Willi Lauterbach reagiert blitzschnell, als er am Mittwochmorgen einen schmierigen Ölfilm in der Neuenmarkter Kläranlage bemerkt. Nicht auszudenken, wäre der Treibstoff ungehindert in die Schwarze Schorgast gelangt.
Über den Wassern wabert am Tag danach immer noch ein leichter Geruch von Diesel, der in die Nase steigt. Kein Vergleich mehr freilich zu dem Gestank, den Willi Lauterbach am Mittwochmorgen bemerkt. Der Klärwärter der Gemeinde Neuenmarkt traut seinen Augen nicht, als er im Rinnsaal der so genannten Vorklärung einen schmierigen Film wahrnimmt. "Ich sah diese gelbliche Schicht oben aufschwimmen."
Mindestens zehn Liter, so schätzt der 61-Jährige, bahnen sich vorgestern unaufhaltsam ihren Weg in die Anlage. Der Klärwärter schließt sofort den Schieber, bevor das Abwasser in die nächste Reinigungsstufe weiterfließt. Hier, im Belebungsbecken, sprudelt es hörbar. Die Bakterien, die die organischen Nährstoffe im Abwasser aufnehmen und binden, sind auf permanente Sauerstoffzufuhr angewiesen. Den kleinen Helfern des Klärwärters wäre es beinahe an den winzigen Kragen gegangen. "Es sind wohl einige Ölanteile reingelaufen, aber zum Glück nicht die gesamte Menge. Dann wären die Bakterien unweigerlich tot."
Mit neuen Bakterien "impfen"
Dieses Becken neu "anzusetzen", wie es heißt, hätte Wochen in Anspruch genommen. "Wenn das passiert, muss der komplette Klärschlamm mit der gesamten Biologie ausgebaggert und entsorgt werden. Wenn man Glück hat, bekommt man einen sogenannten Impfschlamm aus einer anderen Kläranlage, die ähnlich strukturiert ist wie unsere. Dann vollzieht sich der Prozess schneller. Wir können auch selber eine neue Biologie aufbauen - aber das dauert."
Und hat Folgen, denn: In dieser Zeit, sagt Lauterbach, werden die Becken nicht stillgelegt. "Das Abwasser durchläuft aber nur eine mechanische Reinigungsstufe und landet dann entsprechend ungeklärter in der Schwarzen Schorgast." Nicht auszudenken, hätte es der Diesel bis dahin geschafft. "Ein Fischsterben wäre die Folge gewesen", sagt Lauterbach. Und eine womöglich kilometerlange Kontamination auch des Mains, in den wiederum die Schwarze Schorgast mündet. Ein einziger Tropfen Öl kann zwischen 600 und 1000 Liter Wasser verunreinigen. Das, was vom Treibstoff noch im Wasser klebt, binden zwei Ölabscheider, die die Firma Drechsler installiert hat.
Suche nach dem Verursacher
Die Polizei schätzt die Kosten für die Bereinigung und Entsorgung auf etwa 1000 Euro. Kein Vergleich zum finanziellen Aufwand, der entstanden wäre, hätte sich der Diesel ungehindert ausgebreitet. "Dann reden wir von einer Summe im fünfstelligen Bereich, mindestens, je nachdem, auf welcher Länge man das Öl hätte aufsaugen und eventuell auch die Ufer hätte reinigen müssen", erklärt Lauterbach. Wer der Verursacher ist? Der Neuenmarkter zuckt mit den Achseln. "Das lässt sich für uns nicht mehr zurückverfolgen." Die Stadtsteinacher Polizei hat in einem öffentlichen Aufruf Zeugen gebeten, sich zu melden (Telefonnummer 09225/963000).
Ob es ein Unfall war oder jemand den Treibstoff bewusst über einen Gully oder gar die eigene Toilette entsorgt hat? Willi Lauterbach mag keine Spekulationen anstellen, aber er appelliert an die Bürger, nicht den vermeintlich schnellen Weg der Entsorgung zu wählen. "Im Landkreis gibt es wirklich für jede Art von Abfall und Unrat eine Sammelstelle und die Möglichkeit, solche Güter umweltgerecht abzugeben. Keiner muss da heimlich Öl, Farbreste oder Kleidungsstücke über das Abwasser loswerden."
Ja, auch Kleidung landet bei ihm in der Anlage. Ein großer Rechen klaubt das unerwünschte Treibgut aus dem Wasser, eine Pumpe befördert das stinkende Konglomerat in einen Müllcontainer. Vor allem Hygieneartikel wie Damenbinden landen hier, aber auch die Reste von feuchtem Klopapier. Mancher Kläranlage bereiten die sich aufzwirbelnden Fasern, die hart wie Beton werden können, immer größere Probleme, denn sie verheddern sich in den Pumpen und können diese lahmlegen. "Das passiert vor allem bei Kreiselpumpen, wir haben hier eine Förderschnecke, die packt die Massen noch."