Ein Jahr, nachdem der Staatsforst die breiten Rückewege im Naherholungsgebiet Kessel/Rehberg gebaut hat, sind Mountainbiker, Jogger und Spaziergänger immer noch sauer. Ein Interessenskonflikt, der sich wohl nicht lösen lässt.
Nein, ganz so schlimm wie am Nordhang des Buchwalds, wo bei den vom Staatsforst angelegten neuen, breiten Rückegassen der blanke Boden rausschaut (BR vom Freitag), sieht es im Kessel und am Rehberg nicht mehr aus. Ein Jahr danach ist Gras auf den Wegen gewachsen - aber nicht über die Sache. Der Ärger bei denen, die den Kessel als Nah erholungsgebiet für Spaziergänge und Sport nutzen, ist noch nicht verraucht.
Rückblende: Anfang 2012 hat der Staatsforstbetrieb Nordhalben in seinem 150 Hektar großen Waldgebiet zwischen Kessel, Leuchau und Tennach mit schwerem Gerät zahlreiche Rückewege verbreitert. Solche Schneisen sind nötig, weil für die Waldbewirtschaftung moderne Maschinen eingesetzt werden.
40 Jahre vorher war im Kessel nichts passiert - daher empfanden viele Menschen die Eingriffe in "ihr" Naherholungsgebiet als brutal: "Ein Kleinod der Natur wurde bulldozergerecht plattgemacht."
Treffpunkt "Bänkla" Wie sieht es ein Jahr danach im Kessel aus? Dazu treffen wir uns wieder am "Bänkla" beim Weiler Kessel zum Waldspaziergang. Wieder mit von der Partie: Reiner Racek, der Mountain biker; Jobst Rathmann, der Spaziergänger, und Thomas Strunz, der Jogger.
Kühl ist es im Wald, wenigstens regnet's nicht. Überall sattes Grün. Auf dem großen Forststraßen alles wie immer. Auch die markierten Wanderwege sind hergerichtet.
Doch wenn man von den Hauptwegen abzweigt, wird das ganze Malheur deutlich: "Früher waren hier schmale, idyllische Wege, die seit Jahrzehnten begangen wurden, die sind jetzt weg", schimpft Reiner Racek.
Vor allem "das ganze Kleinholz und Gestrüpp, das liegengelassen wurde", regt Thomas Strunz auf. Und Jobst Rathmann weiß: "Früher war's hier gemütlicher."
Selbst für den Wanderer, der gut zu Fuß ist, sind die Reisighaufen ein kaum zu überwindendes Hindernis. Geschweige denn, dass man hier joggen oder mit dem Mountainbike fahren könnte. "Wenn die Äste in die Speichen kommen, haut's dich um, zu gefährlich", erklärt Reiner Racek. "Die Mountainbiker suchen Abwechslung, aber so was ist nicht berechenbar."
Thomas Strunz schüttelt den Kopf. "Ich bin frustriert", sagt der Jogger, der seit einem Jahr den Kessel meidet. Nicht so Jobst Rathmann, er mit seinem Hund mehrmals in der Woche in den Kessel geht. "Die Wanderwege sind in Ordnung gebracht worden. Aber das hier kann ich nicht akzeptieren", sagt er und zeigt auf das Kleinholz und Gestrüpp.
"Zu Waldarbeiten kommen sie erst in zehn oder zwanzig Jahren wieder. So lange liegen die Äste dort, und keiner kann da laufen."
Was die einen (Erholungs suchende) in Rage bringt, ist für die anderen (Forstleute) notwendiger Bestandteil schonender Waldbewirtschaftung. Ein Interessenkonflikt, der sich wohl auch nicht lösen lässt.
Aus Vorkommnissen gelernt Beim Forstbetrieb Nordhalben hat man aus den Vorkommnissen des letzten Jahres gelernt. "Wir nehmen den Aspekt des Erholungswaldes in Stadtnähe ernst und werden künftig im Kessel deutlich mehr Rücksicht auf die Erholungsfunktion und die Waldbesucher nehmen", versichert stellvertretender Betriebsleiter Gerhard Müller. Dennoch bittet er die Bevölkerung um Verständnis: "Der Wald kann kein unbewirtschaftetes Idyll bleiben.
Früher hat man mit einer Technik gearbei tet, die das Laufen auf den Rücke wegen zugelassen hat. Aber mit den Methoden von gestern kann man den Wald heute nicht mehr sachgerecht bewirtschaften."
Dabei ist es Müller zufolge gar nicht vorgesehen, die reinen Rückegassen, die Feinerschließung, aufzuräumen. "Das wäre nicht im Sinn der Natur. Es sind Maschinenspuren, die der Holzernte und Waldpflege dienen, und das Reisig schützt den Boden wie eine Matratze." Nach seinen Worten werden so in ganz Bayern auch große stadtnahe Wälder wie der Ebersberger Forst bei München bewirtschaftet. In der Regel alle zehn Jahre sei eine Waldinventur vorgesehen, bei der festgelegt wird, was zu tun ist.
"Die Eingriffe haben was zu tun mit dem Wachstum der Bäume, dazu brauchen sie genügend Platz - das ist der Kern von nachhaltiger Waldnutzung."
Außerdem verweist Müller auf die juristische Seite des Themas, die bei vielen Sportlern offenbar nicht bekannt ist: "Radfahren und Reiten ist auf solchen Rücke spuren gar nicht erlaubt. Da muss man sich an geeignete Wege halten. Nur Fußgänger dürfen überall laufen. Aber die müssen die Wege so nehmen, wie sie sind."
Ein Sehnsuchtsort Was logisch klingt und aus fachlicher Sicht durchaus nachvollziehbar ist, hilft den Menschen, die mit "ihrem" Wald besonders verbunden sind, nicht viel weiter.
Der Wald ist seit der deutschen Romantik ein Sehnsuchtsort, besetzt mit Emotionen.
"Ich bin enttäuscht, dass man ein Naherholungsgebiet so hinterlässt", meint Reiner Racek, während er sein Fahrrad schiebt und sich den Weg durch das Holzgewirr bahnt. Wir folgen ihm, was besonders für Jobst Rathmann nicht ganz einfach ist, der seinen Boxer Rasso und den vierjährigen Enkel Jakob im Schlepptau hat. Immerhin: Es bleibt trocken, bis wir wieder am "Bänkla" angekommen sind.