Raphael Guya trifft eines Morgens eine Entscheidung. Der 19-Jährige tauscht sein Leben in Kulmbach gegen ein Abenteuer. Er reist alleine um die Welt.
Einen Glücksbringer der Mama, zwei Jacken, einen Pullover, vier T-Shirts. Dazu vier Hosen, vier Mal Unterwäsche, drei Paar Socken, Laptop, Kamera, Handy und ein paar Ladegeräte. Insgesamt sind es nur sieben Kilo Gepäck, die Raphael Guya aus seinem alten Leben in Kulmbach mitgenommen hat auf sein Abenteuer: eine Weltreise ganz allein, für unbestimmte Zeit, ohne feste Route.
Per Facebook-Telefonie erreichen wir ihn in einem Cafe der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. "Ich lass mir Zeit beim Reisen und mach mir keinen Stress", sagt der Kulmbacher, der mit seinem Visum bis zu drei Monate in einem Land bleiben darf. Dann beginnt er zu erzählen - von einer riesigen Zahl unvergesslicher Erlebnisse.
Begonnen hat die große Tour am 10. Juni. Von Kulmbach ging es zum Nürnberger Flughafen. "Der Abschied von Familie und Freunden war herzzerreißend", erinnert sich Guya. Erste Station war Manchester. Eine Nacht, 18 Stunden, dann begann das eigentliche Abenteuer. Mit großer Entdeckungslust, aber ohne genauen Plan landete er in Island.
"Ich hatte keine Übernachtung gebucht und habe auf freies Internet am Flughafen gehofft." Das klappte, Guya checkte im günstigsten Hotel der Hauptstadt Reykjavik ein. Von dort organisierte er einen Mietwagen und fuhr zwei Wochen lang um die Insel. Wegen gigantisch hoher Hostel-Preise schlief er teilweise im Auto. "Es war so kalt, nach drei Stunden bin ich meistens aufgewacht." Die Erlebnisse am Tag entschädigten: "Gletscherseen und Wasserfälle. Einfach beeindruckend."
Flugpreis entscheidet die Route
Wie es danach weiterging, entschied vor allem der Flugpreis. "Umso weniger ich ausgebe, umso länger kann ich reisen", sagt der junge Mann, der mit 16 000 Euro Kapital in die Welt auszog. "Island - New York war mit 150 Euro billig."
Kurz vorher noch in der Einsamkeit, steht Guya wenige Tage später am Times Square in New York. "Die hohen Häuser, das erschlägt einen", fasst er die zwei Wochen in der US-Metropole zusammen. "Manchmal habe ich mich einfach in den Park gesetzt und Leute beobachtet." In diesen Momenten begriff Guya, dass er es sich wirklich getraut hat und sein Lebenstraum gerade in Erfüllung geht. "Ich spürte die Freiheit gespürt, die ich 19 Jahre lang gesucht habe."
Fünf bis zehn Euro fürs Pinkeln
In New York merkte er aber auch, dass Reisen schwierig sein kann. Nicht nur der Toilettenpreis ("Bei fünf bis zehn Euro lernt man das Verkneifen."), auch die Freiheit, sich selbst zu organisieren, war neu. Einmal hat er die letzte U-Bahn verpasst und lief nachts um 1 Uhr ins Hostel. "Durchs Ghetto bin ich so schnell gelaufen wie nie. Mich haben unheimliche Menschen angesprochen. Ich erhielt Angebote für Drogen und Sex."
Doch es ging gut aus und die Reise in Südamerika weiter. "Peru ist ein Traum für jeden Reisenden. Für 1,50 Euro kriegst du ein ganzes Menü." In der Hauptstadt Lima buchte er ein supergünstiges Hotel. Ein Monat für 50 Euro inklusive Frühstück. Danach ging es abenteuerlich weiter. 35 Stunden lang fuhr Guya mit dem Bus nach Jurimaguas, einer 50 000-Einwohnerstadt im Regenwald. Sein Vorhaben: Auf einem Frachtschiff zwischen Hühnern und Waschmaschinen auf dem Amazonas fahren. Dabei musste er Menschen vertrauen, die er noch nie gesehen hatte. "Ich war der einzige Tourist unter 50 Einheimischen." Der Lohn für den Nervenkitzel: Von seiner Hängematte aus sah er Sonnenuntergänge, wie sie beeindruckender nicht hätten sein können.
