506 Jahre Reinheitsgebot: Was wird uns heute eingeschenkt?

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"O'gezapt is": Das Reinheitsgebot fürs Bier gibt es seit 1516.
"O'gezapt is": Das Reinheitsgebot fürs Bier gibt es seit 1516.
Christophe Gateau/dpa
Kai Purnhagen (41) ist Professor für Lebensmittelrecht an der Fakultät VII für Lebenswissenschaften: Lebensmittel, Ernährung und Gesundheit der Universität Bayreuth am Campus in Kulmbach.
Kai Purnhagen (41) ist Professor für Lebensmittelrecht an der Fakultät VII für Lebenswissenschaften: Lebensmittel, Ernährung und Gesundheit der Universität Bayreuth am Campus  in Kulmbach.
Uni Bayreuth

Zum Tag des deutschen Bieres fragen wir einen Experten: zur Reinheit des Getränks und warum der Ukraine-Krieg auch Biertrinkern zu denken geben sollte. Spannende Antworten vom Kulmbacher Lebensmittelrechtler Prof. Kai Purnhagen.

Der heutige Samstag ist dem Reinheitsgebot des viertliebsten Getränks der Deutschen gewidmet: dem Bier. Der Gerstensaft rangiert in der Beliebtheit hinter Wasser, Fruchtsaft und Kaffee - und laut Statistikern bei den alkoholischen Flüssigkeiten nur noch knapp vor Wein. Übrigens: Kulmbach schickt sich an, zusätzlich zum 23. April ein weiteres Datum zu verankern: Am 29. Juli findet der 1. Kulmbacher Bierrechtstag mit dem Titel "Bier und Nachhaltigkeit - Was bringt der europäische Green Deal?" statt. Initiiert wurde er vom Lehrstuhl für Lebensmittelrecht unter Leitung von Prof. Kai Purnhagen. Ihn haben wir gefragt, worum es dabei geht und wie es um die Reinheit des Bieres in globalen Krisenzeiten bestellt ist.

Nicht jedermann wird es geläufig sein, dass das sogenannte Reinheitsgebot von 1516 quasi aus einer Rohstoffnot heraus geboren wurde. Wie kam es dazu?

Kai Purnhagen: Ähnlich einer Entwicklung, wie wir sie momentan sehen, stiegen Anfang des 16. Jahrhunderts die Getreidepreise aufgrund Rohstoffknappheit rasant an. Das bis dato zum Bierbrauen verwendete Getreide wurde nun vermehrt zur Herstellung von Brot und anderer Nahrungsmittel gebraucht, um Hunger zu vermeiden. Daher wurde die Herstellung von Bier mit diesen Getreidesorten verboten und durch das "Reinheitsgebot" auf Gerstenmalz ausgewichen, welches bis dato eigentlich nur als Tierfutter Verwendung fand. Das "Reinheitsgebot" war also eigentlich nicht als solches gedacht, sondern stellte die Verteilung der Rohstoffe dergestalt sicher, dass Hunger bekämpft werden konnte. Dass Brauer angesichts des Verbots der Verwendung der herkömmlichen Getreidezutaten sich nicht stattdessen an billigeren Kräutern, berauschenden Mitteln oder auch Ochsengalle, Fichtenspäne und Eichenrinde bedienten, dafür sorgte dann das "Reinheitsgebot."

In Zeiten globalisierter Märkte scheint der Druck auf eine Aufweichung des Gebotes groß. Was darf mittlerweile alles rein ins Bier - und was trotz aller möglichen Einflussnahmen immer noch nicht?

Laut Europarecht ist den Zutaten für Bier fast keine Grenze mehr gesetzt, solange der Verbraucher darüber aufgeklärt wird. Sicherlich gibt es immer wieder einzelne Regelungen und Selbstverpflichtungen, die Grenzen setziehen, und das ist der Grundsatz: So lange man dem Verbraucher "reines Bier" hinsichtlich der Zutaten einschenkt, ist vieles erlaubt.

Der Ukraine-Krieg bringt Rohstoffknappheit auf vielen Ebenen mit sich. Gilt das für die Bierproduktion ebenso?

Viele der Rohstoffpreise sind bereits vor der Ukrainekrise gestiegen. Es steht zu erwarten, dass sie nun weiter steigen werden. Ob dies tatsächlich unmittelbar mit dem Krieg zu tun hat, ist momentan noch nicht abschließend zu klären. Während dies beim Weizen durchaus der Fall sein könnte - die Ukraine ist der wesentliche Lieferant -, gibt es auch bei Braugerste und Malz deutliche Preissteigerungen. Noch haben wir keine echte Knappheit, aber es kann so kommen. Darüber hinaus wirken sich die gestiegenen Energiepreise auf die Kosten von Verpackungen und Verarbeitungen aus. Nicht zuletzt werden viele Flaschen in der Ukraine hergestellt beziehungsweise das Bier dort in Flaschen abgefüllt.

Was bedeutet der "Green Deal" der EU in Sachen Nachhaltigkeit beim Bier?

Der "Green Deal" der Europäischen Kommission und die damit verbundene nachhaltige "Farm to Fork"-Strategie soll zunächst ein Umdenken mitbringen, und zwar dergestalt, dass Lebensmittelproduktion und -konsum als ein einheitliches System anstatt als voneinander isolierte Stufen betrachtet werden. Beim Bier heißt dies: Man wird zukünftig noch genauer hinschauen, wo und wie die einzelnen Produktionsschritte stattfinden und dass dies auch hinsichtlich deren Nachhaltigkeit untersucht werden muss. Da meiner Meinung nach die genannte Strategie "nachhaltig" mit "naturnah" gleichsetzt wird- eine problematische Verknüpfung -, erwarte ich, dass alle diejenigen Brauereien die ohnehin naturnah produzieren, nichts zu befürchten haben.

Der 29. Juli ist zum 1. Kulmbacher Bierrechtstag ausgerufen worden. Was darf man darunter verstehen?

Wir möchten mit dem Bierrechtstag ein Forum schaffen, auf dem sich Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zum Thema Bierrecht austauschen können. Hier in Kulmbach soll dazu eine jährliche Veranstaltung entstehen, die Trends vorhersieht, bündelt und auch eine Plattform für zukunftsweisende Ideen in der Branche schafft. Nicht zuletzt möchten wir dadurch auch den einzigartigen Universitätsstandort Kulmbach mit seiner einzigartigen Stellung als heimliche Hauptstadt des Bieres vernetzen und so zunächst deutschlandweit, in einem zweiten Schritt europaweit, als Anlaufpunkt hierfür etablieren.