Bei der groß angelegten Jagd auf Wildschweine beidseits der B 85 zwischen Kulmbach und Kronach wird nichts dem Zufall überlassen. Die Aktion ist ein Volltreffer, und die Jäger lassen sich dabei auch über die Schulter schauen.
"Sau tot" blasen Karl Linß und Horst Kolb zum Abschluss des Jagdtages. Die Strecke ist gelegt - so beschreibt die Jägersprache den feierlichen Moment, wenn sich Jagdherren, Jäger und Treiber um die Beute versammeln. Bei 53 geschossenen Wildschweinen ist man versucht, etwas respektlos von einem "sauguten" Ergebnis zu sprechen. Das verbietet sich natürlich für einen erfahrenen Revierinhaber wie Edwin Schultheiß, der die Strecke "gewaltig" nennt und überaus zufrieden ist.
Am Morgen sind sich die Jäger ihrer Sache aber keineswegs sicher. Bei der groß angelegten Drückjagd am Samstag in den Revieren beidseits der B 85 zwischen Höferänger und Lösau ist der Jagderfolg trotz des immensen Aufwands nicht garantiert. Denn Wildschweine sind schlau.
Größe ist entscheidend
Für die Drückjagd, die intensive Vorbereitung erfordert, haben sich der staatliche Forstbetrieb Nordhalben mit seinen beiden Revieren Ebenberg und Hart östlich der B 85 sowie die vier Privatreviere Höferänger, Veitlahm, Ober-/Unterdornlach und Danndorf zusammengetan. 2500 Hektar insgesamt. Warum man so eine große Fläche braucht, erklärt der Chef des Forstbetrieb Nordhalben. Fritz Maier: "Schwarzwild ist sehr mobil. Wenn man ein Revier einzeln bejagt, kann es sein, dass man gar nichts findet. Die Rotten wechseln ins Nachbarrevier und sind in Sicherheit. Der ganze Aufwand wäre umsonst."
Den Schwarzkitteln soll es an den Kragen gehen, weil sie in Bayern längst zur Plage geworden sind. Die Tiere verursachen schwere Unfälle und immense Schäden in der Landwirtschaft, wenn Äcker kahlgefressen und Wiesen umgewühlt werden.
"Gesellschaftliche Aufgabe"
"Schwarzwildbejagung ist eine gesellschaftliche Aufgabe", wissen die Revierinhaber Erwin Passing und Edwin Schultheiß (Ober-/Unterdornlach), Rudolf Eber und Klaus Zapf (Veitlahm), Jürgen Bredemeyer (Höferänger) und Norbert Eber (Danndorf) sowie die staatlichen Kollegen. Dafür trommeln sie 140 Jäger, 100 Treiber und Helfer zusammen.
Bevor es losgeht, werden alle Teilnehmer der Gesellschaftsjagd haarklein eingewiesen. Vor zehn und nach 12.30 Uhr darf kein Schuss mehr fallen. Jeder muss wissen, wo er zu stehen oder zu gehen hat. Die Plätze der Schützen sind klug ausgewählt. "Wir kennen die Hauptwechsel, wo die Wildschweine von der Dickung zum Fressen laufen", sagt Edwin Schultheiß.
Immer steht die Sicherheit an erster Stelle. Es wird mit tödlicher Munition geschossen - da muss sich jeder an die Regeln halten. Man darf nie nach oben schießen, sondern nur so, dass die Kugel das Tier oder den Erdboden trifft. "Wir hatten keinen Sicherheitsvorfall", freut sich Rudolf Eber.
Gefährlicher Wildwechsel
Waldwege sind gesperrt, um Spaziergänger fernzuhalten. Hier hilft die Feuerwehr mit. Und auf der B 85 gilt vorübergehend eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 40 km/h. "Sonst könnten wir nicht jagen", sagt Fritz Maier. Denn auf der Flucht vor den Jägern "wechselt eine Rotte schon mal über die Bundesstraße".
