Für viele Gastronomen wird die Luft immer dünner. Steuer-Nachzahlungsforderungen können existenzgefährdend sein, sagt ihr Sprecher Stephan Ertl.
Für viele Gastwirte wird die Luft immer dünner: Mindestlohn, die verschärfte Aufzeichnungspflicht von Arbeitszeiten, aber auch Vorgaben wie die Allergen-Kennzeichnung fordern, ja überfordern Betreiber gerade kleiner Gastronomiebetriebe auf dem Land.
Das neue Gesetz
Eine ganz neue Vorgabe setzt dem Gastgewerbe weiter zu: das Gesetz gegen den Registrierkassen-Betrug, das offiziell "Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen" heißt. Dafür, dass der Fiskus Steuerbetrügern das Handwerk legen will, haben die Gastronomen Verständnis, sagt Stephan Ertl, der Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbandes in Kulmbach. Es sei aber ein neues Gesetz, das viele Fallstricke beinhalte. Und es sei gerade für Gastwirte alter Schule, die ihre Zeit am Ausschank und nicht am Schreibtisch verbringen, schwer, die vielen Vorgaben einzuhalten, um nicht gegen das Gesetz zu verstoßen.
Keine Pflicht
Dabei sind elektronische Kassen noch keine Pflicht. Wer in einem kleinen Betrieb handschriftlich Buch führe und eine "offene Kasse" über ein Bon-System abwickle, der spart sich laut Ertl Geld. Besitze man ein elektronisches Aufzeichnungssystem, dann müsse dieses aber mit einer zertifizierten Sicherheitseinrichtung so geschützt sein, "dass nach einer Buchung keine Manipulationen mehr vorgenommen werden können". Viele Wirte haben seinen Worten zufolge zum Jahresende ihre "alten" Kassen nachrüsten oder sich neue Registrierkassen anschaffen müssen, die die neuesten Standards einhalten. "Das war für die meisten schon eine Investition von mehreren Tausend Euro."
Viel investiert, viel gefordert
Doch nicht allein die hohen Anschaffungskosten, gerade auch die Anforderungen ärgerten die Wirte. Die Aufzeichnungen müssten nämlich "einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet" vorgenommen, auf einem Speichermedium gesichert und immer verfügbar gehalten werden.
Wirte, keine Bilanzbuchhalter
Hört sich kompliziert an, und das ist es laut Ertl auch. "Unsere Mitglieder sind ja Wirte und keine Bilanzbuchhalter", erklärt der Inhaber des gleichnamigen Kulmbacher Hotels, der die Komplexität an einem Beispiel deutlich macht. Ein Gastwirt, der einen 50-Euro-Gutschein verkaufe, müsse diesen gleich verbuchen, weil er das Geld ja in der Kasse habe. Werde der Gutschein später von einem Gast eingelöst, der in der Wirtsstube esse, müsse der Gutschein aufgelöst und in der Folge mit 19 Prozent Mehrwertsteuer neu verbucht werden. Nicht 19, sondern sieben Prozent Mehrwertsteuer müssten verbucht werden, würden die Speisen nach Hause geholt. Buchhalterische Vorgänge, die gerade kleinen Familienbetrieben die Zeit für das normale Geschäft raubten.
Wirt musste Insolvenz anmelden
Unterlaufe einem Gastwirt ein buchhalterischer Fehler, könne ihn das teuer zu stehen kommen. Auch formale Fehler würden bestraft, so der Kreisvorsitzende. Könne der Wirt bei einer sogenannten Kassen-Nachschau die Betriebsanleitung der Registrierkasse nicht vorlegen ("Weil er sie beispielsweise verlegt hat"), könne der Steuerprüfer das als groben Verstoß werten. "Der Steuerprüfer kann dann die ganze Buchhaltung verwerfen", erläutert Stephan Ertl, der weiß, dass bei einer oft folgenden Steuerschätzung die Betriebe mitunter exorbitante Summen nachzahlen müssen. Die Höhe der Nachzahlung werde mit Blick auf die Wareneinkäufe und Einnahmen geschätzt. Einem Wirt aus der Region habe das schon das Genick gebrochen. "Er musste Insolvenz anmelden."
In der Gaststätte Herold in Heubsch staunten die Wirte jetzt nicht schlecht, als sie Steuerberater Ralf Kammermeier über Details der Registrierkassen-Verpflichtungen informierte. Und sie waren geschockt, als sie erfuhren, dass von dem Betreiber einer Pizzeria in Südbayern eine Nachzahlung von mehreren Hunderttausend Euro eingefordert worden ist.
Verzweiflung mach sich breit
Wie die Kulmbacher Wirte auf das Gesetz gegen den Registrierkassen-Betrug und die in Deutschland immer weiter um sich greifende Regulierungswut reagieren? Verzweiflung macht sich mehr und mehr breit, sagt Stephan Ertl.
90 Mitgliedsbetriebe zählt der Kulmbacher Kreisverband des Hotel- und Gaststättenverband noch. Wie viele es in zehn Jahren sein werden? Vorsitzender Stephan Ertl befürchtet, dass etliche Wirtshäuser nicht nur aufgrund des fehlenden Nachwuchses, sondern vor allem auch aufgrund überbordender Bürokratie die Türen für immer schließen werden.