Der 36-Jährige aus Menchauer meistert ein schweres Schicksal. Er braucht dringend Ersatz für seinen defekten Spezialrollstuhl, doch die AOK will die Kosten dafür nicht übernehmen.
Das Schicksal erscheint oft ungerecht. Die einen kommen gesund und mühelos durchs Leben, andere werden mit Gendefekten geboren, die ihnen nicht die Chance lassen, sich ihre Lebensträume zu erfüllen. Jürgen Keller ist einer dieser Menschen. Er leidet an einer Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie - einer Erbkrankheit, die zu einem unaufhaltsamen Muskelschwund führt und nicht heilbar ist.
Der 36-Jährige aus Menchau ist seit Jahren schwerstpflegebedürftig, braucht rund um die Uhr Atem-Unterstützung und Hilfe bei allem. Das letzte bisschen Freiheit gibt ihm die Restbeweglichkeit des Daumens, mit dem er via Mini-Joystick einen Elektro-Rollstuhl selbst steuern kann. Der seit elf Jahren von ihm genutzte Spezial-Rolli ist nun seit Juli irreparabel defekt. Seither kann er das Haus nicht mehr verlassen und kämpft bei der AOK um Bewilligung eines gleichwertigen Ersatzes. Bislang vergeblich.
"Es ist frustrierend und eine Riesenbelastung für mich und meine Pflegekräfte", sagt der Menchauer. Durch die Geräusche des Beatmungsgeräts ist er schwer zu verstehen, aber er hat gelernt, diese Hürde zu meistern, eine von vielen in seinem alltäglichen Leben, das er mit Hilfe seiner Schwester Martina und seiner Pfleger selbst managt.
Mit dem Defekt des Rollstuhls ist sein Leben schwierig geworden. Doch ein neues Exemplar bekommt er nicht ohne weiteres. Das Problem: Er muss beweisen, dass er den Elektro-Rollstuhl mit motorisch betriebener Hubvorrichtung wirklich braucht, und soll dazu aktuelle Befunde von Fachärzten beibringen. Arztbesuche sind dem Schwerstkranken jedoch nicht möglich - und so kam nun nach vier Monaten Schriftverkehr die Ablehnung der AOK "aufgrund fehlender medizinischer Voraussetzungen".
Für Jürgen Keller und alle, die ihn betreuen und versorgen, ist das nicht nachvollziehbar. Das Krankenfahrzeug wurde ihm vor elf Jahren in dieser Ausstattung bewilligt, weil er es unbedingt braucht. Eine Verbesserung seines Zustandes ist nicht möglich. "Bis Juli konnte ich mich mit dem Rollstuhl noch selbst in der Wohnung bewegen. Jetzt kann ich alleine gar nichts mehr tun", sagt Jürgen Keller. 250 Kilogramm wiegt das Gefährt, das sich ohne Motor nur schwer bewegen lässt. "Das kann ich meinen Pflegekräften nicht zumuten."
So wird für vieles ein Lifter benutzt - eine sehr unangenehme und für den geschwächten Körper belastende Prozedur. Der 36-Jährige hat dadurch starke Schmerzen in seinen Schulter- und Hüftgelenken sowie im Rücken. "Das ist nicht akzeptabel", kritisiert Una Langer. Die Ergotherapeutin behandelt Jürgen Keller seit vielen Jahren. "Die Situation der vergangenen Monate ist kontraproduktiv und beschleunigt den Verschleiß. Die Belastungen durch den Lifter sind für uns jetzt noch eine zusätzliche Baustelle - eine, die nicht sein müsste."
Für Volker Seitter, seit 27 Jahren Kellers Hausarzt, ist die Haltung der AOK "völlig unverständlich". Es handele sich nicht um eine Neuverordnung, sondern um eine Ersatzbeschaffung. Dass man jetzt einen Nachweis der Bedürftigkeit durch neue Befunde verlangt, leuchtet dem Arzt nicht ein. Jeder, der sich vor Ort umschauen würde, würde die Notwendigkeit sofort erkennen."