Der Kulmbacher Literaturverein ist innerhalb weniger Wochen seinem Ziel, den unveröffentlichten Nachlass von Elise Gleichmann als Buch herauszubringen, einen großen Schritt näher. Einem Aufruf in der Bayerischen Rundschau folgten mehr als 20 "Übersetzer".
Kein Text ist ihnen zu knifflig, auch wenn es manche harte Nuss zu knacken gibt: Mehr als 20 Menschen, die die alte Sütterlin-Schrift lesen können, meldeten sich in den vergangenen Wochen bei Andrea Senf vom Kulmbacher Literaturverein. Sie alle sind begeistert von der Idee, die bislang unveröffentlicht gebliebenen Geschichten, Verse, Sagen und Anekdoten der Kulmbacher Mundartdichterin und Heimatkundlerin Elise Gleichmann als Buch herauszubringen.
Ein Überraschungs-Geschenk Da die handschriftlichen Aufzeichnungen, die Jahrzehnte im Stadtarchiv schlummerten, im schon lange nicht mehr gebräuchlichen Sütterlin geschrieben sind, stellt die Übertragung in die heutige Schrift das größte Hindernis dar. Deshalb suchte die Bayerische Rundschau Unterstützung für den Literaturverein.
"Ich bin überwältigt von der Resonanz, die das ausgelöst hat", freut sich Andrea Senf. Die Aufgabe, die vor einem Monat noch fast unlösbar schien, wird jetzt zu einem Gemeinschaftsprojekt, das rasch voranschreitet.
Bei einem Kennenlern-Treffen in großer Runde gestern im Kaminsaal von "Alla Rustica" gab es zur Freude aller Beteiligten noch eine unverhoffte Zusatzunterstützung seitens des Vereins "Freunde der Plassenburg". Vorsitzender Peter Weith überreichte jedem "Übersetzer" ein Exemplar des vom Verein herausgegebenen Buches "Zwischenlichten". Dabei handelt es sich um ein Wörterbuch vergessener oder besonders bemerkenswerter Mundartausdrücke unserer Region. Denn das größte Hindernis fürs Verständnis sind Dialekt-Ausdrücke, die heute kaum noch verwendet werden.
"Wir finden die Idee großartig und stellen gerne auch allen weiteren Übersetzern, die noch mitmachen wollen, dieses Buch zur Verfügung", so Weith.
458 Seiten dicht von Hand beschriebene Blätter gilt es zu übertragen. Schönschrift gibt's nur ausnahmsweise. Meist sind die Buchstaben verschnörkelt, die Sätze eilig notiert, Worte verblasst, durchgestrichen, überschrieben.
Zum Start des Projekts ging es nur langsam voran: Bewohner der Senioren-Wohnanlage Mainpark begannen vor einigen Monaten, die ersten Seiten zu übersetzen. Doch inzwischen hat das Gleichmann-Fieber so viele Kulmbacher infiziert, dass Andrea Senf täglich übertragene Schriftstücke für die digitale Erfassung bekommt.
Mehr als 100 Seiten sind schon geschafft.
Es sind fast ausschließlich Senioren, die sich der spannenden Aufgabe widmen: "Ich habe das als Schulkind in der ersten und zweiten Klasse noch gelernt", sagt Edith Lauterbach. Die 82-Jährige ist mit großem Enthusiasmus dabei und nutzt den Austausch mit den anderen Sütterlin-Experten dazu, ein paar besonders schwierige Worte auszuknobeln: "Manche Begriffe kenne ich nicht. Die sind dann recht schwer zu entziffern."
Hartnäckig sind die Senioren und lassen sich auch dann nicht entmutigen, wenn Textpassagen nicht auf Anhieb Sinn ergeben.Wenn nötig, kommt eine Lupe zum Einsatz , und man diskutiert untereinander, was ein paar etwas schludrig hingekritzelte Buchstaben wohl bedeuten könnten. Josef-Kurt Mayer hat schon eine ganze Reihe Gleichmann-Texte bearbeitet.
Dank des Dialekt-Wörterbuchs wird er nun wohl noch ein wenig schneller vorankommen.
Wer hat Gleichmann persönlich gekannt? Andrea Senf ist derweil auf der Suche nach Details aus dem Leben der Elise Gleichmann. Sie würde sich freuen, wenn Menschen, die die Dichterin noch persönlich gekannt haben und etwas über sie erzählen können, sich bei ihr melden (Telefon 3911691,
andrea.senf@gmx.de).