Der Bayreuther Arbeitskreis für Familiengeschichtsforschung hat erstaunliches zutage gefördert. Jetzt feiert er seinen 25. Geburtstag.
Sie ist mit Friedrich Schiller, Eduard Mörike und mit Grace Kelly verwandt: Adele Baierlein aus
Bayreuth. Freilich nicht direkt, auch nicht um tausend Ecken. Schon eher um 10 000 Ecken. Deshalb spricht Adele Baierlein auch nicht von Verwandtschaft, sondern von einer Ahnengemeinschaft. Das heißt aber auch, dass es tatsächlich gemeinsame Vorfahren gibt.
Keine Lust, nur auch der Couch zu sitzen
Adele Baierlein ist Mitglied des Arbeitskreises Familiengeschichtsforschung, der sich alle vier Wochen unter dem Dach des Evangelischen Bildungswerks trifft. In diesem Jahr feiert der Arbeitskreis seinen 25. Geburtstag.
Ganz so jung sind seine führenden Köpfe nicht mehr. Michael Lutz (50) und Ralf Preiß (59) sind so etwas wie die Nesthäkchen. Spiritus Rektor ist Günter Kruse (83). Er war als Psychologe beim Arbeitsamt beschäftigt. Als er 1997 in den Ruhestand verabschiedet wurde, machte er es sich nicht etwa auf der heimischen Couch gemütlich, sondern trat ein Studium der Geschichte an der Universität Bayreuth an.
Einige Jahre zuvor hatte er das Baltikum besucht, genau die Region, in der sein Großvater einst ein Gut hatte. Pfarrer Norbert Kotowsky schlug Günter Kruse, der sich schon immer für Familienforschung interessiert hatte, vor, einen Kurs Genealogie anzubieten. Aus diesem Kreis heraus entstand schließlich der Arbeitskreis Familiengeschichtsforschung, der sich im Herbst 1991 zum ersten Mal traf.
Forschungsarbeit über Grenzen hinweg
Bei der Genealogie geht es um den Stammbaum, um Geburts- und Todesdaten. Bei der Familiengeschichtsforschung dagegen geht es um weit mehr. Um das Drumherum sozusagen, um die soziale Einordnung, um Lebensgeschichten, darum, die Menschen verstehen zu lernen.
Dabei hört die Familiengeschichtsforschung natürlich nicht an irgendwelchen Grenzen auf. Bei Adele Baierlein zieht sie sich praktisch kreuz und quer durch Europa, über Österreich, Galizien, Russland und das ehemalige Jugoslawien. 900 Jahre könne sie ihre Familie zurückverfolgen, sagt sie. Alles mit Kirchenbüchern, Stammbüchern, Ortsfamilienbüchern lückenlos belegbar.
Umfangreiches Jahresprogramm
Es sei von Anfang an wichtig gewesen, Bildungsinhalte in das Programm aufzunehmen, sagt Günter Kruse. Vorträge gehören dazu, Exkursionen, Besuche der Universitätsbibliothek oder des Lastenausgleichsarchivs. Froh sind Kruse und seine Mitstreiter über die Räumlichkeiten beim Bildungswerk, aber auch dafür, dass die Veranstaltungen im Jahresprogramm auftauchen und somit immer wieder neue Interessenten zu der Gruppe finden.
Auch Günter Kruse kann eine spektakuläre Verwandtschaft melden: Wladimir Iljitsch Lenin (1870 - 1924). Sogar die Taz hat schon darüber berichtet. 2006 war er in Moskau und hat Lenins Nichte Olga Uljanowa besucht.
Zwei Dinge sind es, die den Familiengeschichtsforschern das Leben schwer machen: eines ist die immense Zeit, die man braucht, um sauber forschen zu können. Das andere ist die deutsche Schrift früherer Zeiten, die heute so gut wie niemand mehr beherrscht. Doch es gibt auch Dinge, die es den Forschern einfacher machen. Der Computer und das Internet. Gerhard Zahn (78) ist so etwas wie der IT-Fachmann. "Die Computergeneologie hat sich rasant entwickelt", sagt er. In manchen Ländern, in Tschechien etwa, könne man dank ehrgeiziger EU-Projekte schon nahezu lückenlos online in den Kirchenbüchern blättern. Und gerade Kirchenbücher seien die sichersten Quellen, die bis zum 30-Jährigen-Krieg zurückreichen.
Aufschlussreiche Kirchenbücher
Selbst die Kirchenbücher aus den baltischen Ländern seien als Faksimile abrufbar. Natürlich kosten die Zugriffsberechtigungen Geld, doch noch vor wenigen Jahren hätten sich die Forscher diese Entwicklung nicht träumen lassen.
So manch alteingesessener Oberfranke merkt, dass seine Wurzeln ganz woanders liegen und auch er einen Migrationshintergrund hat, sagt Jürgen Wolff, Leiter des Bildungswerks. Für ihn ist es bemerkenswert, dass sich im Arbeitskreis ganz breite Interessen wiederfinden, dass die Sozialgeschichte dazugehört und dass der Kreis auch geselligen Charakter hat.