Zum Tag des deutschen Bieres fragen wir einen Experten: zur Reinheit des Getränks und warum der Ukraine-Krieg auch Biertrinkern zu denken geben sollte. Spannende Antworten vom Kulmbacher Lebensmittelrechtler Prof. Kai Purnhagen.
Der heutige Samstag ist dem Reinheitsgebot des viertliebsten Getränks der Deutschen gewidmet: dem Bier. Der Gerstensaft rangiert in der Beliebtheit hinter Wasser, Fruchtsaft und Kaffee - und laut Statistikern bei den alkoholischen Flüssigkeiten nur noch knapp vor Wein. Übrigens: Kulmbach schickt sich an, zusätzlich zum 23. April ein weiteres Datum zu verankern: Am 29. Juli findet der 1. Kulmbacher Bierrechtstag mit dem Titel "Bier und Nachhaltigkeit - Was bringt der europäische Green Deal?" statt. Initiiert wurde er vom Lehrstuhl für Lebensmittelrecht unter Leitung von Prof. Kai Purnhagen. Ihn haben wir gefragt, worum es dabei geht und wie es um die Reinheit des Bieres in globalen Krisenzeiten bestellt ist.
Nicht jedermann wird es geläufig sein, dass das sogenannte Reinheitsgebot von 1516 quasi aus einer Rohstoffnot heraus geboren wurde. Wie kam es dazu?
Kai Purnhagen: Ähnlich einer Entwicklung, wie wir sie momentan sehen, stiegen Anfang des 16. Jahrhunderts die Getreidepreise aufgrund Rohstoffknappheit rasant an. Das bis dato zum Bierbrauen verwendete Getreide wurde nun vermehrt zur Herstellung von Brot und anderer Nahrungsmittel gebraucht, um Hunger zu vermeiden. Daher wurde die Herstellung von Bier mit diesen Getreidesorten verboten und durch das "Reinheitsgebot" auf Gerstenmalz ausgewichen, welches bis dato eigentlich nur als Tierfutter Verwendung fand. Das "Reinheitsgebot" war also eigentlich nicht als solches gedacht, sondern stellte die Verteilung der Rohstoffe dergestalt sicher, dass Hunger bekämpft werden konnte. Dass Brauer angesichts des Verbots der Verwendung der herkömmlichen Getreidezutaten sich nicht stattdessen an billigeren Kräutern, berauschenden Mitteln oder auch Ochsengalle, Fichtenspäne und Eichenrinde bedienten, dafür sorgte dann das "Reinheitsgebot."
In Zeiten globalisierter Märkte scheint der Druck auf eine Aufweichung des Gebotes groß. Was darf mittlerweile alles rein ins Bier - und was trotz aller möglichen Einflussnahmen immer noch nicht?
Laut Europarecht ist den Zutaten für Bier fast keine Grenze mehr gesetzt, solange der Verbraucher darüber aufgeklärt wird. Sicherlich gibt es immer wieder einzelne Regelungen und Selbstverpflichtungen, die Grenzen setziehen, und das ist der Grundsatz: So lange man dem Verbraucher "reines Bier" hinsichtlich der Zutaten einschenkt, ist vieles erlaubt.
Der Ukraine-Krieg bringt Rohstoffknappheit auf vielen Ebenen mit sich. Gilt das für die Bierproduktion ebenso?
Viele der Rohstoffpreise sind bereits vor der Ukrainekrise gestiegen. Es steht zu erwarten, dass sie nun weiter steigen werden. Ob dies tatsächlich unmittelbar mit dem Krieg zu tun hat, ist momentan noch nicht abschließend zu klären. Während dies beim Weizen durchaus der Fall sein könnte - die Ukraine ist der wesentliche Lieferant -, gibt es auch bei Braugerste und Malz deutliche Preissteigerungen. Noch haben wir keine echte Knappheit, aber es kann so kommen. Darüber hinaus wirken sich die gestiegenen Energiepreise auf die Kosten von Verpackungen und Verarbeitungen aus. Nicht zuletzt werden viele Flaschen in der Ukraine hergestellt beziehungsweise das Bier dort in Flaschen abgefüllt.