Der Samelstein bei Kirchleus - völlig neu gedacht

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Hat eine völlige Neuinterpretation des Samelsteins im Drei-Länder-Eck der Kreise Kulmbach, Kronach und Lichtenfels zu bieten: der Geologe Friedrich Leitz aus Redwitz. Der gebürtige Thonberger (Gemeinde Weißenbrunn) geht davon aus, dass es sich um eine Christophorus-Darstellung handelt. Foto: Stephan Tiroch
Hat eine völlige Neuinterpretation des Samelsteins im Drei-Länder-Eck der Kreise Kulmbach, Kronach und Lichtenfels zu bieten: der Geologe Friedrich Leitz aus Redwitz. Der gebürtige Thonberger (Gemeinde Weißenbrunn) geht davon aus, dass es sich um eine Christophorus-Darstellung handelt. Foto: Stephan Tiroch
Zirka 80 Geschichtsinteressierte ...
Zirka 80 Geschichtsinteressierte ...
 
... nehmen an der CHW-Exkursion zum Samelstein auf der Kirchleuser Platte teil. Fotos: Stephan Tiroch
... nehmen an der CHW-Exkursion zum Samelstein auf der Kirchleuser Platte teil. Fotos: Stephan Tiroch
 
Friedrich Leitz (rechts) erläutert die geologischen Besonderheiten des Ortes. Foto: Stephan Tiroch
Friedrich Leitz (rechts) erläutert die geologischen Besonderheiten des Ortes. Foto: Stephan Tiroch
 
Das Relief auf dem Samelstein ist laut Friedrich Leitz eine Christophorus-Darstellung. Foto: Stephan Tiroch
Das Relief auf dem Samelstein ist laut Friedrich Leitz eine Christophorus-Darstellung. Foto: Stephan Tiroch
 
"Der Samelstein beschäftigt mich schon seit Jahrzehnten", sagt Friedrich Leitz. Foto: Stephan Tiroch
"Der Samelstein beschäftigt mich schon seit Jahrzehnten", sagt Friedrich Leitz. Foto: Stephan Tiroch
 
"Eine kluge Hypothese", meint CHW-Vorsitzender Günter Dippold zu Leitz' Neuinterpretation. Foto: Archiv
"Eine kluge Hypothese", meint CHW-Vorsitzender Günter Dippold zu Leitz' Neuinterpretation. Foto: Archiv
 
So sah der Samelstein noch vor 80 Jahren aus - seitdem haben Umwelteinflüsse dem Stein deutlich zugesetzt, die Konturen der Figur sind heute bei weitem nicht mehr so gut zu erkennen. Foto: Hans Edelmann
So sah der Samelstein noch vor 80 Jahren aus - seitdem haben Umwelteinflüsse dem Stein deutlich zugesetzt, die Konturen der Figur sind heute bei weitem nicht mehr so gut zu erkennen. Foto: Hans Edelmann
 

Der Geologe Friedrich Leitz kommt zu einem überraschenden Ergebnis und schreibt dem rätselhaften Stein eine ganz andere Bedeutung zu.

Vergessen Sie alles, was Sie bisher über den Samelstein gewusst haben! Der rätselhafte, mysteriöse Stein auf der Kirchleuser Platte mit seiner Reliefdarstellung eines Mannes gibt seit langem zu Spekulationen Anlass. Im Volksglauben und in der Heimatkunde gilt er wechselweise als Sühnestein für einen erschlagenen Juden oder als Abbild eines slawischen Fürsten, und er soll angeblich 1000 Jahre alt sein.

"Samelstein, Samuelstein oder Schimmelstein - alles Unsinn, können Sie alles vergessen", sagt der promovierte Geologe Friedrich Leitz. Der 72-jährige Experte aus Redwitz ("Der Stein beschäftigt mich sein Jahrzehnten") räumt auf mit Legenden und Aberglauben. Er kommt zu einer völligen Neuinterpreatation des hochemotionalen Steins - spannender als jeder Tatort-Krimi.


