Die KVB erklärt ihre Überlegungen zur Bereitschaftspraxis in Kulmbach

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Birgit Grain ist Pressesprecherin (Stabsstelle Kommunikation) der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. Foto: privat
Birgit Grain ist Pressesprecherin (Stabsstelle Kommunikation) der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. Foto: privat

Wir sprechen mit Birgit Grain (Kassenärztliche Vereinigung) über den neu strukturierten Bereitschaftsdienst.

Zum 1. Juli wurde der Ärztliche Bereitschaftsdienst in der Pilotregion Bayreuth/Kulmbach/Pegnitz neu geordnet. Darüber haben wir mit Birgit Grain, Pressesprecherin (Stabsstelle Kommunikation) der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, gesprochen:

Frau Grain, damit gibt es statt bisher fünf Bereitschaftsdienstgruppen mit je einer Bereitschaftspraxis und einem Fahrdienst am Wochenende und abends nur noch eine Bereitschaftsdienstgruppe, die für mehr als 250 000 Bürger zuständig ist. Welche Überlegung steckt dahinter und warum soll das eine Verbesserung sein?
Birgit Grain: An der Weiterentwicklung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Bayern führt kein Weg vorbei. Wer die Zukunft der ambulanten Versorgung im Freistaat sicherstellen will, muss dafür sorgen, dass die enorme Dienstbelastung der niedergelassenen Ärzte außerhalb der Sprechstunden in allernächster Zukunft der Geschichte angehört. Mit der Entwicklung der dafür notwendigen neuen Strukturen stellen wir uns dieser Aufgabe. Dazu gehören die Gründung von Bereitschaftspraxen, die Organisation eines separaten Fahrdiensts und die Unterstützung der niedergelassenen Ärzte beim Tausch oder der Abgabe ihrer Dienste an sogenannte Poolärzte.
Des Weiteren ist zum 1. Januar 2016 das Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) in Kraft getreten. Dieses gibt vor, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen Bereitschaftspraxen an Krankenhäusern nach Bedarfsgesichtspunkten einrichten sollen. Die KVB stellt sich dieser nun auch gesetzlich vorgegebenen Aufgabe. Bayernweit gibt es derzeit rund 80 Bereitschaftspraxen, die sich in der Regel an Kliniken befinden. Die Zahl dieser Bereitschaftspraxen soll in den nächsten Jahren sukzessive auf etwa 110 steigen.
In diesem neuen System gewinnen letztendlich alle Akteure: Die Ärzte haben durch die spürbaren Entlastungen hoffentlich bald wieder Lust auf eine Niederlassung, die Notaufnahmen der Kliniken haben wieder mehr Kapazitäten für echte Notfälle und die Patienten profitieren davon, dass ihnen die Bereitschaftspraxen außerhalb der regulären Sprechstundenzeiten als zentrale Anlaufstellen zur Verfügung stehen, die sie ohne Voranmeldung aufsuchen und gut erreichen können. Nicht zuletzt ermöglicht der von der KVB organisierte Fahrdienst Hausbesuche eines Arztes für diejenigen Patienten, die eine Bereitschaftspraxis aus medizinischen Gründen nicht selbst aufsuchen können.

Sinkt durch längere Wege nicht automatisch die Anzahl der Fälle, um die sich ein Bereitschaftsarzt kümmern muss?
Während die Ärzte in den Bereitschaftspraxen die Patienten behandeln, die dort vorstellig werden, übernehmen zusätzliche Ärzte die Hausbesuche bei denjenigen, die aus medizinischen Gründen die Bereitschaftspraxis nicht selbst aufsuchen können. Die neuen Bereitschaftsdienstregionen haben teilweise längere Fahrstrecken zur Folge. Dies wird durch einen kompetenten Fahrservice kompensiert, der dem Arzt zur Seite steht. Insbesondere bei längeren oder nächtlichen Fahrten zu Hausbesuchen soll der Fahrservice durch die Begleitung und Hilfe des Fahrers auch zur Sicherheit der Ärzte beitragen.
Im Rahmen des Fahrdienstes koordinieren die Mitarbeiter der Vermittlungs- und Beratungszentralen die Einsätze der Fahrzeuge. Die Einteilung, wie viele Fahrzeuge zu den jeweiligen Dienstzeiten eingesetzt werden, erfolgt auf Basis einer prognostizierten Inanspruchnahme, die auf Vergangenheits- und Erfahrungswerten beruht. Die bisherigen Erfahrungen in den übrigen Pilotregionen haben gezeigt, dass sich dieses Vorgehen bewährt hat. Bei Bedarf ist es möglich, die Anzahl der parallel eingesetzten Ärzte und Fahrzeuge für den Fahrdienst auf das erforderliche Maß anzuheben. Für die Pilotregion Bayreuth/Kulmbach werden bis zu vier Fahrzeuge parallel im Einsatz sein.

