Das Max-Rubner-Institut hat überraschend die Kulmbacher Woche abgesagt. 50 Jahre lang war sie das Forum der deutschen Fleischexperten.
Ein halbes Jahrhundert lang war Kulmbach der Treffpunkt der Fleischexperten aus Wirtschaft und Wissenschaft. Forscher und Praktiker trafen sich, um alljährlich im Mai bei der Kulmbacher Woche neueste Erkenntnisse zur Lebensmittelsicherheit und zur Fleischverarbeitung auszutauschen. Die 50. Kulmbacher Woche im vergangenen Jahr war abr wohl die letzte. Am Freitag gab die Pressestelle des Max-Rubner-Instituts, das seinen Hauptsitz in Karlsruhe hat, bekannt, dass die traditionsreiche Veranstaltung heuer nicht stattfinden wird.
"Kein Selbstläufer mehr"
"Nach 50 Jahren Tradition ist es Zeit, nicht nur zurück, sondern auch nach vorn zu blicken und auch liebgewordene Gewohnheiten auf den Prüfstand zu stellen", schreibt Pressesprecherin Iris Lehmann. "Die Durchführung von Veranstaltungen kostet Geld und vor allem auch Zeit aller Beteiligten. Sie sind kein Selbstzweck und heute auch keine Selbstläufer mehr, sie müssen immer wieder neu durchdacht werden."
Damit reagiert das MRI auf die Tatsache, dass die Kulmbacher Woche im Lauf der Jahre immer kleiner wurde. Die Dauer wurde von ursprünglich einer ganzen Woche auf zuletzt noch zwei Tage verkürzt, die Teilnehmerzahlen gingen zurück. Trotzdem war die Kulmbacher Woche bis zuletzt auch international ein Begriff: Es kamen Teilnehmer aus vielen Ländern.
Der Austausch von Wissenschaftlern habe in den letzten Jahren immer mehr Bedeutung bekommen, heißt es in der MRI-Mitteilung. Dadurch habe sich das Angebot wissenschaftlicher Konferenzen vergrößert.
Kleinere Treffen für Spezialisten?
Auch die Kulmbacher Woche habe sich "einerseits aufgrund der Änderungen ihrer Zielgruppe aus der Praxis, der Konzentration der Fleischproduktion und - verarbeitung in immer größeren, global agierenden Unternehmen, aber auch wegen der zunehmenden Vernetzung in der Wissenschaftswelt verändert". Längst werde das Programm nicht mehr nur durch Vorträge der institutseigenen Wissenschaftler bestritten, sondern ergänzend internationale Expertise, etwa aus Kooperationsprojekten, nach Kulmbach geholt.
"Mehrere Einzelveranstaltungen für ein anspruchsvolles, spezialisiertes Publikum statt einer großen Konferenz könnten ein Weg für die Zukunft sein. Eher anwendungsorientierte Veranstaltungen wie die Summer School können durch Konferenzen mit international herausragenden Koryphäen hervorragend ergänzt werden", so Iris Lehmann.
Um für den Standort Kulmbach, aber auch für das gesamte MRI, ein schlüssiges Konferenz-Konzept zu entwickeln, das den verschiedenen Zielgruppen gerecht wird, habe das Max-Rubner-Institut beschlossen, die Kulmbacher Woche in diesem Jahr auszusetzen. Die Summer School am Standort Kulmbach finde jedoch wie gewohnt statt.
Oberbürgermeister Henry Schramm bedauert die Entscheidung aus Karlsruhe. Offiziell informiert wurde Schramm erst am Donnerstag durch MRI-Chef Rechkemmer. "Wir hatten vor einiger Zeit gerüchteweise gehört, dass es Überlegungen in dieser Richtung gibt", so Pressesprecher Simon Ries. Schramm habe sich daraufhin an Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner (CSU) gewandt, die wiederum ein Gespräch mit dem zuständigen Bundesernährungsminister Christian Schmidt führte, um zu ergründen, ob der Standort Kulmbach entgegen aller bisheriger Beteuerungen wieder einmal auf wackligen Beinen steht.
Minister hält an Kulmbach fest
In dieser Hinsicht kann Zeulner Entwarnung geben. "Der Minister hat mir gegenüber die Bestandsgarantie wiederholt, die er vor einem Jahr bei seinem Besuch in Kulmbach gegeben hat. Aber auch ich habe bis heute nicht gewusst, dass die Kulmbacher Woche nicht mehr stattfinden wird", sagt Emmi Zeulner. "Dass es so gekommen ist, ist der schade, weil die Kulmbacher Woche eine Gelegenheit war, die Aufmerksamkeit auf die in Kulmbach geleistete Arbeit zu lenken." Das Wichtigste sei für sie jedoch, dass am Standort und damit an den Arbeitsplätzen nicht gerüttelt wird.
Stadt war gerne Partner
"Aus Sicht der Stadt ist es äußerst bedauerlich, dass die Veranstaltung im Jahr nach dem Jubiläum abgesagt wird - und das auch noch sehr kurzfristig", so Simon Ries. Die Stadt habe die Kulmbacher Woche gerne unterstützt, nicht zuletzt durch den von ihr organisierten und finanzierten Empfang am Vorabend der Eröffnung. "Das MRI ist eine wichtige Einrichtung für uns, und die Kulmbacher Woche hat viel Aufmerksamkeit auf die Stadt gelenkt. Wenn man über eine Neukonzeptionierung nachdenkt, wäre es schön gewesen, wenn man im Vorfeld den Dialog mit uns gesucht hätte."
Auch Landrat Klaus Peter Söllner zeigte sich von der Entwicklung überrascht. "Ich finde das äußerst merkwürdig, dass das Max-Rubner-Institut uns nicht über diese Entscheidung informiert hat. Davon hätten wir schon gerne im Vorfeld etwas gewusst." Immerhin habe die Kulmbacher Woche eine lange Tradition. "Sie war eine Plattform für den Austausch von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik", so der Landrat. "Uns Kommunalpolitikern gab die Veranstaltung, speziell auch der Empfang auf der Plassenburg, immer wieder auch die Gelegenheit, unsere Anliegen an die hohe Politik zu bringen." Ebenso wie Schramm und Zeulner hofft Söllner, dass hinsichtlich der Zukunft der Kulmbacher Woche noch nicht das letzte Wort gesprochen ist und es eine Nachfolgeveranstaltung geben wird.
Ein großer Verlust
Als einen großen Verlust betrachtet der langjährige Kulmbacher Institutsleiter Lothar Leistner die Abschaffung der Kulmbacher Woche. Heute wie vor 50 Jahren spiele die Wissenschaft eine bedeutende Rolle, wenn es um die Sicherheit und Qualität von Lebensmitteln geht, sagt der 88-Jährige. 30 Jahre lang war der Tierarzt im Institut für Mikrobiologie tätig und hat auch als Pensionär bis vor kurzem jede Tagung besucht. In Kulmbach sei immer solide Grundlagenarbeit betrieben worden, die den Wissenschaftlern ihren guten internationalen Ruf eingebracht habe. Nach wie vor sei Fleisch eines der wichtigen Forschungsthemen im Lebensmittelbereich.
Hätte es das 'Aus' auch für eine "KARLSRUHER Woche" gegeben ?!?