"Helium führt schnell zur Bewusstlosigkeit"

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Zu einem Tod ohne Qualen für die Schweine könnte die Betäubung mit Helium führen. "Helium führt schnell zur Bewusstlosigkeit", sagt Professor Klaus Troeger.
Zu einem Tod  ohne Qualen  für die Schweine könnte die Betäubung mit Helium führen. "Helium führt schnell zur Bewusstlosigkeit", sagt Professor Klaus Troeger.
Symbolbild: Adobe Stock
Professor Klaus Troeger
Professor Klaus Troeger
privat

Wie Tieren ein Tod ohne Qualen im Schlachthof ermöglicht werden kann, erläutert Klaus Troeger, der die innovative Betäubungsmethode mit Helium erforscht hat, im Interview.

Die Aufnahmen, die im ARD-Magazin "Report Mainz" gezeigt wurden, haben deutlich vor Augen geführt, wie Tiere bei der Betäubung mit CO 2 im Schlachthof leiden. Die Stadt Kulmbach hat das erkannt und zusammen mit der Bernd-Tönnies-Stiftung ein weltweites Pilotprojekt in Angriff genommen, das den Schweinen einen qualvollen Todeskampf ersparen soll. Der Wegbereiter, der Mann, der die innovative Schlachtmethode mit dem Edelgas Helium erforscht hat, ist Professor Klaus Troeger, der früher Wissenschaftler am Max-Rubner-Institut in Kulmbach war. Im Interview spricht der 72-Jährige über die Vorteile von Helium und über die Zusammenarbeit mit der Bernd-Tönnies Stiftung. Und Troeger macht deutlich, dass die gegen Schlachthofleiter Dirk Grühn erhobenen Drohungen inakzeptabel, die Vorwürfe unhaltbar sind.

Herr Troeger, Sie sind der Mann, der die Entwicklung einer neuen, für die Schweine stressfreieren Betäubungsmethode erforscht hat. Seit wann befassen Sie sich damit?

Die Betäubung von Schweinen ist seit Jahrzehnten ein Thema an der früheren Bundesanstalt für Fleischforschung, dem heutigen Max-Rubner-Institut. Schon als wir uns in den 1980er-Jahren in Dänemark die erste Anlage, die auf CO 2 gesetzt hat, angesehen haben, waren wir von dem Verfahren nicht begeistert, weil die Tiere leiden. Die Betäubung mit Kohlendioxid wurde in der Folge aber auch am Kulmbacher Schlachthof eingeführt, weil sie doch Vorteile gegenüber der bis dahin üblichen Elektrobetäubung hatte. Wir haben über Jahrzehnte an einem schonenderen Verfahren geforscht, bis zu meinem Ausscheiden 2013 zuletzt dann an der Variante mit dem Edelgas Helium.

Was ist der Vorteil von Helium?

Es gibt mehrere Gründe, die bei der Betäubung für den Einsatz des Edelgases sprechen. Helium ist 7,5 mal leichter als Luft und ein sehr kleines Atom, das in der Lunge ganz schnell den Sauerstoff verdrängt - und das ohne Atemnot auszulösen. Helium führt zum Sauerstoffmangel im Gehirn und damit rasch zur Bewusstlosigkeit der Tiere, die nicht leiden müssen. Dabei muss man wissen, dass das Erstickungsgefühl, das die Schweine bei der jetzigen Methode haben, allein aus einem CO 2 -Überschuss im Blut resultiert. Was für den Einsatz von Helium spricht, ist auch die Tatsache, dass die Fleischqualität messbar besser wird, weil im Vergleich zur Betäubung mit CO 2 die Stresshormone im Blut signifikant niedriger sind. Wird viel Adrenalin ausgeschüttet, werden die biochemischen Prozesse in der Muskulatur stark beschleunigt. Das hat zur Folge, dass das Fleisch wässriger und die Qualität schlechter wird. Wer auf die Mehrkosten beim Helium schaut, muss deshalb auch die Gegenrechnung aufstellen, beispielsweise die geringeren Zerlegverluste beachten. Der deutliche Qualitätsgewinn ist ein weiteres Argument für die Betäubung mit Helium.

Was haben Sie gedacht, als Sie den Bericht in "Report Mainz" gesehen haben, der von der Presse als Tierskandal verkauft worden ist? Was sagen Sie dazu, dass Schlachthofleiter Dirk Grühn kritisiert, sogar bedroht wird?