Besteht nicht die Gefahr, dass Patienten, die zu lange warten müssen, sich stattdessen an den Notarzt wenden oder in die Notaufnahme des Klinikums fahren?
Der Hausbesuchsdienst ist für diejenigen Patienten gedacht, die aus medizinischen Gründen die Bereitschaftspraxis nicht selbst aufsuchen können. Der Ärztliche Bereitschaftsdienst ist nachts, an Wochenenden und Feiertagen für Patienten da, die nicht lebensbedrohlich erkrankt sind, deren Behandlung jedoch nicht bis zur nächsten regulären Sprechstunde warten kann. Ziel dieses Versorgungsangebotes ist in erster Linie, den Patienten so weit zu versorgen, dass er am nächsten Morgen bzw. zu Beginn der neuen Woche die reguläre Sprechstunde seines Hausarztes oder des entsprechend der Erkrankung erforderlichen Facharztes aufsuchen kann.
Der Ärztliche Bereitschaftsdienst ist zu unterscheiden von der notärztlichen Versorgung. Bei lebensbedrohlichen Erkrankungen ist stets der Notarzt - unter der kostenfreien Rufnummer 112 - zu verständigen.

Zwischen 0 und 7 Uhr steht die gesamte Woche hindurch nur ein Fahrzeug für den gesamten Raum zwischen Betzenstein und Presseck zur Verfügung. Warum reicht das Ihrer Ansicht nach aus?
Im Rahmen des Fahrdiensts koordinieren die Mitarbeiter der Vermittlungs- und Beratungszentralen die Einsätze der Fahrzeuge. Die Einteilung, wie viele Fahrzeuge zu den jeweiligen Dienstzeiten eingesetzt werden, erfolgt auf Basis einer prognostizierten Inanspruchnahme, die auf Vergangenheits- und Erfahrungswerten beruht.
Die bisherigen Erfahrungen in den übrigen Pilotregionen haben gezeigt, dass sich dieses Vorgehen bewährt hat. Bei Bedarf ist es möglich, die Anzahl der parallel eingesetzten Ärzte und Fahrzeuge für den Fahrdienst auf das erforderliche Maß anzuheben.

Wenn niedergelassene Ärzte an Wochentagen von 18 bis 21 Uhr Dienst in den Bereitschaftspraxen tun müssen, wirkt sich das nicht negativ auf deren eigene Praxen und damit auf die Attraktivität des Arztberufs im ländlichen Regionen aus? Kulmbacher Ärzte beklagen, dass ihre Dienststundenbelastung sich zwar tatsächlich verringert, sie dafür aber mehr Dienste im Jahr haben werden. Ist diese Befürchtung berechtigt?
Während der Pilotphase der jeweiligen Projekte zur Weiterentwicklung des Bereitschaftsdienstes wurde von der KVB kontinuierlich evaluiert, inwiefern die Neustrukturierungen zu Verbesserungen für Patienten, Ärzte und die beteiligten Kliniken geführt haben. Die Ergebnisse dieser Evaluation liegen mittlerweile vor und sind durchweg positiv.
Für die Pilotregion Bayreuth/Kulmbach wird eine Reduktion der Dienstbelastung von circa 40 Prozent erwartet. Eine weitere Entlastung ist durch die sogenannten "Poolärzte" zu erwarten. Aktuell nehmen rund 700 Poolärzte aktiv am Bereitschaftsdienst in Bayern teil. Die Tätigkeit im Bereitschaftsdienst bietet auch jungen Medizinern, eine gute Möglichkeit, den ambulanten Versorgungsbereich kennenzulernen und dadurch den Einstieg in die Niederlassung als Vertragsarzt zu finden. Das zeigt unter anderem die Altersstruktur der Poolärzte, in der ein Drittel aller Teilnehmer zwischen 30 und 40 Jahre alt ist.
Seit Einführung des Poolarztsystems haben sich knapp zehn Poolärzte als Vertragsärzte niedergelassen oder haben eine feste Anstellung bei einem Vertragsarzt erhalten.
Durch die Einrichtung zentraler Bereitschaftspraxen wird ein Praxisstandort geschaffen, der es Poolärzten ermöglicht, Patienten im Rahmen des Bereitschaftsdienstes zu behandeln, ohne eigene Praxisräume vorhalten zu müssen oder die Praxis eines niedergelassenen Kollegen zu nutzen. Durch die Trennung von Sitzdienst und Fahrdienst wird auch eine organisatorische Hürde für Poolärzte gesenkt, da ihre Bereitschaftsdienste klar definiert sind.