Ziel der Fahrt war Iquitos, 400 000 Einwohner, und mitten im Regenwald nur per Flugzeug oder Schiff zu erreichen. Von dort aus unternahm Guya mit zwei anderen Deutschen eine fünftägige Dschungeltour. "Wir haben mit Delfinen gebadet und Krokodile gesehen." Nach kurzer Station in Cusco mit der Inka-Ruinenstadt Machu Piccho flog Guya nach Chile. Dort besuchte er die Atacama, die trockenste Wüste der Welt. "Beim Baden im Thermalbecken war ich von Wüste umgeben."
Neue argentinische Freunde
Diesem Naturerlebnis schlossen sich freundschaftliche Erfahrungen an. "In Mendoza plante ich fünf Tage ein, daraus wurden vier Wochen", sagt Guya über die 115 000-Einwohnerstadt in West-Argentinien. Der Weltenbummler lernte gleichaltrige Jugendliche kennen, die sich sehr für den Deutschen und seine Geschichte interessierten. "Sie stellten mich in der Schule vor, ich übernachtete bei ihnen."
Um immer an die "coole Zeit" erinnert zu werden, ließ sich Guya in Lima (hinterm Ohr) und Mendoza (Arm) Tattoos stechen. Nach einem schweren Abschied zog es den Weltenbummler weiter nach Cordoba, zweitgrößte Stadt Argentiniens. Dort lernte er Norwegerinnen kennen, mit denen er im Anschluss Buenos Aires unsicher machte.
Und was folgt? "Ich weiß es nicht genau", sagt Raphael Guya, der bislang etwa 6000 Euro ausgegeben hat. Panama vielleicht, Uruguay oder die Karibik. Auch Weihnachten will er auf Reise verbringen. Im Januar und Februar möchte er in Brasilien sein. "Am Strand Karneval feiern, wenn die Freunde in Deutschland frieren", sagt Guya lachend. Afrika, Sri Lanka und Asien könnten folgen. In Australien will er Geld verdienen ("Das könnte bis dahin weg sein."), auch Russland wäre interessant.
Doch egal, wo es hin geht. Eines weiß er: "Die Reise macht mich reifer. Ich merke bereits, dass meine Meinung stärker wird und ich mehr darauf achte, wofür mein Herz schlägt."
Mit 19 Jahren alleine auf Weltreise: Das denken die Eltern des Weltenbummlers
Ausbildung 2013 machte Raphael Guya an der Max-Hundt-Schule seinen Quali (Notenschnitt 1,7). Es folgte eine dreijährige Ausbildung zur Fachkraft für Lebensmitteltechnik. Diese beendete er, dann wollte er anderes. "Mich hat es immer in die weite Welt getrieben." Das Fachabi brach er ab und ein Angebot für eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann schlug er aus.
Eingebung Zwei Monate vor der Reise wachte Raphael Guya auf und wusste: "Ich muss raus aus Kulmbach, meine Träume leben. "
Reaktion Als erstes konfrontierte er seine Eltern. "Zuerst haben wir das für Kinderträumereien gehalten", erinnert sich Mutter Maria (58). "Dann versuchten wir, ihm das auszureden." Vor allem Vater Alexander (62) war überhaupt nicht begeistert.
Umsetzung Der 19-Jährige, der noch einen großen Bruder hat (Christopher/23), ließ sich nicht umstimmen. "Als ich Impfungen und Vertragsauflösungen organisierte, merkten meine Eltern, dass es mir mit der Weltreise Ernst ist."
Gedanken "Ich dachte, er kommt nach ein paar Wochen zurück", sagt Maria Guya. Daraus wurde nichts. "Wir sind jetzt auch stolz, wie er das alleine regelt." Eines aber bleibt. "Es vergeht kein Tag ohne Angst und Sorge", sagt die Mutter, die übers Internet fast täglich Kontakt zum Sohn hat. Zu Weihnachten wollte sie ihn sehen, das aber ist unsicher. Sie glaubt, dass er nach der Reise ein anderer sein wird ("Ich habe ihn als Kind entlassen und werde ihn als Erwachsenen wiedersehen.") und hofft, dass Ängste und Sorgen unbegründet sind.