Mit 30 Jahren Verspätung

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Vier Schilder dieser Art stehen an ehemaligen Grenzübergängen im Landkreis Kronach. Dieses Schild steht bei Burggrub.Kalb
Vier Schilder dieser Art stehen an ehemaligen Grenzübergängen im Landkreis Kronach. Dieses Schild steht bei Burggrub.Kalb

Als die Mauer fiel, war ich 15 Jahre alt.

Klar war das selbst für einen Teenager, der üblicherweise primär andere Dinge im Kopf hat als die große Weltpolitik, eine Riesensache. Und so verfolgte auch ich die bewegenden Bilder im Fernsehen und staunte über die Grenzöffnung, die plötzlich überall Thema war.

Und doch - muss ich gestehen - war das Ganze für mich damals irgendwie auch ganz weit weg. Das mag daran liegen, dass es in Kulmbach - anders als in unseren Nachbarlandkreisen Kronach, Coburg und Hof - keine direkte Grenze zu Thüringen oder Sachsen gab. Dazu kam, dass wir in meiner Familie weder mütterlicher- noch väterlicherseits verwandtschaftlichen Beziehungen in den Osten hatten. Auch in der Schule war die Deutsche Demokratische Republik bis 1989 bestenfalls als Randnotiz behandelt worden, wenn wir ehrlich sind. Das Konzept der West-Integration ist bei meiner Generation voll aufgegangen.

Dennoch ist die Grenze, die Deutschland einst teilte, für mich heute präsenter denn je. Schuld daran ist der Fußball. Denn jede Woche, wenn ich meinen Sohn zum Training nach Burggrub fahre, schaue ich auf das ockerfarbene Schild am Straßenrand "Hier waren Deutschland und Europa bis zum 24. November 1989 um 12.21 Uhr geteilt". Jedes Mal bekomme ich Gänsehaut bei der Vorstellung, dass vor 30 Jahren genau hinter dem Spielfeld der Eiserne Vorhang verlief.

Und dann diese Wanderung im Sommer während eines Fußballspiels in Stockheim auf dem Frankenwald-Steigla "Im Kohlenwald". Da fand ich mich nach ein paar Kilometern mitten im Wald direkt auf dem früheren Grenzstreifen wieder, der sich nach all den Jahren noch immer gut sichtbar durch die Natur schlängelt, und marschierte mal eben nach Thüringen rüber. Es war irgendwie ein mulmiges Gefühl, als ich daran dachte, was passiert wäre, hätte ich das gut 30 Jahre früher versucht ...

So sind sie also mit ein paar Jahrzehnten Verspätung doch noch gekommen, die Emotionen zur Wiedervereinigung, die mir im Herbst 1989 noch gefehlt haben. Gut, dass sie jetzt da sind.