In dem Mammutverfahren wird der Angeklagte auch von der 19-Jährigen belastet. Dafür geht Verteidiger Johann Schwenn die Zeugin hart an.
Was wird uns seit Wochen am Landgericht Bayreuth für ein Schauspiel geboten? Ist es, wie Verteidiger Johann Schwenn vermutet, die Verschwörung eines Frauenclans und der Opferschutzorganisation Weißer Ring gegen den Patriarchen der Familie, der seine Tochter, seine Ex-Frau und zwei Enkelinnen vergewaltigt und missbraucht haben soll? Oder werden die Opfer vom Angeklagten, der eisern schweigt, noch dadurch verhöhnt, dass sie in der Verhandlung haarklein intime Einzelheiten berichten und ihr Seelenleben ausforschen lassen müssen?
Auch wenn der Angeklagte für eine der aufgeführten Taten (siehe unten) möglicherweise ein Alibi hat, überwiegen bisher die belastenden Hinweise. So zeichnet am Mittwoch auch die zweite Enkelin das Bild von einem Sex-Opa, mit dem sie nichts mehr zu tun haben will. Die 19-Jährige wird dreieinhalb Stunden ausgequetscht und soll sich an Details erinnern, die lang zurückliegen.
Die Studentin wirkt gefasst und formuliert unaufgeregt ihre Vorwürfe gegen den 71-Jährigen. Was sie an ihm schon immer gestört hat: dass es ständig um Sex- Themen ("Mein Vater hat es nachgemacht") gegangen sei. Zweimal, so die Zeugin, sei es nicht bei verbalen Grenzüberschreitungen geblieben. Der Mann, den sie nicht mehr Opa nennt, sei vor fünf Jahren auch gegen sie übergriffig geworden.
"Stand halbnackt da"
Ein Vorfall sei im Urlaub im Hotelaufzug passiert. Der Angeklagte habe ihr - im Beisein seiner damaligen Freundin - von hinten das trägerlose Kleid bis zum Bauch runtergezogen. "Ich stand halbnackt da, und er hat sich gefreut, dass ich oben ohne war. Damals war ich 14."
Beim zweiten Mal habe er sich in ihrem Zimmer von hinten an sie herangemacht. Auf dem Schlafsofa sitzend, habe sie am Rücken deutlich die Erektion in seiner Unterhose gespürt. "Ich habe ihn angeschrien und gedroht, dass ich zur Polizei gehe." Dann sei ihre Mutter gekommen und habe ihn rausgeschafft.
Pause beim Taschenkaufen?
Hart attackiert wird die Zeugin von Rechtsanwalt Schwenn, den sie bereits kennt. Er hat ihr gerichtlich untersagen lassen, dass sie in ihrem Blog und in einem Buch die Passage "Meine Mutter wurde von meinem Großvater jahrelang missbraucht" verwendet. Andernfalls droht ihr eine Strafzahlung von 250 000 Euro. Der Verteidiger holt sehr weit aus und unterstellt ihr ein Luxusleben. Die Enkelin muss zugeben, dass sie teuere Taschen besitzt, die 700 oder 2000 Euro kosten. Zu ihrem Wunsch, sich in Therapie zu begeben, merkt er sarkastisch an: "Geht es Ihnen schlecht, können Sie nicht schlafen, nehmen Sie Medikamente oder müssen Sie einfach mal Pause machen beim Taschenkaufen?"
Hier schreitet die Vertreterin der Nebenklägerin, Rechtsanwältin Kristina von Imhoff aus Coburg, ein. Schwenns Befragung nehme Formen einer Drohung an. "Der Herr Rechtsanwalt glaubt, dass alles erstunken und erlogen ist."
Zeuge: Alibi beim Würfelspiel
Eine Vergewaltigung der Tochter soll am 2. Dezember 2010 geschehen sein. Das Datum ist bekannt, weil damals die Mutter der Hauptbelastungszeugin und Ex-Frau des Angeklagten vom Ruhrgebiet nach Oberfranken umgezogen ist. Doch zu dem Zeitpunkt scheint der 71-Jährige nicht in dem besagten Hotel gewesen zu sein.
Nach den Angaben eines Zeugen hat der Angeklagte für den genannten Abend ein Alibi. Er sei beim Stammtisch der Alten Herren des Tennisvereins gewesen. Das weiß der Mann so genau, weil man dort Würfel spielt und darüber Buch führt, wer mitgemacht und wer gewonnen hat. An jenem Abend sei man zu acht gewesen.
Die Zeugenaussage wertet der Verteidiger als Indiz dafür, dass sein Mandant Opfer eines Komplotts werden soll. Er beantragt, die Hauptbelastungszeugin damit zu konfrontieren und erneut zu laden. Die Strafkammer sieht es genauso und gibt dem Antrag statt.
Medienkritik: "Zerrbild vom Prozessverlauf"
Rechtsanwalt Schwenn, der Jörg Kachelmann und viele andere Promis der Republik vertreten hat, steht mit den örtlichen Medien vielleicht nicht auf Kriegsfuß. Ein bisschen fuchst es den Promianwalt aber doch, dass er aus den Artikeln eine Vorverurteilung seines Mandanten herauszulesen glaubt. Zum Beweis dafür präsentiert er am Mittwoch Überschriften wie "Zeugin kommt in Sexprozess das Kotzen" oder "Opfer bricht in Tränen aus".
Er legt Berichte - allerdings nicht von
inFranken.de - vor, aus denen sich nach seiner Ansicht "ein Zerrbild vom Prozessverlauf" ergibt. Wie er betont, gehe es ihm dabei keineswegs um eine Medienschelte. "Die können schreiben, was sie wollen", sagt der Rechtsanwalt. "Aber hier kommt es auf die Wirkung dieser Berichterstattung auf die Zeugen an."
Man müsse davon ausgehen, dass die Zeugen Zeitung oder Internet gelesen haben und beeinflusst worden sein könnten. Schwenn begründet seinen Beweisantrag damit, dass dies dann erheblich sei, wenn das Gericht den Aussagen glauben will.