Episches unter freier Wolke: Jochen Malmsheimer kommt auf die Trebgaster Naturbühne

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Jochen Malmsheimer gastiert am 6. Juli ab 20.30 Uhr auf der Trebgaster Naturbühne. Karten im Vorverkauf gibt es unter anderem in der Geschäftsstelle der Bayerischen Rundschau im Kressenstein.privat
Jochen Malmsheimer gastiert am 6. Juli ab 20.30 Uhr auf der Trebgaster Naturbühne. Karten im Vorverkauf gibt es unter anderem in der Geschäftsstelle der Bayerischen Rundschau im Kressenstein.privat

TV-bekannt wurde Jochen Malmsheimer als Hausmeister in der ZDF-"Anstalt". Doch er kann auch solo. Am 6. Juli entert er die Naturbühne in Trebgast.

JochenMalmsheimer ist nicht nur stimmlich die Basstrommel im deutschen Satire-Schlagwerk, sondern in seinem sprachlichen Tiefgang auch der Literarischste. Der vielfach preisgekrönte Essener Kabarettist hat sich in seinem neuen Programm unter anderem der soziologischen Unwägbarkeiten einer Busreise angenommen. Vorab gewährte uns der 56-Jährige ein Interview. Wir trafen ihn dazu telefonisch, also sozusagen ohral, mitten im Stau auf der A3 bei seiner Fahrt zum Auftritt nach Tauberbischofsheim.

Hallo Herr Malmsheimer, ich hoffe, Sie stehen gut... Schon mal was über einen Stau in Ihren Programmen gemacht?
Jochen Malmsheimer: Nein, das frisst im realen Leben schon so viel Zeit und Energie, da möchte ich mich nicht auch noch künstlerisch drüber auslassen müssen - das könnte für alle Beteiligten recht unschön werden.

Keine Sorge, die Fahrt zur Naturbühne in Trebgast führt nicht über die Autobahn. Kennen Sie die Örtlichkeit?
Das nicht, ich habe den Ortsnamen aber schon mal gehört. Er klang interessant, weil er rausfällt aus dem üblichen Namenseinerlei der Republik. Aber natürlich bin ich mit Naturbühnen als solches vertraut, sprich also auch mit den Wetterkapriolen. Ich hatte mal ein ganz großes Ding auf einer solchen Bühne ohne Dach. Und natürlich goss es wie bestellt und aus Eimern. Ich habe dann das Publikum zur mir auf die Bühne geholt. Es war richtig muckelig.

Ihr aktuelles Werk hört auf den schönen wie rätselhaften Namen "Dogensuppe Herzogin - ein Austopf mit Einlage". Wie kommt man auf solche Titel?
Das kann ich überhaupt nicht erklären. Ich bin nur froh, dass es passiert. Es muss bei mir immer erst die Überschrift her. Danach kann ich mich ans Inhaltliche wagen. Der Titel muss mir dabei Rätsel aufgeben - und die versuche ich hinterher im Programm zu lösen.

"Ich bin kein Tag für eine Nacht oder: Ein Abend in Holz" - noch so ein Rätselflug. Oder "Ermpftschnuggn trødå! - Hinterm Staunen kauert die Frappanz". Mal ehrlich: Das bekommt doch kein Veranstalter in voller Länge auf eine Eintrittskarte gedruckt...
Auf Veranstalter kann ich da keine Rücksicht nehmen. Da muss man sich halt auch mal ein bisschen Mühe geben.

Die geben Sie sich bei Ihren Formulierungen. Haben Sie mal probiert, eine Ihrer Wortschöpfungen patentieren zu lassen?
Nein (lacht). Sprache ist etwas Lebendiges - und Lebendiges kann man gottlob nicht patentieren. Mich würde es freuen, wenn es irgendwo seinen Niederschlag fände.

Zum Beispiel im "Pschyrembel", also dem klinischen Wörterbuch?
Das wäre natürlich die Adelung, der Ritterschlag. Loriot hat sich damals sehr gefreut, als er seine Steinlaus in diesem Standardwerk wiederfand. Und es spricht ja auch für das Humor-Potenzial der Redaktion.

Die Sprache ist Ihr Handwerkszeug und Sie pflegen es sorgsam. Was empfinden Sie, wenn Sie Ihren Mitmenschen zuhören, quasi aufs Maul schauen wie Luther?
Ich gebe zu: Es wäre mir schon bisweilen geholfen, würden sich die Menschen beim Sprechen selber mal zuhören. Täten sie das öfter, würde anders geredet in Deutschland, davon bin ich fest überzeugt. Sprechen und miteinander sprechen kann eine unheimliche Freude sein. Es geht um die Schönheiten der Sprache, derer man habhaft werden kann, etwa wenn man liest.

Sie haben selber zwei Kinder, die zu den Digital Natives gehören. Wird man da manchmal wahnsinnig, was den Sprachumgang der Generation @pp angeht?
Ich weiß, tief im Inneren - und das schützt mich vor Anfällen -, dass Sprache ein lebendiges Wesen ist und ständiger Entwicklung unterworfen. Und trotzdem: Das Gute hat sich in allen Zeiten durchgesetzt. Moden, Anglizismen, Abkürzungen oder Neusprech kommen und gehen. Ich mache mir ab und an den Spaß und greife zum Grimm'schen Wörterbuch, das ja auch schon 200 Jahre auf dem Buchrücken hat. Wer schaut, was da drin steht, was es alles gab und nicht mehr gibt - und was es alles eben immer noch gibt: Das stimmt mich hoffnungsfroh.

