind die Motocrosser, die mit ihren Maschinen durchheizen.

Bauen die Fahrer sich auch Rampen oder Schanzen?
Ja, diese Fälle haben wir auch. Da werden extra bauliche Anlagen errichtet, mit denen zum Beispiel gesprungen werden kann. In der Nähe von Pechgraben ist jemand in einem Privatwald mit seinem Mountainbike auf einer solchen Schanze schwer verunglückt, als er gegen einen Baum prallte.

Welche Möglichkeiten hat der Waldbesitzer, dagegen vorzugehen?
Normalerweise muss er den Verursacher auf frischer Tat ertappen, dann kann er den Vorfall zur Anzeige bringen. Aber die meisten werden das nicht tun oder belassen es bei einer Ermahnung. Das hilft nur oft nichts. Wir von der WBV empfehlen den Waldbesitzern, die Rampen und auch die Trails schnellstens zu beseitigen. Das ist übrigens erlaubt - es handelt sich ja um den eigenen Grund und Boden. Dort darf man abreißen, was Fremde ohne Genehmigung errichtet haben.

Wie oft kommt das bei den von Ihnen betreuten Waldbesitzern vor? In unserem Zusammenschluss von 1700 Waldbesitzern aus Kulmbach und Umgebung sind mir drei illegale Strecken bekannt. Eine davon verläuft bei Kauernburg auf dem sogenannten Fuchsbauweg. Das ist der Forstweg, auf dem Biker auch fahren dürften. Aber dort wurde mitten im Bestand ein Trail errichtet, versehen mit Schanzen und Rampen.

Ging der Besitzer dagegen vor?
Nein, bislang nicht, er ist aber drauf aufmerksam geworden. Ich unterrichte bei meinen Vorträgen die Besitzer auch über ihre Verkehrssicherungspflichten. Denn: Wenn was passiert - und der Waldbesitzer hatte Kenntnis von der Anlage und hat sie geduldet -, kann er dafür bei möglichen Personenschäden in die Haftung geraten. Das ist natürlich immer Auslegungssache vor Gericht. Aber man muss sagen: Als Waldbesitzer steht man da mit einem Bein im Gefängnis.

Wie bringt man beide Seiten bestmöglich zusammen?
Es gibt gute Ansätze auf Seiten der Biker, die unter anderem über ihre Fachzeitschriften auf ein vernünftiges Miteinander hinwirken. Auch wir von Forstseite möchten natürlich, dass der Wald zur Erholung genutzt werden kann. Am besten wäre es, wenn für Radfahrer extra Strecken ausgewiesen würden. Die müssten behördlich kontrolliert werden - das kostet freilich Geld für Bau und Unterhalt. Im Kreis Kulmbach gibt es so etwas nicht, und es wäre auch nur denkbar, dafür Flächen der bayerischen Staatsforsten herzunehmen.