Bayreuther Professor: Söders Entscheidung "keine Wahlkampfmaßnahme"

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Ministerpräsident Markus Söder. Foto: Sven Hoppe/dpa
Ministerpräsident Markus Söder. Foto: Sven Hoppe/dpa

Der Bayreuther Universitäts-Professor Eckhard Nagel hält die Einführung der neuen Krankenhausampel für den richtigen Schritt.

Der Strategiewechsel von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in der Corona-Politik sorgt für Diskussionen: Hatte der Politiker bislang eher Vorsicht walten lassen bei den Lockerungen der Corona-Vorschriften, so setzt er jetzt auf "die Balance aus mehr Freiheit und Eigenverantwortung und trotzdem Schutz und Sicherheit". Das hatte er in der zwölften Regierungserklärung zur Corona-Pandemie am 1. September erklärt.

Obwohl in der Regierungserklärung von einer vierten Welle die Rede ist, werden die Zügel also gelockert. Begründet wird das von Söder mit geänderten Voraussetzungen. Damit ist vor allem das Impfen gemeint. Rund 65 Prozent der Bürgerinnen und Bürger über zwölf Jahren seien mittlerweile vollständig geimpft. Deshalb wurden die Beschränkungen in der Pandemiebekämpfung nun geändert. Zentraler Bestandteil ist dabei eine Krankenhausampel als neuer Leitindikator.

Doch sind die Neuerungen und Erleichterungen vielleicht nur der bevorstehenden Bundestagswahl geschuldet? Oder hat er sich aus wissenschaftlicher Sicht heraus von der Inzidenz verabschiedet?

Wir haben dazu Professor Eckhard Nagel um eine Einschätzung gebeten. Nagel ist Professor für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bayreuth.

"Auch in den zurückliegenden Monaten wurde bereits immer wieder auf die Anzahl der Intensivpatienten in den Krankenhäusern Bezug genommen", stellt er zunächst zu der Entscheidung Söders klar.

Er weist zudem darauf hin, dass man in Deutschland zu keinem Zeitpunkt in der Situation war, dass notwendige Behandlungen auf den Intensivstationen für Corona-infizierte Menschen nicht durchgeführt werden konnten. "Die jetzt in den Mittelpunkt gestellte Frage nach der Anzahl der Krankenhaus-Patienten ist also unter den infektiologischen Gesichtspunkten begründet und folgerichtig."

Oder etwas sperrig formuliert: "Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Inzidenz ein nur unzureichender Indikator für die im Infektionsschutzgesetz geforderte inhaltliche Begründung von restriktiven Maßnahmen speziell zur Aufrechterhaltung einer sicheren Krankenversorgung."

Für den Professor ist damit klar: "Ich sehe darin keine Wahlkampfmaßnahme. Ohne diese Veränderung wäre vermutlich ein rechtliches Vorgehen gegen die Verordnung erfolgreich gewesen."

Andere Lockerungen beruhten eher auf Erfahrungen aus Ländern wie Großbritannien oder Dänemark, in denen eine weitreichende Liberalisierung nicht zu einer klinisch relevanten Zunahme an Corona-Infektionen geführt habe. Dies lässt für Eckhard Nagel den Schluss zu, dass die bereits durchgeführte Anzahl von Impfungen und eine "sicherlich relevante Anzahl von durchgemachten Infektionen" (auch solche, die nicht dokumentiert wurden) mit verantwortlich dafür sind, dass trotz des Anstiegs der Inzidenz die klinische Bedeutung der Virus-Infektionen nicht ganz so stark ist wie 2020 oder in den zurückliegenden Winter- und Frühjahrsmonaten.