"Nebulös und fantasievoll"

Leitz nähert sich der senkrecht aufgestellten Sandsteinplatte, die seit einigen Jahren wieder an ihrem Ursprungsort steht, nachdem sie vorher zum Schutz vor Umwelteinflüssen und Verwitterung ins Museum auf der Plassenburg gebracht worden war, nicht als Kunsthistoriker oder Heimatkundler. Deren Interpretation bezeichnet er als "nebulös, fantasievoll, nicht zutreffend". Leitz: "Das hat nach einer anderen Deutung verlangt."

Der Geologe wählt eine andere Methode: Er orientiert sich am Bildzeichen und ordnet das Objekt dem Oberen Buntsandstein zu. "Der Stein stammt aus einigen Kilometern Entfernung, aus der Gegend von Weißenbrunn, Holzmühle oder Gemlenz, wo es solche Sandsteinbrüche gibt." Teile der Kirche im nahen Kirchleus bestehen nach seinen Worten aus demselben Sandsteintyp.


500 bis 600 Jahre alt

Er schätzt den Stein auf 500 bis 600 Jahre - also aus dem 15. Jahrhundert, als auch an der Kirche in Kirchleus gebaut worden ist. "Das heißt, es waren Handwerker vor Ort, die mit Stein umgehen konnten."

Leitz zufolge handelt es sich um eine einfache Steinmetzarbeit. Die Darstellung sei aber kein Zufall. Denn einem Handwerker im Spätmittelalter sei es genau vorgeschrieben gewesen, wie eine Figur auszusehen hatte. So wurden langes Haar und langes Gewand Jesus zugeordnet oder einem Fürsten oder einem Ritter.

Deshalb nimmt der Experte eine ikonographische Analyse vor. Die dargestellte Figur trägt kurzes Haar und nur einen Lendenschurz. Es handelt sich also nicht um eine hochgestellte Person. Die Armhaltung lässt erahnen, dass der Mann etwas auf der Schulter getragen hat. Aber bestimmt nicht, wie manchmal angenommen, eine Sonnenscheibe - die hätte er wie eine Monstranz vor sich gehalten. Die Figur hat auch keine Schuhe - sie steht laut Leitz im Wasser. Teile des Kopfes und der Hände sind abgebrochen oder verwittert. Aber die Anhaltspunkt, so Leitz, reichen aus, um zu dem Schluss zu kommen: Wir haben es mit einem Christophorus zu tun, mit einem Christusträger.


Die Angst der Fuhrleute

Dazu passt auch der Standort - an der Kreuzung zweier Altstraßen. Hier waren Fuhrleute unterwegs, und bergabwärts passierten damals viele Unfälle. Leitz: "Dazu muss man wissen, dass ein mittelalterlicher Mensch vor nichts mehr Angst hatte als vor einem plötzlichen Tod ohne Gebet und Sakramente. Und der heilige Christophorus galt im späten Mittelalter als Versicherung gegen einen unvorbereiteten Tod."

Nach der Reformation - die Gegend um Kirchleus und Schimmendorf wurde protestantisch - gerät die Heiligenverehrung in Vergessenheit. Die Überlieferung von der Sandsteinplatte mit dem Schutzheiligen der Reisenden und Fuhrleute geht verloren.

Leitz zufolge handelt es sich also um einen Geleitstein oder Übergabestein an der Grenze zweier Herrschaften. Mit seiner schlüssigen und nachvollziehbaren Erklärung überzeugt er die allermeisten der zirka 80 Zuhörer, die an der Exkursion des Geschichtsvereins Colloquium Historicum Wirsbergense zum Samelstein teilnahmen. "Eine kluge Hypothese", meint CHW-Vorsitzender Günter Dippold.


Christophorus hilft

Der heilige Christophorus macht am Mittwochabend gleich einen gute Job: Während im nahen Grafendobrach die Welt fast untergeht, kommen die CHW-Wanderer wieder heil am Parkplatz an. Von Gewitter, Hagel und Starkregen bleiben sie verschont.



CHW-Sommer

Exkursion Nächster Termin in Kulmbach im Rahmen des CHW-Sommers am Mittwoch, 6. Juli: Auf den Spuren der Kulmbacher Spinnerei und Fritz Hornschuchs (1874 - 1955) - mit Martin Pöhner; Treffpunkt 18.30 Uhr Bahnhof. Die Führungen des CHW-Sommers sind öffentlich und kostenlos.