Ich habe mich gefragt, warum die "Soko Tierschutz" für diese Aktion den Kulmbacher Schlachthof ausgesucht hat, denn dort wird eine ausgezeichnete Arbeit geleistet. Ich bin durch die jetzige Forschungsarbeit ständig dort und sehe, dass das Tierwohl an vorderster Stelle steht. Wer Dirk Grühn kritisiert, trifft den Falschen und hat eine völlige Unkenntnis der Sachlage. Er versucht, aus der aktuellen Betäubungsmethode das Beste zu machen, um das Leid der Tiere zu minimieren. Als Robert Tönnies auf mich zugekommen ist und mir angeboten hat, dass seine Stiftung die Forschungsarbeit unterstützt, hat er es mir überlassen zu entscheiden, wo die Pilotanlage installiert wird. Ich habe mich nicht umsonst für Kulmbach entschieden. Dirk Grühn war auch gleich Feuer und Flamme.

Warum wurde das Projekt nach Ihrem Ausscheiden 2013 nicht weiter vorangetrieben?

Ich bin 2013 in den Ruhestand gegangen. Seitdem ist in der Forschung zu dem Thema nichts mehr passiert. Warum, das weiß ich nicht. Anfang der 2010er Jahre haben wir am MRI übrigens schon einmal mit einer anderen Stiftung der Familie Tönnies kooperiert, der Clemens Tönnies vorsteht. Es war das erste Projekt zur Helium-Betäubung. Das Folgeprojekt, das sich auch mit der Helium-Betäubung befassen sollte, ist letztlich im Sande verlaufen. Ich hatte den Eindruck, dass die Verantwortlichen kalte Füße bekommen haben, weil ihnen bewusst geworden ist, dass Helium deutlich teurer ist als CO 2 und der Schlachtprozess dadurch wesentlich kostenintensiver geworden wäre.

Waren Sie überrascht, als Clemens Tönnies Neffe Robert vor einem Jahr auf Sie zugekommen ist, um Ihre Forschungsergebnisse in eine Pilotanlage umzusetzen?

Tönnies hat auf Youtube ein Video gesehen, das 2014 im SWR ausgestrahlt worden war. Darin wurde ein Betäubungsversuch mit Helium im Kulmbacher Schlachthof gezeigt. Ich habe mir lange und reiflich überlegt, ob ich als Projektleiter einsteigen soll, weil ich ja schon lange im Ruhestand bin. Ich habe mich letztlich dafür entschieden, weil ich die nötige Erfahrung habe und weil ich die Chance sah, die Ergebnisse der Forschungsarbeit in die Praxis umzusetzen.

Wird es gelingen, die Schlachtindustrie von der Helium-Betäubung trotz der Mehrkosten zu überzeugen?

In der EU-Verordnung heißt es, dass die Betäubung mit CO 2 akzeptiert wird, so lange keine bessere Alternative gefunden wird. Sollte sich die Betäubung mit Helium oder anderen Edelgasen bewähren, dürfte das das Ende der Betäubung mit Kohlendioxid gewesen sein. Zudem bin ich sicher: Die bessere Fleischqualität wird die großen Abnehmer überzeugen. Dann bleibt der Schlachtindustrie kaum eine Alternative, als die Betäubung umzustellen.

Die Schlachtpreise werden steigen. Wie hoch sind die Mehrkosten?

Die Kosten für die Betäubung mit Kohlendioxid betragen pro Schwein circa 30 Cent, bei großen Betrieben wie Tönnies nur wenige Cent, weil dort ganz andere Schlachtzahlen anfallen. Bei Helium könnten es 1, 2 oder auch 3 Euro werden. Man muss aber überlegen, was das für den Verbraucher bedeuten würde. Er müsste vielleicht vier Cent pro Kilogramm Schweinefleisch mehr bezahlen. Das müsste uns das Tierwohl doch wert sein.

Wir werden versuchen, die Kosten zu reduzieren. So werden wir auch Helium-Stickstoff-Mischungen testen, die günstiger wären. Es ist auch unser Bestreben, den Helium-Verlust zu reduzieren, da die weltweiten Ressourcen begrenzt sind. Wir denken da an ein Schleusensystem, bei dem bei der Betäubung kein Helium entweichen kann. Auch das Recyceln des Edelgases wird anvisiert.

Wann rechnen Sie damit, dass das Verfahren marktreif ist?

Derzeit lässt ein Gas-Spezialist aus Hamburg die Pilotanlage in Holland errichten. Der Aufbau in Kulmbach soll im Oktober beginnen. Wir werden dann die Testphase starten, in der wir sicherlich einiges optimieren müssen. Wann die Marktreife erlangt wird, kann man nur schwer sagen. Es kann schnell gehen, vor allem dann, wenn die Gesellschaft, der Markt und die Politik Druck ausüben.