Corona löscht halbe Pressecker Familie aus.

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Fritz Müller, † 29. April
Fritz Müller, † 29. April
privat
Sabine Kreusch, † 30. März
Sabine Kreusch, † 30. März
privat
Angelika Müller, † 14. Mai
Angelika Müller, † 14. Mai
privat
Die Geschwister Susanne Marshall (55), Martin Andresen (56) und Andrea Rosenberger (57) haben ihre halbe Familie an Corona verloren.
Die Geschwister Susanne Marshall (55), Martin Andresen (56) und Andrea Rosenberger (57) haben ihre halbe Familie an Corona verloren.
Sonny Adam

Drei Geschwister aus Presseck haben Vater, Mutter und eine Schwester, mehrere Verwandte und Bekannte an Corona verloren. Die Kinder sind sicher: Ihre Eltern sind Verschwörungstheorien aufgesessen.

Eine halbe Familie hat das Coronavirus in Presseck ausgelöscht. Die Geschwister Susanne Marshall (55), Martin Andresen (56) und Andrea Rosenberger (57) haben nicht nur Vater und Mutter verloren, sondern auch eine Schwester, eine Patentante und zuletzt erst vor wenigen Wochen zwei enge Freunde der Familie. Sie alle hatten sich mit Covid-19 infiziert. Doch genau das hätte nach Überzeugung der Geschwister vermieden werden können. "Unsere Eltern könnten noch leben", sagen sie. Ihr Vorwurf: Vater und Mutter seien Opfer von Verschwörungstheoretikern geworden.

Auch gute Freunde verloren

Bisher haben die drei Pressecker geschwiegen. Jetzt, nachdem weitere gute Freunde an Corona gestorben sind, wollen sie reden. Auch um darauf hinzuweisen, wie wichtig eine Schutzimpfung ist. Nach einem feierlichen Requiem in der Pressecker Kirche haben wir uns mit den Dreien unterhalten.

Immer noch tief betroffen sitzen Susanne Marshall, Martin Andresen und Andrea Rosenberger auf dem Sofa. Die blicken auf ihre Handys und schauen sich alte Fotos und Videos an. Manchmal schmunzeln sie und erinnern sich an schöne Feste, die sie mit ihrer großen Familie gefeiert haben. Manchmal fließen Tränen. Vor allem dann, wenn Susanne Marschall Fotos anschaut, auf denen ihre Zwillingsschwester Sabine zu sehen ist. Sie waren eineiige Zwillinge, glichen sich aufs Haar, haben zusammengehalten wie Pech und Schwefel. Jetzt ist Sabine tot, an Corona gestorben, ebenso die Eltern.

"Mama und Papa haben an die Verschwörungstheorien geglaubt. Sie waren sehr verunsichert und der festen Überzeugung, dass die Menschen, die sich impfen lassen, innerhalb kurzer Zeit sterben werden", erzählt Andrea Rosenberger. Die Lügengeschichten der Corona-Leugner hätten die beiden Senioren davon abgehalten, sich impfen zu lassen. Corona sei ja nichts weiter als eine harmlose Grippe. Selbst nachdem beide positiv getestet waren, wollten sie es nicht wahrhaben, dass die Krankheit nicht von selbst wieder verschwindet.

"Man kann nur warnen"

"Verschwörungstheorien sind schuld, dass unsere Eltern so früh gehen mussten", klagt Martin Andresen an. Er selbst sei bereits zweimal geimpft. "Man kann alle nur davor warnen, an diese Verschwörungsdinge zu glauben. Unsere Eltern könnten noch leben", ist sich der 56-Jährige bewusst, der sich jetzt um die Hunde des verstorbenen Ehepaares und um das Haus in Presseck kümmert.

Wo sich Angelika und Fritz Müller mit dem Coronavirus infiziert haben, ist unklar. Doch die Kinder wissen, dass ihre Eltern die Masken nicht aufsetzen wollten, weil sie diese für eine Schikane des Staates und für eine Bevormundung hielten. Sie hätten geglaubt, dass die Regierung die Demokratie abschaffen wollte und sich von den "guten Ratschlägen" der Impfgegner täuschen lassen. Und das, obwohl sie mit 80 und 82 Jahren zur besonders gefährdeten Gruppe gehörten.

Erst hätten die Eltern geglaubt, sich bei der Beerdigung der Tochter Sabine erkältet zu haben. Doch die Symptome verschwanden nicht, im Gegenteil, sie wurden schlimmer. Ende April machten die beiden einen Corona-Test, das Ergebnis war positiv. "Papa kam am 29. April ins Krankenhaus nach Münchberg. Er verstarb noch am selben Tag an einer doppelseitigen Lungenentzündung", erzählt Susanne Marshall.

Nicht im Krankenhaus aufgetaucht

Die Mutter blieb zunächst zu Hause. Sie wollte am nächsten Tag ins Krankenhaus gehen. Doch dort tauchte sie nicht auf. "Wir haben am Abend angerufen. Als niemand ranging, dachten wir, dass sie früher ins Bett gegangen sei. Am nächsten Morgen war sie wieder nicht erreichbar", erinnert sich Andrea Rosenberger. Feuerwehr und Polizei öffneten die Wohnung - und fanden Angelika Müller auf dem Bett liegend. Man brachte sie ins Krankenhaus, wo sie intensivmedizinisch versorgt wurde. Doch alle Versuche, das Leben der Frau zu retten, schlugen fehl. Am 14. Mai hörte ihr Herz auf zu schlagen. Angelika Müller hatte sich für den VdK und den Mehrgenerationenspielplatz engagiert.

Sabine Kreusch, die Zwillingsschwester von Susanne Marshall, war bereits kurz vorher gestorben. Sie musste nach einer Lungenentzündung beatmet werden. Immer wieder bestand die Gefahr, dass die Lunge kollabieren könnte. Kurzfristig ging es ihr dann besser.

Qualvoll erstickt

Doch als Sabine Kreusch schon wieder zu Hause war, verschlechterte sich ihr Zustand plötzlich - innerhalb weniger Minuten erstickte sie qualvoll, das war am 30. März. "Für mich ist es, als ob ein Teil von mir gestorben ist", so Susanne Marshall.

"Unsere Familie und unsere Bekannten hat es innerhalb weniger Monate schwer getroffen. Ich bin geimpft. Ich wollte das, weil ich jemanden mit Pflegestufe 4 versorge", erklärt Andrea Rosenberger und rät allen Zweiflern, sich zu schützen.

Bei ihrer Schwester Susanne Marshall sieht es anders aus. "Ich bin nicht geimpft. Aber ich hatte Corona. Das wurde festgestellt, als ich meinen Papa im Krankenhaus besuchen wollte", berichtet sie. Obwohl sie Diabetikerin sei, habe sie kaum Covid-Symptome gehabt. "Ich blieb einfach zwei Wochen zu Hause. Aber das ist genau das Seltsame an Corona", schildert sie. Freuen kann sie sich über den milden Verlauf trotzdem nicht richtig, zu schwer wiegt der Verlust der Eltern und der anderen, die sie in der Pandemie verloren hat.

"Gott, nach dem Tod von Sabine sind nun auch unsere Eltern bei dir. Mögen sie uns den Weg bereiten, wenn wir eines Tages nachfolgen", lautete eine der Fürbitten, die die drei Geschwister bei der Beisetzung der Urnen am Grab lasen. Und sie hoffen nur eins: Dass jetzt Schluss ist mit den Schicksalsschlägen ...