Nach dem Pfingsthochwasser kritisiert Architekt Jürgen Öhrlein das Abwassersystem in Kulmbach.
Es herrschte Land unter: Der Starkregen hat Kulmbach am Pfingstsamstag unter Wasser gesetzt. Wäre das zu verhindern gewesen? Nein, hat Stadtwerke-Leiter Stephan Pröschold erklärt und deutlich gemacht, dass es etwa in der Siedlung oder in Weiher 80 bis 100 Liter pro Quadratmeter geregnet habe. Ein Kanalsystem auf solche Unwetter auszulegen, sei wirtschaftlich nicht möglich, hat Pröschold erklärt.
Überschwemmungsgefahr steigt
Deutliche Kritik an der Stadt Kulmbach übt mit Blick auf das Hochwasser der Architekt und frühere Grünen-Kreisrat Jürgen Öhrlein aus Rothwind. Es sei seit Jahren bekannt, dass die Überschwemmungsgefahr bei Starkregen innerhalb kurzer Zeit zunehme und die Werte der "Jahrhundertregen" immer häufiger übertroffen würden.
Auch die Stadtwerke müssten sich mit diesen Klimaveränderungen befassen. Die Stadt genehmige aber unbegrenzt Baumaßnahmen, "ohne das Problem Starkregen durch entsprechende technische Mittel zu berücksichtigen", erklärt Jürgen Öhrlein.
In anderen Städten sei man viel weiter: "Dort werden in Neubaugebieten entlang der Straßen Versickerungsmöglichkeiten geschaffen. So können sowohl die gereinigten Niederschläge aus dem Straßenbereich als auch die Niederschläge aus den Grundstücken abgeleitet werden." Aufgrund der geologischen Verhältnisse gebe es in Kulmbach fast überall auch sandig-kiesige Schichten, wo diese Versickerung erfolgen könnte.
Vorbild Neudrossenfeld
Große Wassermassen könnten mit Hilfe großer unterirdischer Gitterboxen als Regenrückhaltespeicher und Kiesgräben kurzfristig bewältigt werden. Auch ein finanzieller Zuschuss an Bauherren mit der Auflage, Zisternen zu errichten, sei ein Schritt in die richtige Richtung, "weil diese gerade im Sommer bei Starkregen meist nicht gefüllt sind und als Puffer wirken". Gründächer würden ebenfalls Regenmengen puffern. Gerade bei kurzen Starkregen sei das eine optimale Lösung. "Dazu bedarf es keiner großen, technisch aufwendigen Rückhaltebecken, sondern nur eines Vermerks in der Baugenehmigung, wie es etwa in Neudrossenfeld schon lange praktiziert wird."
"Industriebetriebe werden geschützt"
Stephan Pröschold habe die Einführung einer zeitgemäßen gesplitteten Abwassergebühr bisher immer mit Erfolg verhindert, bei der Betriebe mit ausgedehnten Flächenversiegelungen oder großen Dachflächen stärker zur Kasse gebeten würden. Industriebetriebe würden geschützt. "Obwohl das dort ankommende Regenwasser die Überschwemmungen wesentlich beeinflusst."
Rückstau unvermeidlich
Wenn in Kulmbach etwa im Bereich der Lichtenfelser Straße wegen der enormen Flächenversiegelung der Kanal mit Regenwasser voll ist, könne kein Wasser mehr aus umliegenden Gebieten in denselben Hauptkanal abfließen. Es komme unweigerlich zum Rückstau. "Dann sind Überschwemmungen unvermeidbar."
Ein Kulmbacher Problem sei das Fehlen von getrennten Kanalsystemen und das Zusammenleiten von Regen- und Schmutzwasser in einen Kanalstrang. "Dies bringt mehr Geld in die Kläranlage." Bereits beim Kampf der Bürger gegen das Cross-Border-Leasing habe Pröschold gezeigt, "dass er sich von kurzfristigen finanziellen Vorteilen leiten lässt".
Das sagen die Stadtwerke
Zur Öhrlein-Kritik stellte der Chef der Stadtwerke, Stephan Pröschold, fest, dass man nicht kurzfristige finanzielle Vorteile im Blick habe, sondern ein funktionierendes Abwassersystem. Nach seinen Worten gibt es in weiten Teilen Kulmbachs ein Mischsystem: "Schmutz- und Oberflächenwasser werden in einem Kanalsystem zur Kläranlage geleitet." Seit 2009, als die gesetzlichen Regelungen geändert wurden, müsse in Neubaugebiete die Entwässerung durch ein Trennsystem erfolgen. Dem komme man nach. Hier führe man Schmutz- und Oberflächenwasser in getrennten Kanälen ab.
