Drei Geschwister aus Presseck haben Vater, Mutter und eine Schwester, mehrere Verwandte und Bekannte an Corona verloren. Die Kinder sind sicher: Ihre Eltern sind Verschwörungstheorien aufgesessen.
Eine halbe Familie hat das Coronavirus in Presseck ausgelöscht. Die Geschwister Susanne Marshall (55), Martin Andresen (56) und Andrea Rosenberger (57) haben nicht nur Vater und Mutter verloren, sondern auch eine Schwester, eine Patentante und zuletzt erst vor wenigen Wochen zwei enge Freunde der Familie. Sie alle hatten sich mit Covid-19 infiziert. Doch genau das hätte nach Überzeugung der Geschwister vermieden werden können. "Unsere Eltern könnten noch leben", sagen sie. Ihr Vorwurf: Vater und Mutter seien Opfer von Verschwörungstheoretikern geworden.
Auch gute Freunde verloren
Bisher haben die drei Pressecker geschwiegen. Jetzt, nachdem weitere gute Freunde an Corona gestorben sind, wollen sie reden. Auch um darauf hinzuweisen, wie wichtig eine Schutzimpfung ist. Nach einem feierlichen Requiem in der Pressecker Kirche haben wir uns mit den Dreien unterhalten.
Immer noch tief betroffen sitzen Susanne Marshall, Martin Andresen und Andrea Rosenberger auf dem Sofa. Die blicken auf ihre Handys und schauen sich alte Fotos und Videos an. Manchmal schmunzeln sie und erinnern sich an schöne Feste, die sie mit ihrer großen Familie gefeiert haben. Manchmal fließen Tränen. Vor allem dann, wenn Susanne Marschall Fotos anschaut, auf denen ihre Zwillingsschwester Sabine zu sehen ist. Sie waren eineiige Zwillinge, glichen sich aufs Haar, haben zusammengehalten wie Pech und Schwefel. Jetzt ist Sabine tot, an Corona gestorben, ebenso die Eltern.
"Mama und Papa haben an die Verschwörungstheorien geglaubt. Sie waren sehr verunsichert und der festen Überzeugung, dass die Menschen, die sich impfen lassen, innerhalb kurzer Zeit sterben werden", erzählt Andrea Rosenberger. Die Lügengeschichten der Corona-Leugner hätten die beiden Senioren davon abgehalten, sich impfen zu lassen. Corona sei ja nichts weiter als eine harmlose Grippe. Selbst nachdem beide positiv getestet waren, wollten sie es nicht wahrhaben, dass die Krankheit nicht von selbst wieder verschwindet.
"Man kann nur warnen"
"Verschwörungstheorien sind schuld, dass unsere Eltern so früh gehen mussten", klagt Martin Andresen an. Er selbst sei bereits zweimal geimpft. "Man kann alle nur davor warnen, an diese Verschwörungsdinge zu glauben. Unsere Eltern könnten noch leben", ist sich der 56-Jährige bewusst, der sich jetzt um die Hunde des verstorbenen Ehepaares und um das Haus in Presseck kümmert.
Wo sich Angelika und Fritz Müller mit dem Coronavirus infiziert haben, ist unklar. Doch die Kinder wissen, dass ihre Eltern die Masken nicht aufsetzen wollten, weil sie diese für eine Schikane des Staates und für eine Bevormundung hielten. Sie hätten geglaubt, dass die Regierung die Demokratie abschaffen wollte und sich von den "guten Ratschlägen" der Impfgegner täuschen lassen. Und das, obwohl sie mit 80 und 82 Jahren zur besonders gefährdeten Gruppe gehörten.
Erst hätten die Eltern geglaubt, sich bei der Beerdigung der Tochter Sabine erkältet zu haben. Doch die Symptome verschwanden nicht, im Gegenteil, sie wurden schlimmer. Ende April machten die beiden einen Corona-Test, das Ergebnis war positiv. "Papa kam am 29. April ins Krankenhaus nach Münchberg. Er verstarb noch am selben Tag an einer doppelseitigen Lungenentzündung", erzählt Susanne Marshall.