Sieben Jahre Gefängnis wegen schweren Betrugs: Nach dem Urteil wird der Hauptangeklagte gleich festgenommen. Die Hofer Wirtschaftsstrafkammer will ausschließen, dass er weitere Straftaten begeht.
Zwei Justizwachtmeister bei der Urteilsverkündung der Hofer Wirtschaftsstrafkammer im Saal und zwei Polizisten vor der Eingangstür - das kann für den Ex-Anwalt aus Kulmbach nichts Gutes bedeuten. Denen, die die Gepflogenheiten bei Gericht kennen, ist klar: Es wird eine hohe Haftstrafe für den Hauptangeklagten geben und seine Festnahme im Gerichtssaal.
Genauso kommt es. Erst das Urteil der Kammer mit sieben Jahren Gefängnis wegen schweren Betrugs und fünf Jahre Berufsverbot, dann der Beschluss des Gerichts, den Ex-Anwalt gleich in Haft zu nehmen. Man wolle verhindern, dass der Verurteilte neue Straftaten begeht, betont Vorsitzender Richter Matthias Burghardt.
Nachtatverhalten negativ
Mit der Festnahme trägt die Kammer dem Nachtatverhalten des Kulmbachers Rechnung, der in der Untersuchungshaft seine Anwaltszulassung zurückgegeben hat, aber nach seiner Entlassung gleich wieder als Anwalt aufgetreten ist. Dabei gibt er vor, die Schadenersatzansprüche eines Unfallopfers zu regeln. Vom Geld der Versicherung erhält der "Mandant" allerdings nur 4900 Euro, mindestens 9000 Euro streicht der Jurist ein. Da er derzeit kein Einkommen hat, besteht nach Auffassung der Kammer eine Wiederholungsgefahr.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Ex-Anwalt (45) bei den Betrügereien die Fäden in der Hand gehalten hat. Seinen mitangeklagten Ex-Praktikanten (42) habe er als Geschäftsführer der Invest GmbH gebraucht, um selbst nicht im Vordergrund zu stehen.
"Alles gelogen"
Der Jurist wird verurteilt wegen schweren Betrugs in fünf Fällen und versuchten schweren Betrugs in zwei Fällen. Ihm sei immer klar gewesen, dass er die Finanzierung von Solarparks in Rumänien und Italien - teilweise mit Gesamtinvestitionen über 100 Millionen Euro - niemals auf die Beine stellen kann. Dennoch gaukelt er den Investoren beste Beziehungen zu Großbanken vor und verspricht, die Photovoltaik-Projekte zu finanzieren, wenn die Anleger fünf Prozent Eigenkapital aufbringen. "Er wusste, dass alle seine Angaben gelogen waren", betont Burghardt.
Mit diesem Geschäftsmodell nimmt der damalige Rechtsanwalt insgesamt eine Million Euro ein. Der 45-Jährige braucht das Geld, denn seinerzeit ist seine Anwaltskanzlei bereits pleite. Dabei stört es den Juristen nicht, dass er Mitte 2013 - zu Beginn seiner Tätigkeit als Finanzier von Solarparks - gerade wegen Steuerhinterziehung vor Gericht steht. Als Sicherheit für seine Kunden verteilt er Anteile einer Photovoltaik-Anlage in Rumänien, die ihm nicht gehört, und will Grundschulden auf das frühere Gelände der US-Army am Bindlacher Berg eintragen lassen, über das er ebenfalls nicht verfügen kann. "Er verteilte den Braten, der ihm nicht gehörte, gleich mehrfach", sagt der Richter. Die Investoren zahlen im Vertrauen auf die Anwaltseigenschaft des Kulmbachers.
Das Gericht bewertet die Taten des 45-Jährigen als "hohe Kriminalität - dreist wäre eine Verniedlichung". Zur Strafzumessung sagt Burghardt, dass zu Gunsten des Angeklagten nur ein Teilgeständnis gewertet werden könne.
Zu seinen Lasten fällt weit mehr ins Gewicht: keine Reue; stattdessen bis zuletzt der Versuch, die eigene Schuld abzuschieben - auf den Mitangeklagten oder "finstere Mächte" (Burghardt); keine Schadenswiedergutmachung und kein notarielles Schuldanerkenntnis, sondern nur die Versprechung vom "Meister der Ankündigung", dass den erwarteten Millionen-Gewinn aus Immobiliengeschäften die Anleger bekommen sollen; und die Vorstrafe wegen Steuerhinterziehung, wobei der Ex-Anwalt jetzt damit rechnen muss, dass die Bewährung widerrufen und noch ein Jahr Gefängnis angehängt wird.
Besonders negativ wird es gewertet, dass er den Mitangeklagten in seine kriminellen Machenschaften reingezogen hat. Am schwersten wiegt aber der Missbrauch seiner anwaltliche Stellung (siehe unten).