Ein Trennsystem habe Vorteile, so Pröschold. "Allerdings ist der Umbau eines vorhandenen Mischsystems mit enormen Kosten verbunden, da parallel ein zweites Netz aufgebaut werden muss." Vor Jahren sei ermittelt worden, dass ein solcher Umbau im Stadtgebiet rund 200 Millionen Euro kosten würde. "Aber der Schutz vor extremen Regenereignissen würde dadurch nicht verbessert." Auf ein 100-jähriges Regenereignis berechnet, lägen die Kosten noch deutlich höher - nämlich bei 365 Millionen Euro. "Diese Kosten würden die Abwassergebühr um ein Vielfaches erhöhen. Das ist wirtschaftlich nicht darstellbar."
Zur Versickerung
Die Stadtwerke begrüßen laut Pröschold die Versickerung oder Nutzung von Regenwasser zur Gartenbewässerung. "Die angesprochene Verpflichtung zum Einbau von Zisternen stellt aber allein die ordnungsgemäße Niederschlagswasserbehandlung nicht sicher." Das Zisternenvolumen stehe nicht immer zur Verfügung, zudem käme Oberflächenwasser von Straßen und Wegen hinzu.
Erhebliche Kosten
Der Stadtrat habe sich bisher gegen eine gesplittete Abwassergebühr ausgesprochen, sagte Pröschold. Damit wären ein hoher Erfassungs- und in der Folge auch ein hoher Prüfungsaufwand verbunden, der erhebliche Kosten verursacht und von den Bürgern zu bezahlen wäre.
Ursache des Pfingsthochwassers seien nicht versiegelte Flächen gewesen. Der Starkregen sei vor allem über Forstlahm, der Siedlung und Weiher niedergegangen. Deswegen seien der Mangbach, der Weiherbach und der Kinzelsbach überlastet gewesen und hätten Straßen und Grundstücke überflutet.
Jürgen Öhrlein denkt weiter als Stephan Pröschold …
… und er hat recht, wenn er sagt:
„Industriebetriebe werden geschützt"
Begründung:
Stephan Pröschold habe die Einführung einer zeitgemäßen gesplitteten Abwassergebühr bisher immer mit Erfolg verhindert, bei der Betriebe mit ausgedehnten Flächenversiegelungen oder großen Dachflächen stärker zur Kasse gebeten würden. Industriebetriebe würden geschützt. „Obwohl das dort ankommende Regenwasser die Überschwemmungen wesentlich beeinflusst."
Das ist eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit gegenüber dem so genannten normalen ’Bürger draußen’!
Das ist kein Kulmbach Problem sondern ein Deutschlandproblem.
Alleine die Preise welche himmelschreiend ungerecht sind für den kleinen Mann.
Strom /Gas / Wasser-Abwasser
Ich gebe dir bzgl. der Verteilung der Kosten vollkommen recht.
Mir erschließt sich jedoch nicht der Zusammenhang mit dem Hochwasserereignis. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Betriebe deshalb weniger Flächen versiegeln. Würde mich mal interessieren, ob es dazu konkrete Zahlen gibt bzw. Vergleiche zwischen Gemeinden die über Flächenversieglung abrechnen und denen die das nicht tun. Ich lasse mich hier gerne eines Besseren belehren.
Wenn den Großbetrieben mit großen versiegelten Flächen und Dächern das Regenwasser bei der gesplitteten Abwassergebühr richtig Geld kostet, werden sie bltzartig eigene Versickerungsanlagen bauen oder die Asphaltflächen durch Splitt oder gelochte Steine ersetzen. Dann sinkt auch die Abwassergebühr und wenn dies mehrerer Firmen machen, wird das Hochwasser geringer ausfallen. Auch private Zisternen sind im Sommer nach einer Hitzeperiode meist leer, sodass dort ebenso Starkregen aufgefangen und abgemindert wird. Pröschold macht sich zum Schutzheiligen der Großbetriebe und vergisst die Bürger. Beispiel Aldi braucht 100 m³ Trinkwasser im Jahr (WC; Waschbecken) und hat 1000 m² Fläche versiegelt. Der Häuslebauer braucht ebenso 100 m³ Trinkwasser und lässt sein Regenwasser komplett im Gartenteich/Grundstück versickern. Beide zahlen dann 100 m³ Trinkwasser und 100 m³ Kanal. Bei 700 mm Niederschlag/a kommen von Aldi aber noch rd. 700 m³ Regenwasser dazu, welches ebenfalls über die Kläranlage in den Main abläuft. Bei der gesplitteten Gebühr müßte Aldi dann auch die 700 m³ Regenwasser mit der Kanalgebühr bezahlen, der Häuslebauer mit örtlicher Versickerung zahlt dann aber nichts. Bei der Brauerei, Globus, Obi usw. kostet dann das Regenwasser richtig Geld (oder man lässt es versickern).