Kulmbacher Ex-Anwalt macht sich extrem unbeliebt

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Der Betrugsprozess gegen einen Ex-Anwalt aus Kulmbach vor der Wirtschaftsstrafkammer Hof verzögert sich: Am Dienstag stellten Verteidiger Stephan Scherdel (links) und der Hauptangeklagte weitere vier Beweisanträge. Foto: Stephan Tiroch
Der Betrugsprozess gegen einen Ex-Anwalt aus Kulmbach vor der Wirtschaftsstrafkammer Hof verzögert sich: Am Dienstag stellten Verteidiger Stephan Scherdel (links) und der Hauptangeklagte weitere vier Beweisanträge.  Foto: Stephan Tiroch

Der Hauptangeklagte versucht, seinen Ex-Praktikanten reinzureiten. "Schäbiges Verhalten", schimpft dessen Verteidiger Werner Brandl, und die Wirtschaftsstrafkammer vermutet, dass das Verfahren verschleppt werden soll.

Wieder keine Plädoyers, dafür jede Menge Prozesstaktik: Das Verfahren vor der Hofer Wirtschaftsstrafkammer gegen einen Ex-Anwalt aus Kulmbach zieht sich in die Länge. Am Dienstag stellten Verteidiger Stephan Scherdel, Selb, und der Hauptangeklagte vier weitere Beweisanträge.

Vorsitzender Richter Matthias Burghardt war klar, dass der Zeitplan über den Haufen geworfen wird. Er fragte: "Kann es sein, dass Sie das Verfahren verzögern wollen?" Was Rechtsanwalt Scherdel - natürlich - zurückwies.

Nachdem Scherdels vorherige sechs Beweisanträge fast alle zurückgewiesen worden waren, wurden am Dienstag zwei weitere Zeugen gehört. Ein früherer Angestellter der Raiffeisenbank Obermain Nord und ein Notar aus Bayreuth konnten aber nichts zur Entlastung des Hauptangeklagten beitragen. "Seine Sachen waren immer recht diffus", sagte der Notar und bestätigte den Eindruck, den auch Prozessbeobachter von den Geschäften des Ex-Anwalts gewonnen haben.


Spätschicht im Gerichtssaal

Um sich die neuerlichen Beweisanträge anzuhören, mussten die Verfahrensbeteiligten eine Spätschicht einlegen. Draußen war es schon lange dunkel, als es zum wiederholten Mal darum ging, dass der 45-jährige Jurist selbst betrogen worden sei. Dafür, dass die Photovoltaik-Projekte in Rumänien und Italien nicht realisiert werden konnten, und dafür, dass die Investoren ihr Kapital verloren, seien andere verantwortlich.

Der Hauptangeklagte, dem schwerer Betrug vorgeworfen wird und der eine Million Euro Anlegergelder für sich abgezweigt haben soll, ignoriert weiterhin hartnäckig alle Hinweise des Gerichts, dass er seine Situation völlig falsch einschätzt. Dafür machte er sich nun gänzlich unbeliebt: Er ging frontal auf den Mitangeklagten (42) los, der wegen Beihilfe zum Betrug angeklagt ist.


Konspiratives Treffen

Der Ex-Praktikant sei, so war einem von dem Kulmbacher Ex-Anwalt vorformulierten Beweisantrag zu entnehmen, nicht so unbedarft und unschuldig, wie er sich darstellt. Der 42-Jährige habe als Geschäftsführer der Invest GmbH in Geldgeschäften eigenständig gehandelt. Er habe von den Firmenkonten größere Geldbeträge abgehoben, Darlehen ausgereicht und sich sogar ohne Absprache ein Leasing-Fahrzeug geleistet. Trotz eines Hausverbots in der Rechtsanwaltskanzlei habe der Mitangeklagte dort ein konspiratives Treffen mit befreundeten Geschäftsleuten und Pressevertretern (nicht die Bayerische Rundschau, Anm. d. Red.) organisiert. Thema der Besprechung: Wie mit dem Ex-Anwalt in der Öffentlichkeit umzugehen sei. Man habe seinem Mandanten, so Scherdel, durch erfundene Geschichten bewusst schaden wollen und ihm alles wegnehmen wollen, was er hat.


"Übergeschnappt und unfähig"

Nachdem dem Mitangeklagten bisher von allen Zeugen bestätigt worden war, dass er lediglich ein Mitläufer und Sündenbock gewesen sei, regte sich dessen Verteidiger Werner Brandl entsprechend auf. "Schäbiges Verhalten", schimpfte der Rechtsanwalt. Sein Mandant stehe vor Gericht, weil der Hauptangeklagte "übergeschnappt und unfähig" sei. Weiter sagte Brandl zu dem Ex-Anwalt: "Ich schäme mich, dass Sie einmal ein Berufskollege gewesen sind."

Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt. Dann sind erneut die Plädoyers geplant. Das Urteil soll in einer Woche verkündet werden.