Der Rechtsanwalt aus dem Landkreis Kulmbach, der wegen Anlagebetrugs in Untersuchungshaft sitzt, hat offenbar zahlreiche weitere Opfer. "Er hat mich über Jahre an der Nase herumgeführt und ist heute mein größter Feind", sagt eine Frau, die auf die Seriosität des Juristen vertraut hat und sich hintergangen fühlt.
In Juristenkreisen wird er der "Anwalt der Armen" genannt - der 43-jährige Rechtsanwalt aus dem Landkreis Kulmbach, der seit vergangenem Dienstag wegen des Verdachts des Anlagebetrugs in der Justizvollzugsanstalt Hof in Untersuchungshaft sitzt. Nach Hausdurchsuchungen war der 43-Jährige, der mehrere Mandanten bei Anlagegeschäften in angebliche Solarparks in Rumänien und Italien um 100.000 bis 500.000 Euro geprellt haben soll, festgenommen worden.
"Mein größter Feind" Der "Anwalt der Armen" hat offenbar aber nicht nur die Solarpark-Investoren, sondern viele weitere Menschen, die sich in einer Notlage befanden, um ihr Geld gebracht. Dabei ging es nicht immer nur um ganz große Summen. "Er hat mich über Jahre belogen und betrogen", sagt beispielsweise eine Frau aus dem Landkreis Bayreuth, die namentlich nicht genannt werden will.
Für sie ist der 43-Jährige inzwischen "mein größter Feind ". "Der soll sich warm anziehen. Ich werde dafür kämpfen, dass er zur Rechenschaft gezogen wird", sagt die Frau, die sich vor zweieinhalb Jahren von einem Autohaus betrogen gefühlt hatte, das ihr, so sagt sie heute, einen defekten Gebrauchtwagen angedreht habe.
Klage nicht eingereicht Nachdem das Autohaus der Rückabwicklung des Geschäfts nicht zugestimmt habe, habe ihr der Rechtsanwalt die Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens vorgeschlagen. "Er hat mir versichert, dass wir das zu 97 Prozent gewinnen werden." Ihr Erfolgschancen waren allerdings äußerst schlecht, denn: Seit gestern weiß die Frau, dass der 43-Jährige zwar Geld kassiert, die Klage aber nie bei Gericht eingereicht hat. "Er hat mich über Jahre hingehalten.
Und ich habe ihm geglaubt, denn für mich war er als Rechtsanwalt eine Vertrauensperson."
Wie ihr ist es offenbar vielen ergangen. Männer und Frauen auch aus anderen Bundesländern haben sich inzwischen an die Kulmbacher Rechtsanwaltskanzlei Schena, Piel und Partner gewandt. Auch sie fühlen sich betrogen. Schon vor zwei Monaten hätten sich Mandanten des 43-Jährigen in der Kanzlei eingefunden, um ihre Lage auszuloten, sagt Anwalt Tobias Herrmann der BR. Neben zivilrechtlichen Ansprüchen werde nun auch die Frage erläutert, ob man strafrechtlich gegen ihn vorgehen werde.
"Bei anderen undenkbar" Eine Betrugsanzeige sei in vielen Fällen naheliegend, so Tobias Herrmann, dessen Kanzlei eine Tatsache schwer zu schaffen macht. Der Jurist habe vielen Mandanten nämlich in den Verfahren keine Unterlagen zugesandt, selbst Klageschriften nicht weiter gegeben.
"In anderen Kanzleien ist so was undenkbar", sagt Herrmann und führt an: "Wir müssen nun versuchen, an die Unterlagen ranzukommen, was sich in vielen Fällen schwierig gestalten könnte, weil die Staatsanwaltschaft im Zuge ihrer Ermittlungen ja viele Akten beschlagnahmt hat."
Er steht unter Bewährung Der "Anwalt der Armen", der erst vor wenigen Monaten wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden ist, hat, so heißt es, Mandanten, die sich in einer wirtschaftlichen Notlage befanden, juristische Ratschläge gegeben, die zur Folge hatten, dass einige bis zu 100.000 Euro verloren haben. In vielen Fällen soll er als Beteiligter oder Geschäftsführer in deren Firmen eingestiegen sein.
