Druckartikel: Kulmbacher erlebt unfassbare Kinder-Rettung aus Erdbebentrümmern - "acht Tage ohne Flüssigkeit"

Kulmbacher erlebt unfassbare Kinder-Rettung aus Erdbebentrümmern - "acht Tage ohne Flüssigkeit"


Autor: Daniel Krüger

Kulmbach, Donnerstag, 16. Februar 2023

Der Vorsitzende der türkischen Gemeinde in Kulmbach, Serkan Uzun, ist derzeit in der Heimat seiner Eltern im Erdbebengebiet unterwegs, um zu helfen. Dabei erlebte er neben grausamen Szenen auch ein "echtes Wunder".
Der Vorsitzende der türkischen Gemeinde in Kulmbach ist zurzeit als Helfer im Erdbebengebiet. Hier ist das Haus seiner Mutter eingestürzt - und er erlebte die Rettung zweier Kinder.


  • Kulmbach: Vorsitzender der türkischen Gemeinde im Erdbebengebiet
  • Leichensäcke mit Kindern am Straßenrand: Franke schildert unfassbare Szenen 
  • "Echtes Wunder": Geschwisterpaar nach acht Tagen lebend aus Trümmern geborgen
  • Freundesgruppe verteilt Hilfsgüter in großer Not - so könnt auch ihr helfen 

Serkan Uzun ist Vorsitzender der türkischen Gemeinde in Kulmbach und seit Ende vergangener Woche als Helfer in der Südosttürkei unterwegs. Hier hatte am Montagmorgen (6. Februar 2022) ein Erdbeben gewütet - bisher sind über 40.000 Todesopfer aus den Trümmern geborgen worden. "Wie stark das Beben war, haben wir in Deutschland sehr unterschätzt", sagt Uzun gegenüber inFranken.de. Er selbst sei gemeinsam mit Freunden aus mehreren türkischen Gemeinden in Franken unter anderem in die Heimat seiner Eltern nach Adiyaman gereist, wo seiner Mutter ein beim Beben zerstörtes Haus mit vermieteten Wohnungen gehörte. Eindrücklich schildert Uzun kaum vorstellbare Szenen des Elends und Leids - und die Rettung zweier Kinder, deren Tod so gut wie sicher schien. 

Kulmbacher erlebt Bergung von zwei lebenden Kindern - sie harrten acht Tage unter Trümmern aus 

"Die Not in der Stadt ist sehr groß, rund 2000 Häuser sind einfach eingestürzt, darunter auch das Haus meiner Mutter", schildert er. Die rund 20 Menschen, die dort zur Miete gewohnt hätten, seien noch immer nicht geborgen worden. "Es ist noch nichts passiert. Das liegt daran, dass die Stadt logistisch noch immer schwer erreichbar ist, weil auch Städte außen herum stark zerstört wurden. Es gibt zwar Hilfstrupps aus aller Welt, aber es wird zuerst dort geräumt, wo man die höchste Wahrscheinlichkeit an Überlebenden vermutet", sagt Uzun. 

Unterkünfte gebe es nicht in Adiyaman. "Ein Zelt ist schon absoluter Luxus, auch wer ein Auto besitzt, hat es gut. Viele Menschen schlafen, in dicke Decken eingehüllt, unter Planen, hier liegt Schnee", so der 41-Jährige. Noch dramatischer sei die Lage in Antakya, eine Stadt nahe der syrischen Grenze. Ein Video, das Uzun selbst gedreht hat, zeigt ihn in einer Szenerie, die an einen Bombenangriff erinnert. Am Straßenrand liegen kleine schwarze Leichensäcke mit Kindern darin - wo zuvor Restaurants und Wohnhäuser standen, wühlen sich Bagger durch meterhohe Trümmerhaufen

Hier hat Uzun einen Moment erlebt, der trotz all der Grausamkeit ein "echtes Wunder" dargestellt habe. "Ein befreundeter Ditib-Vorstand, der in Fürth wohnt, hat dort zehn Familienmitglieder verloren. Bei einer Bergung war ich selbst dabei, es handelte sich um zwei Jungen im Alter von acht und 14 Jahren und ihre Eltern", schildert er. "Der Baggerfahrer hat ganz vorsichtig gegraben, dann haben wir noch mit den Händen kleinere Trümmerteile zur Seite geschafft. Mutter und Vater waren tot, aber die beiden Kinder lebten noch. Sie haben dort acht Tage ohne Flüssigkeit und ohne Essen ausgeharrt. Sie kamen ins Krankenhaus, sind aber stabil. Das war eine Riesenfreude", so Uzun. 

Menschen nach Erdbeben "alle unter Schock" - diese Unterstützung wird jetzt gebraucht

Wie man all dieses Elend aushält? "Die Menschen stehen alle unter Schock und sind verwirrt, die haben es noch gar nicht realisiert", sagt der Kulmbacher. Auch ihm und seinen Freunden gehe es nicht anders. "Wir hatten noch gar keine Zeit, das Ganze zu verarbeiten. Uns geht es momentan vor allem darum, zu helfen." Aktuell habe man wieder einen LKW Lebensmittel und Unterwäsche anliefern lassen, das verteile man später, so Uzun am Donnerstagvormittag (16. Februar 2022). 

Noch bis Dienstag bleibe er in der Region, pendle zwischen Antakya und Adiyaman. In Absprache mit der Stadt Kulmbach hat Uzun ein Spendenkonto einrichten lassen, um den Menschen in ihrer großen Not zu helfen. "Am besten sind tatsächlich Geldspenden", sagt er auf die Frage, wie die Helfer und Helferinnen am besten unterstützt werden könnten. "In umliegenden Städten können die benötigten Hilfsgüter besorgt werden. Das ist sinnvoller als einen LKW von Deutschland aus zu schicken. Die Bedürfnisse ändern sich jeden Tag, zum Beispiel besorgen wir gerade Hygiene-Artikel, die knapp werden", sagt der Kulmbacher. 

Wer spenden möchte, kann einen Geldbetrag auf folgendes Konto überweisen: Sparkasse Kulmbach-Kronach, IBAN: DE84 7715 0000 0000 1000 73, BIC: BYLADEM1KUB, Betreff: Spende Erdbeben Türkei-Syrien 

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