Sie haben einst Buchhändler gelernt. Wunderbarer Beruf, von dem man leider nicht leben kann, haben sie mal im Interview gesagt.
Das stimmt beides. Mein großer Sohn macht übrigens auch gerade eine Ausbildung zum Buchhändler, auch wenn er danach den Beruf wohl nicht ausüben wird. Aber die Arbeit kann dich ausfüllen und seelisch wie mental bereichern.

Nur eben nicht monetär.
Genauso ist es. Ich hatte das große Glück, in einem Laden zu arbeiten, in dem es eine wahre Erfüllung war. Ich kam tagtäglich mit Dingen in Berührung, von denen ich bis dato nichts wusste. Es war herrlich. Es waren auch Texte dabei, die ich bei mir später in die kabarettistische Umsetzung einfließen lassen konnte. Es gab ja vor der Solokarriere das Duo "Tresenlesen" mit Frank Goosen. Dabei trugen wir auch Texte fremder Leute mit Talent vor. Und ich saß direkt an der Quelle. Herrlich!

Gab es einen Autor, der sie besonders begeistern konnte?
Ganz am Anfang war das Flann O'Brien, ein Mann mit komischem wie erzählerischem Talent gleichermaßen, wie man es selten antrifft, kongenial übersetzt von Harry Rowohlt.

Wie groß darf man sich Ihre Privatbibliothek vorstellen?
Groß! Doch, die ist recht umfänglich. Es gibt einen extra Raum dafür, sechs Meter lang, fünf Meter hoch. Und er ist fast voll. Ich habe ein nahezu erotische Verhältnis zu Büchern - was meine Frau nicht immer toll findet. Jetzt weniger der Erotik als des Platzes wegen.

Stimmt es, dass Sie Autoren direkt nebeneinander im Regal platzieren, die sich im wahren Leben spinnefeind waren?
Ja, sowas mache ich wirklich. Ich finde es eine wunderbare Vorstellung, was da im Verborgenen, also hinter verschlossener Tür, abgeht. Ich mag es ohnehin, mir auszumalen, wie Dinge zum Leben erwachen. Deswegen spielt das Belebte wie das Unbelebte eine wichtige Rolle in meinen Programmen.
Sie möchten also gerne als Lesefädchen in einer Bibliothek wiedergeboren werden, um live mitzubekommen, was sich des Nächtens so zuträgt in den Regalen, so wie Sie es in einer Ihrer Erzählungen bereits fiktiv getan haben?
Ich würde es tun, wenn man es mir - von welcher Seite auch immer - anböte.

In Ihrem aktuellen Programm nehmen Sie den Zuhörer unter anderem mit auf eine sehr lange Busreise nach Italien, auf der Sie sich an eigenen körperlichen Gebrechen wie auch den anderen Insassen abarbeiten. Gab es diesen Touri-Kreuzzug wirklich - und wenn ja wie und wo und warum?
Den gab es so natürlich nicht. Aber ich habe schon eine Busreise mit Freunden unternommen. Ich brauchte einen Rahmen, der alles erlaubt, was ich mir erlaube zu sagen. Die Leute, die ich beschreibe, sind Stereotypen. Aber das Publikum soll sich ja irgendwo wiedererkennen.

Viele werden Sie als Hausmeister aus der ZDF-Satiresendung "Neues aus der Anstalt" kennen. Seither sieht man Sie seltenst im Fernsehen. Warum?
Ganz einfach: Das Fernsehen ist an dem, was ich mache, nicht interessiert. Das, was ich tue, steht in der Tradition des Erzählens. Mit Einleitung, Hauptteil, Schluss. Das heißt: Es dauert! Das TV will alles in den berühmt-berüchtigten "Einsdreißig". 90 Sekunden also, das geht nicht zusammen. Aber ich komme auch sehr gut ohne Präsenz im TV aus.

Gibt es noch Kontakte zu den beiden Anstalts-Hauptprotagonisten Urban Priol und Georg Schramm?
Natürlich. Ich habe die Zusammenarbeit auch sehr genossen.

Wenn die Kollegen anriefen und fragten: Jochen, machste was Neues mit: Würden Sie ja sagen?
Auf jeden Fall. Da wüsste ich ja, dass ich gut aufgehoben wäre und man mir den nötigen Freiraum ließe, den ich brauche. Wenn ich überhaupt etwas habe, was Talent zu heißen verdiente, dann ist es das Talent zur Improvisation. Und das ist bei den Fernsehgewaltigen nun mal am allerwenigsten gefragt. Da wird jeder Pups abgesprochen. Das ist wie Pantomime im Radio, also nur bedingt lustig.

Wenn ich Sie danach frage, was Sie in Ihrem Leben unbedingt noch tun möchten: Was wäre es?
Ich möchte gerne nach Meßkirch zum "Campus Galli", wo ein frühmittelalterliches Kloster nachgebaut wird, und dort mal für ein paar Wochen mitarbeiten. Das ist ein Lebenstraum, etwas Greif- und Ergreifbares mit den Händen zu machen.