Manche Mandanten hätten erst dann erfahren, dass sie einen Prozess verloren haben, weil ihr Anwalt nicht vor Gericht erschienen war, als bei ihnen schließlich der Gerichtsvollzieher vor der Tür stand.
Es war vielfach offenbar eine seiner Maschen, auch Verfahren ohne Aussicht auf Erfolg durchzuziehen. Einen solchen Fall kennt Rechtsanwalt Mirco Schena. Wie er mitteilte, habe der 43-Jährige in dem Verfahren einen anberaumten Gerichtstermin nicht wahrgenommen. Das so genannte Versäumnisurteil, das gefallen sei, habe er aus prozesstaktischen Gründen in Kauf genommen, habe der Rechtsanwalt seinem Mandanten im Nachhinein versichert.
Für Mandanten wurde es teuer Durch die dann beantragte Klageerweiterung habe sich der Streitwert von 300.000 auf über 600.000 Euro verdoppelt. Es habe sich allerdings um eine "Luftklage" gehandelt - ohne Aussicht auf Erfolg.
Die Anwaltskosten hätten sich durch den verdoppelten Streitwert von 6800 auf 9800 Euro erhöht, die Gerichtskosten seien von 6200 auf 9800 Euro gestiegen. Zwar habe er Prozesskostenhilfe beantragt, die laut Schena vom Gericht jedoch mangels Erfolgsaussicht der Klageerweiterung abgelehnt worden sei.
Der Schaden ist nicht gering Der Schaden, der dem Mandanten dadurch entstanden sei, seien Mehrkosten für beide Anwälte und das Gericht in Höhe von fast 9600 Euro. Die Gebühren für den Anwalt hätten sich um 3000 Euro erhöht.
"So was ist nicht nachzuvollziehen", sagt Mirco Schena, dessen Kanzlei schon vor über einem Jahr eine berufsaufsichtliche Beschwerde gegen den Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskammer Bamberg erhoben hat. "Wir haben bis dato leider noch nicht erfahren, wie die Kammer entschieden hat", sagt der Anwalt.
Eine BR-Nachfrage bei der Bamberger Anwaltskammer brachte gestern auch keinen Aufschluss darüber, wie die Entscheidung ausgefallen ist. Nach der Bundesrechtsanwaltsordnung seien die Mitglieder des Vorstands einer Rechtsanwaltskammer zur Verschwiegenheit verpflichtet. Es sei dem Vorstand daher nicht gestattet, eine Auskunft über berufsaufsichtliche Verfahren zu geben, heißt es in der schriftlichen Mitteilung.
"Rotes Tuch" für viele Banken Anwalt Andreas Lindner von der Kulmbacher Kanzlei Linhardt, Martin & Lindner hat schon mehrfach Prozessgegner des 43-jährigen "Anwalt der Armen" vertreten.
Sein Rechtsanwaltskollege habe oft "grenzwertig gearbeitet", sagt Lindner: "Er hat sich am Rande der gesetzlichen Vorschriften insbesondere in der Zivilprozessordnung bewegt."
"Vor nichts zurückgeschreckt" Auch für Banken sei er im übrigen seit langem ein "rotes Tuch". Der 43-Jährige habe einen "Feldzug gegen Kreditinstitute" gestartet, in seinen Argumentationen vor nichts zurückgeschreckt. Oft zum Nachteil seiner Mandanten.
"Er wollte 1300 Euro einfordern" Einen Bärendienst hat er wohl auch der Frau aus dem Landkreis Bayreuth erwiesen, für die der 43-Jährige das Beweissicherungsverfahren durchführen wollte. Vor wenigen Tagen stand auch bei ihr der Gerichtsvollzieher vor ihrer Tür.
"Er wollte die 1300 Euro einfordern, die dem Autohaus an Rechtsanwaltskosten entstanden sind", sagt die Frau, die einerseits noch Glück hat, "denn meine Rechtsschutzversicherung hat mir erklärt, dass sie die Kosten übernehmen wird". Ihr Auto steht allerdings immer noch defekt im Hof. Und was die Frau besonders wurmt: "Das Autohaus ist dank des Nichtstuns des Anwalts der Gewinner. Und der hat in dem Verfahren, in dem er nichts gemacht hat, mehrere tausend Euro kassiert."