Als es dann losgeht, bezieht auch Erwin Passing seine Position an der Rahmleite bei Rosengrund. Kein idealer Platz, wie der Schütze weiß. "In dem Stangenwald dort hat man keine gute Sicht." Trotzdem darf der Jäger den Standort nicht verlassen. Geduld ist jetzt gefragt.
Oben auf dem Hügel entdeckt der Unterdornlacher einzelne Sauen - "aber da geht nichts, weil man in den Himmel schießen würde". Im Abstand von 50 bis 70 Metern rennen ("ganz schön zügig") immer wieder Wildschweine durch . Er feuert mehrere Fehlschüsse ab. Kein Wunder, wenn man fast keine Zeit hat, um zu reagieren: "Man hört was, und die Sau ist schon da." Doch dann stellt sich doch noch das Jagdglück ein: "Einmal geschossen und getroffen."
Kronacher Peter Kratofil schießt den Vogel ab
Was ganz großes Jägerglück ist, erlebt Peter Kratofil. Er bringt fünf Sauen zur Strecke. Der Kronacher strahlt: "Das ist etwas ganz Besonderes, das passiert nur einmal im Leben."
Genauso zufrieden wie die Jäger ist Wolfgang Passing. "Die Drückjagd ist super gelaufen", sagt der Landwirt aus Oberdornlach. Ihn freuen die Abschusszahlen, weil er damit weniger Schäden im nächsten Jahr verbindet. Durch die Wildschweine habe man enorme Verluste. Nach seiner Einschätzung muss jeder Bauer heuer durch "umgepflügte" Wiesen und Getreideschäden einen fünfstelligen Betrag abschreiben.
Nach getaner Arbeit lassen sich alle zusammen in Unterdornlach ein Jagdessen schmecken. Dabei kommt allerdings kein Wildschwein auf den Tisch. Man begnügt sich mit Stadtwurst und Sauerkraut, gewürzt mit ein bisschen Jägerlatein.
Drückjagd in Zahlen
Abschuss Staatsjagd Ebenberg und Hart: 16 Wildschweine (+ 15 Rehe); Privatreviere: Ober-/Unterdornlach 11, Höferänger 17, Veitlahm 8 und Danndorf 1 = insgesamt 53.
Personal Staatsjagd: 60 Jäger aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz + 30 Hunde und fünf Hundeführer;
Privatreviere: 80 Jäger aus dem Raum Kulmbach und den Nachbarlandkreisen + 100 Treiber und Helfer.
Population Das Schwarzwild in Bayern lässt sich nicht zählen. Allein die Jagdstrecke gibt hier Hinweise. 1980 wurden in Bayern laut Bauernverband 3000 Wildschweine erlegt. Seither explodierten die Zahlen. In der Jagdsaison 2013/2014 schossen die Jäger 68 000 Wildschweine.
Tschernobyl kein Thema mehr
Tschernobyl, Reaktorunglück, radioaktiver Niederschlag, Wildschweine - war da nicht was? Je nachdem, wo es nach dem atomaren Störfall in der Ukraine regnete, dort wurden die Böden durch den radioaktiven Fallout belastet.
Für die hiesigen Jäger spielt Tschernobyl nach fast 30 Jahren aber keine Rolle mehr. Erstens, so heißt es, habe es im Kulm bacher Raum damals kaum geregnet. Und zweitens werde seither jedes erlegte Wildschwein auf Strahlenbelastung untersucht, bevor es für den Verzehr freigegeben wird. "Das Fleisch ist nahezu unbelastet", versichert Rudolf Eber. Letzte Kontrollen hätten Werte zwischen null und 20 Bequerel er geben. Edwin Schultheiß dazu: "Tschernobyl war bei uns nie ein großes Thema."
Rudolf Eber hebt die Fleischqualität hervor, denn das Wild werde weder mit Hormonen noch mit Antibiotika behandelt. Laut Fritz Maier profitiert das Fleisch vor allem durch die fachgerechte Arbeit in den ersten Stunden nach dem Abschuss. Das Wild werde vom Jäger sofort aufgebrochen, ausgeweidet, gereinigt und gekühlt.