Die 1. Große Strafkammer verneint einen dringenden Tatverdacht , und der Angeklagte bekommt eine Millionen-Kaution zurück. Welche Auswirkungen hat die Entscheidung auf den weiteren Prozessverlauf?
Ganz nach Wunsch der Verteidigung ist die vergangene Woche im Missbrauchsprozess vor dem Landgericht Bayreuth gelaufen. Erst bekam der 71-Jährige, der sich wegen Missbrauch und Vergewaltigung seiner Tochter (48), seiner Ex-Frau und seiner beiden Enkelinnen verantworten muss, ein Alibi für zwei Tatvorwürfe. Mehrere Zeugen hatten ihn entlastet. Und nun wurde der Haftbefehl, der bereits seit Dezember 2014 gegen eine hohe Kaution außer Vollzug gesetzt war, vom Gericht komplett aufgehoben.
Behält Verteidiger Johann Schwenn Recht, der von der Verschwörung eines Frauenclans gegen den Patriarchen der Familie gesprochen hat? Der Angeklagte war Ende Juli 2014 festgenommen worden und saß vier Monate in Untersuchungshaft. Der Prozess wird am 10. November fortgesetzt.
Zur neuen Entwicklung in dem Mammutprozess, der schon sechs Wochen dauert, befragten wir den stellvertretenden Pressesprecher des Landgerichts Bayreuth, Richter Günther Matt.
Wer hat die Aufhebung des Haftbefehls beantragt?Matt: Das Gericht hat in der Hauptverhandlung am vergangenen Mittwoch auf eine mögliche Aufhebung des seit Dezember 2014 außer Vollzug gesetzten Haftbefehls hingewiesen. Im weiteren Verlauf der Sitzung hat auch die Staatsanwaltschaft die Aufhebung beantragt.
Welche Gründe haben die 1. Große Strafkammer veranlasst, den Haftbefehl aufzuheben?Nach der bisher durchgeführten Beweisaufnahme ist nicht mehr von einem dringenden Tatverdacht, der den Erlass eines Haftbefehls rechtfertigt, auszugehen. Dazu muss man wissen, dass das Gericht während eines Hauptverfahrens ständig zu prüfen hat, ob die Haftgründe weiter vorliegen. Und der dringende Tatverdacht ist eine der Voraussetzung eines Haftbefehls. Diesen Punkt hat das Gericht als problematisch angesehen hat. Der Haftbefehl, der wie ein Damoklesschwert über dem Angeklagten schwebte, ist nun nicht mehr da.
Wie hoch war die Kaution, die der Angeklagte im Dezember 2014 hinterlegen musste?Es waren 1,5 Millionen Euro. Die Höhe der Kaution hängt von den Umständen ab und soll eine Sicherheit darstellen. Die logische Konsequenz ist nun, dass der Angeklagte das Geld zurückbekommt.
Was bedeutet es für den Prozess, wenn man nicht mehr von einem dringenden Tatverdacht ausgeht?Das hat für den weiteren Verfahrensgang keine Auswirkung. Der Prozess nimmt ganz normal seinen Fortgang. Im Prozess ist sind Tatsachen zu klären, es ist ein Tatvorwurf zu prüfen, und gegebenenfalls ist eine Tat zu ahnen. Der Haftbefehl ist dabei eine flankierende Maßnahme. Das muss man getrennt vom Hauptverfahren sehen.
Darf man nun daraus schließen, dass das Verfahren mit einem Freispruch enden wird und der Angeklagte unschuldig ist?
Nein, aus diesem Umstand ist ein Rückschluss auf den Verfahrensausgang nicht möglich. Das kann man nicht verknüpfen. Grundsätzlich sollten solche Zusammenhänge nicht hergestellt werden. Der Haftbefehl muss immer separat gesehen werden. Außerdem ist es in einer Hauptverhandlung oberstes Gebot, dass sich das Gericht erst am Ende eines Verfahrens ein Urteil bildet.