Mit dem technischen Fortschritt kam das Ende des braunen Einheitsbieres. Auch in Kulmbach wurde nun "Helles" gebraut - und bekam kreative Namen.
Plötzlich wurde es hell, das Kulmbacher Bier. Oder zumindest ein Teil davon. Die Erfindungen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts machten es möglich. Allen voran das neue Pilsner Malz und dazu der Filtrierapparat von Lorenz Enziger, einem gebürtigen Bayern.
Seit Menschengedanken war das Bier bis dahin braun gewesen, vielleicht auch mal gefärbt wie das legendäre "Culmbacher", aber trüb und undurchsichtig. Für diese trübe Einheitsbrühe, zwar mit unterschiedlichen Alkoholgraden, brauchte man keine Namen. Aber nun gab es sie, die "lichten" Biere, klar, durchsichtig und in den verschiedensten Farbnuancen, je nach Verwendung oder Zusammensetzung der eingesetzten Malzmischung.
Ein helles leichtes Bier mit reichlich Hopfen entstand in der böhmischen Stadt Pilsen, durch eingewanderte bayerische Braumeister zur Vollkommenheit entwickelt. Sie nannten es "Urquell". Mit diesem stark gehopften "Pilsner" freundete man sich bald auch in der Reichshauptstadt Berlin an. Es wurde dort zum Modegetränk.
Nun benötigten auch die Kulmbacher Brauereien Namen für ihre Erzeugnisse. Sein neues Bier einfach "Helles Bier" zu taufen, wie es die Brauerei Pertsch machte, konnte nicht genügen. Und die Bezeichnung "Salon-Tafelbier" zu verwenden, wie es die "Erste Aktien" anfangs machte, war auch nicht das der große Wurf, denn der Name war nicht geschützt. Er war bei vielen Brauereien im Reichsgebiet im Gebrauch.
Neue Namen mussten her. Sie reimten sich alle auf die Bezeichnungen Brauerei oder Bräu. Der Wettbewerb konnte beginnen.
Auch die Pertschbräu hatte schnell gelernt. Plötzlich bekam ihr Helles den Namen "Gambrinus Brauerei Monopol" verpasst. Die Namensfindung stellte für die Brauerei am Schwedensteg kein großes Problem dar. Schließlich war Bierkönig Gambrinus schon seit langem Bestandteil des Pertsch'schen Emblems. Aber was hatten sich Verantwortlichen der Petzbräu gedacht, als sie die Bezeichnung "Gnomenbräu" kreierten? Was hatte ein Zwerg, dazu noch ein Gnom, mit der stolzen Petzbräu zu tun - seinerzeit die Nummer drei unter den Kulmbacher Brauereien? Auf dem Blechschild, das gleich nach der Fertigstellung an die Außenwände sämtlicher Petzbräu-Wirtschaften genagelt wurde, führt ein Gnom den stolzen "Petz", also den Bären, mit einem Seil hinter sich her.
Die kleine Brauerei Eberlein am Schießgraben fand eine elegante Lösung. Sie nannte nun ihr helles Exportbier "Kronenbräu". Und die von Mainleus übergesiedelte Kapuzinerbräu druckte die Bezeichnung "Gigantenbräu" auf ihre Fassbieretiketten.
Die Brauerei Georg Pöhlmann am Schießgraben, die nur wenig Exportaktivitäten entfaltete, dafür aber eine ganze Reihe bekannter Wirtschaften in Stadt und Land belieferte, hatte sich für "Schlossbräu" entschieden, die Rizzibräu für "Rizziquell" und die Brauerei Louis Weiß am Spiegel nannte ihr "lichtes Tafelbier" fortan "Schwanenbräu". Ein Name, der sich bis heute erhalten hat: Bis vor kurzem hieß eine Wirtschaft im Spiegel so. Die hat mittlerweile geschlossen, die Tage des alten Gebäudes sind gezählt.
Die "Erste Kulmbacher Aktien-Exportbier-Brauerei" war längst zur größten Braustätte der Bierstadt avanciert. Sie sah es immer als Verpflichtung an, ihre Spitzenstellung zu behaupten. So war es auch kein Wunder, dass für deren helle Biere gleich eine ganze Reihe von Bezeichnungen ins Leben gerufen und als Warenzeichen angemeldet wurden. "St. Petri Bier" beispielsweise nach der einheimischen gleichnamigen Kirche. Des Weiteren kamen "Kulmbräu", "Mainbräu", "Wonnebräu", "Wunderbräu" und "Wonnequell" zur Anmeldung. Am 6. März 1895 ließ "Kulmbacher Export-Brauerei Mönchshof A.-G." die Bezeichnung "Maingold" als Markenzeichen registrieren, ursprünglich für ein "hochhelles Salon-Tafelbier. "Maingold" ist die einzige Wortschöpfung der damaligen Zeit, die sich bis heute behauptet hat. Sie ist nun das Synonym für ein Exportbier.
Auch in den Chefetagen der Blaicher Brauerei war man recht erfinderisch. "Kulmbacher Bürgerbräu", "Klosterperle", "Bischofsquell" und "Kulmbacher Klosterstube" sollten den Bierausstoß positiv beeinflussen.
Die Sandlerbräu schlug mit ihrer Kreation "Kaiserbräu" gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen hatte sie eine exzellente Bezeichnung für das neue Helle und zum anderen diente "Kaiserbräu" noch Jahrzehnte erfolgreich für den Export, allem voran in die Vereinigten Staaten. Die Reichelbräu schließlich, die bis zum Ersten Weltkrieg nur über die Bayerischen Grenzen hinaus lieferte, nannte ihr neues Blondes schlicht und einfach "Feinstes lichtes Salon Export-Bier".
Der Spuk schöpferischer Einfälle bezüglich der neuen, klaren Biere währte nicht lange. Neue Biersorten wie Lager, Märzen oder Bock kamen auf. Da genügte es, dazu den jeweiligen Namen der eigenen Brauerei als Absender anzugeben. Das erste richtige Pils in der Bierstadt kam erst im Jahre 1932 in Fass und Flaschen. Es war das "Edelherb" der Reichelbräu.