"Mit Bauchschmerzen"
Der Ex-Praktikant wird wegen Beihilfe zum Betrug und zweimal zum versuchten Betrug zu einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Der von der Verteidigung geforderte Freispruch komme nicht in Betracht, so Burghardt: "Wir sind hier an der Grenze von der Beihilfe zur Mittäterschaft."
Der bisher nicht vorbestrafte Mitangeklagte habe die Betrügereien erkannt und mitgemacht, um seinen Job als Geschäftsführer zu behalten, nachdem er vorher beruflich Schiffbruch erlitten hat. Die Strafaussetzung zur Bewährung auf drei Jahre sei "mit Bauchschmerzen" erfolgt. Gerettet habe ihn seine schwierige private Situation und die Tatsache, dass ihn sein Ex-Chef reingeritten hat. Der Mann muss ferner 5400 Euro an die Welthungerhilfe bezahlen.
Nicht rechtskräftig
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Verteidigung des Ex-Anwalts wird in Revision gehen. Für den Mitangeklagten erklärt Verteidiger Werner Brandl: "Wir sind nicht ganz zufrieden." Er lässt es offen, ob man Rechtsmittel einlegt.
Gericht: Schaden für den Rechtsstaat
Muss ein Jurist strenger bestraft werden als ein anderer Angeklagter? Ja, meint die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Hof, und Vorsitzender Richter Matthias Burghardt sieht sich in der Urteilsbegründung zu grundsätzlichen Anmerkungen veranlasst.
Der Richter widerspricht damit dem Hofer Verteidiger Walter Bagnoli, nach dessen Ansicht es keinen Unterschied macht, ob hier ein Rechtsanwalt, ein Versicherungsvertreter oder ein Landwirt angeklagt sei. "Da ist die Kammer anderer Auffassung", betont Burghardt.
Was eine Gesellschaft zusammenhält, so der Vorsitzende, passiere vorwiegend im Stillen. "Menschen halten sich freiwillig an Regeln, weil sie wissen, dass das Recht für sie - und andere - gilt, dass das Recht sie schützt und dass sie ihr Recht auch durchsetzen können." Dieses Vertrauen in den Rechtsstaat erstrecke sich auch auf Personen, die das Recht vertreten - also auf Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte. So hätten Zeugen im aktuellen Verfahren gefragt, wem man dann vertrauen solle wenn nicht einem deutschen Rechtsanwalt.
Durch seine Straftaten habe der Ex-Anwalt aus Kulmbach also nicht nur die Opfer geschädigt, sondern den Rechtsstaat insgesamt. Deshalb müssten strengere Maßstäbe angelegt werden. Burghadt: "Es ist ein elementarer Unterschied, wer vor Gericht steht."
Kommentar: Wenn die Gier geweckt ist
Der Fall ist abgearbeitet - zu den Akten legen kann man ihn aber nicht. Das Urteil der Wirtschaftsstrafkammer Hof gegen den Ex-Anwalt aus Kulmbach ist noch nicht rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof muss im Revisionsverfahren den Spruch bestätigen oder, wenn es Verfahrensfehler geben sollte, aufheben und den Fall zur erneuten Verhandlung zurückverweisen.
Der BGH-Entscheidung kann man nicht vorgreifen, aber Prozessbeobachter gehen nicht davon aus, dass die obersten Richter an dem Hofer Urteil etwas zu beanstanden haben. Dafür hat die Kammer viel zu akribisch gearbeitet.
Was ein juristisches Verfahren nicht leisten kann, hat aber am Rande des Prozesses immer eine Rolle gespielt: Haben es die Anleger dem Täter, auch wenn er in der Anwaltsrobe dahergekommen ist, nicht viel zu leicht gemacht? Haben sie allzu gern die vollmundigen Versprechungen von selbsternannten Finanzfachleuchten geglaubt? Die Investoren, die sich satte Gewinne vom Einstieg in die Photovoltaik-Branche erhofft haben, sind auf ausgewiesene Dilettanten hereingefallen. Es funktioniert halt immer wieder: Wenn die Gier geweckt ist, setzt der Verstand aus.
So haben drei Bauern von der Schwäbischen Alb sogar geliehenes Geld investiert, damit der Rubel rollen kann. Statt pro Jahr Renditen über 20 Prozent zu kassieren, hat man sechsstellige Summen versenkt. Solarbarone sind die Geschädigten nicht geworden. Dafür ist ihre Existenz bedroht, und einer hat Depres-sionen bekommen.
In Zeiten wie diesen ist Misstrauen angesagt, wenn windige Berater horrende Gewinne versprechen. Auch eine seriöse Zweit- oder Drittmeinung schadet nicht. Es gibt zu viele bunte Internetseiten mit wohlklingenden Firmennamen, blumigen Versprechungen und ganz vielen Dollarzeichen.