Kreis Kulmbach: Warum hat sich die alte Frau im Pflegeheim verbrüht?

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Warum konnte sich eine Frau in einem Pflegeheim verbrühen und Verbrennungen ersten und zweiten Grades zuziehen? Symboldbild: Christoph Schmidt/dpa
Warum konnte sich eine Frau in einem Pflegeheim verbrühen und Verbrennungen ersten und zweiten Grades zuziehen? Symboldbild: Christoph Schmidt/dpa

Einer Pflegerin wird fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen. Vielleicht lag es aber auch an der Pergamenthaut der Geschädigten, dass es zu den schweren Verletzungen kam.

Ein mysteriöser Vorfall in einem Pflegeheim beschäftigt das Amtsgericht Kulmbach. Eine alte Frau soll morgens im Bad allein gelassen worden sein, als ihre Haare gewaschen werden sollten. Sie ist laut Anklage mit dem Hocker vor dem Waschbecken umgekippt und hat sich mit heißem Wasser aus der Duschbrause verbrüht. Diagnose der Ärzte im Klinikum Kulmbach: Verbrennungen zweiten und dritten Grades.

Das Geschehen im September 2016 liegt schon lange zurück. Nachdem eine außergerichtliche Einigung gescheitert war, wurde erst im Januar 2018 erstattet. Dann ermittelte die Polizei.

Vor Gericht steht jetzt eine Pflegerin (54). Ihr wird fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen. Sie erhielt einen Strafbefehl über 4500 Euro und legte dagegen Einspruch ein.

Heißes Wasser aufgedreht

Die Staatsanwaltschaft wirft der Angeklagten vor, die 77-Jährige allein im Bad sitzengelassen und ihr die Duschbrause in die Hand gedrückt zu haben. Sie habe das heiße Wasser aufgedreht und gesagt, dass gleich jemand zum Haarewaschen kommt. Bei dem Sturz zog sich die alte Frau eine stark blutende Wunde am Ellenbogen sowie Verbrühungen am Rücken, Nacken und Ohr zu.

Die Angeklagte bestritt die Vorwürfe. "Das stimmt nicht", sagte sie am Donnerstag zu Beginn eines sehr langen Prozesstags.

Zunächst gegen Sohn ermittelt

Zunächst hatte die Polizei die 54-Jährige gar nicht auf dem Schirm - sondern deren Sohn. Die Anzeige richtete sich nämlich gegen den Betreiber des Heimes im Landkreis Kulmbach und den jungen Mann, der ebenfalls dort arbeitete und zum Altenpfleger ausgebildet wurde.

Der damals 26-Jährige rief seinerzeit die Kolleginnen auf der Station zu Hilfe und erklärte den Unfall damit, dass er nur kurz aus dem Zimmertür gegangen sei, um einen Föhn zu holen. "Er sagte: Als er wieder reinkam, lag die Frau am Boden", sagten mehrere Zeuginnen übereinstimmend aus. Das sei ihm geglaubt worden.

Angeklagte taucht erst später auf

Auf die Angeklagte kam die Polizei erst im Laufe der Ermittlungen durch die Angaben der alten Frau. Sie habe erklärt, mit einer "älteren Schwester" im Bad gewesen zu sein, die ihr den Rücken wusch, deren Namen sie aber nicht kannte. Sie habe ihr die Duschbrause mit laufendem Wasser in die Hand gegeben und den Besuch des "Lehrlings" angekündigt.

Später habe die Geschädigte die betreffende Pflegerin zufällig im Krankenhaus getroffen - eine Begegnung, die tatsächlich stattfand. Dabei habe die alte Frau die Verbrührung erwähnt und sei von der Besucherin zurechtgewiesen worden, dass es sich um Hautabschürfungen handelt. "Sie hatte eine Wut, weil sie als Lügnerin hingestellt wurde", betonte der Polizist.

"Wie eine Kraterlandschaft"

Sie sei acht Wochen im Klinikum gewesen, so die 77-Jährige, und zweimal operiert worden. Unter anderem sei eine Hauttransplantation vorgenommen worden. "Mein Rücken schaut aus wie eine Kraterlandschaft - können Sie sich anschauen."

Während sich ihr Sohn auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berief, machte die Angeklagte Angaben. Sie habe an jenem Tag ebenfalls Dienst auf der Station gehabt und sei zu dem Zimmer gelaufen. Nachdem man die alte Frau aufgehoben hatte, habe sie festgestellt, dass das ganze Bad und das Waschbecken trocken waren, was andere Pflegekräfte bestätigten. Woher hätten die Verbrühungen kommen sollen?

Vielleicht lag es an der sehr dünnen, empfindlichen Haut der alten Frau. "Sie hat eine Pergamenthaut und kann sich ganz schnell verletzen", sagte ihre Hausärztin.

Mehr Fragen als Antworten

In dem Prozess blieb bisher sehr viel unklar: Wer hat die Frau gewaschen? Wurde sie überhaupt gewaschen? Warum war das ganze Bad trocken, wenn sie mit der laufenden Wasserbrause umfiel? Kann man sich mit dem Duschwasser überhaupt verbrühen, nachdem es eine Schutzvorrichtung gibt? Wie glaubhaft sind die Angaben der 77-Jährigen, die von ihrer Tochter und von ihrer Ärztin als "geistig klar" eingeschätzt wird. Denn es gibt ein Gutachten der Reha-Klinik, das ihr kognitive Einschränkungen attestiert.

Richterin Sieglinde Tettmann ordnete deshalb Nachermittlungen an. Die Ergebnisse sollen bis zum Fortsetzungstermin am 7. Februar vorliegen.

Verteidiger Stefan Walder stellte mehrere Beweisanträge. Unter anderem glaubt er, dass die Verbrennungen vom Heizkörper im Bad kommen könnten, der bis 50 Grad heiß wird. Das Verbrennungsmuster mit zwei Streifen am Rücken deute darauf hin.

Heimleiter musste rausgehen

Der Kronacher Rechtsanwalt ließ den Heimleiter aus dem Saal schicken, weil er als Zeuge in Frage komme. Ein Mitarbeiter musste sein Handy ausschalten, damit er die Verhandlung nicht aufnehmen könne, was verboten ist. Walder befürchtete Absprachen und nannte das Verfahren "eine heikle Geschichte".