Wozu braucht man eigentlich Schulsport?

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Foto: Archiv/Limmer
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klar.text, das Schulprojekt unserer Zeitung, fragt Lehrer, warum sich Schüler mit manchen Fächern beschäftigen müssen. Heute erklärt Silke Woletz-Bauer, Sportlehrerin am Frankenwald-Gymnasium, warum Turnen, Werfen und Springen nicht vom Lehrplan gestrichen werden dürfen.

Es ist 13.45 Uhr, die Luft in der Turnhalle ist stickig. 30 Mädchen, rote Wangen, Haare nach hinten gebunden. Die Zehntklässlerinnen stehen an der Linie und drehen sich im Kreis, dann kommt der richtige Moment, um loszulassen. Die Schleuderbälle fliegen durch die Luft. Die einen Schülerinnen treffen bis an die Wand, andere schaffen nur wenige Meter. Die einen haben Spaß daran, freuen sich, sich endlich mal auspowern zu können. Die anderen wären lieber krank. Nicht schlimm krank, nur so, dass sie nicht am Sportunterricht teilnehmen müssten. Oder sie vergessen das nächste Mal den Sportbeutel zu Hause.

Silke Woletz-Bauer arbeitet seit 16 Jahren als Sportlehrerin am Frankenwald-Gymnasium in Kronach. Ausreden wie diese, hört sie öfters. Gerade in den höheren Klassen haben die Schüler häufig wenig Lust auf die Doppelstunde in der Turnhalle oder auf dem Sportplatz.
Die Kinder haben den ganzen Tag Unterricht, sind müde - und dann sollen sie im Kreis laufen oder über den Bock springen? "Bewegung ist so wichtig", betont Silke Woletz-Bauer. Gerade, wenn die Schüler den ganzen Tag sitzen. "Manche würden sich ohne den Sportunterricht wahrscheinlich gar nicht bewegen", befürchtet die 45-Jährige.

Beweglichkeit nimmt ab

Sie findet es schade, dass die Zehntklässler nur einmal in der Woche eine Doppelstunde Sport haben. In der Unterstufe sind es wenigstens drei Schulstunden Sport. "Das ist für sie natürlich sehr gut. Die Kleineren freuen sich, wenn sie sich mal richtig austoben können. Die kommen schon in die Halle gerannt."

Dennoch hat die Sportlehrerin den Eindruck, dass in den vergangenen Jahren die Unsportlichkeit bei den Schülern zugenommen hat. "Vor allem beim Geräteturnen und den Ballsportarten fällt das auf."

Ihr Eindruck trügt nicht. Diverse Studien belegen, dass in den vergangenen 25 Jahren die Beweglichkeit der Kinder, ihre Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer um zehn bis 15 Prozent abgenommen hat. Jedes vierte Kind einer Altersklasse ist einer Studie der Universitäten Bayreuth und Jena zufolge übergewichtig.

Die Sportlehrer versuchen deshalb, die Schüler durch andere Methoden für Bewegung zu begeistern. Statt immer nur stur die genormten Übungen am Reck zu machen, gibt es zum Beispiel "Abenteuerturnen". Die Kinder können selbst kreativ werden und überlegen, wie sie das Sportgerät nutzen.

Geräteturnen ist nach der Erfahrung von Silke Woletz-Bauer zwar eher unbeliebt bei den höheren Klassen, doch die Übungen am Reck, Barren oder Bock schulen die Koordination ungemein, weiß die 45-Jährige. "Alle Muskelgruppen werden beansprucht." Ähnlich sei das auch bei der Leichtathletik.

Doch die Sportlehrerin hat auch beobachtet, dass nicht jeder sportliche Schüler in allen Bereichen begabt ist. So können manche sehr gut Fußball spielen, bekommen aber keinen Handstand hin.

Seit Jahrzehnten Völkerball

Bei den Jüngeren ist vor allem Völkerball beliebt. "Da hat sich in 25 Jahren nichts verändert", sagt Silke Woletz-Bauer. Die Jungs spielen gerne Fußball, in den höheren Klassen ist vor allem Volleyball beliebt.

Viele Schüler lernen im Unterricht auch neue Sportarten kennen, die sie dann für sich entdecken . Sie gehen dann in Vereine oder Fitnessstudios. "Ich bin spezialisiert auf Tanz und Geräteturnen, deshalb biete ich ihnen häufig mal etwas Neues an. Zum Beispiel Volkstanz, das hat ihnen richtig Spaß gemacht. Von selbst hätten sie das wahrscheinlich nie gemacht." Auch Tae-Bo oder Zumba hat sie mit den Schülerinnen schon ausprobiert. Schon mehrfach hat sie dann gehört, dass die Schülerinnen das nun auch in ihrer Freizeit machen.

"Ich freue mich immer, wenn ich sie dazu bewegen kann, sich freiwillig sportlich zu betätigen und ihnen das dann Spaß macht", sagt die Lehrerin.

Engagement wird gelobt

Wie auch bei anderen Fächern gibt es immer auch Schüler, die weniger talentiert sind. Doch gerade beim Sport sei es wichtig, dass den Kindern Spaß durch Bewegung vermittelt wird. "Wenn sich jemand bei mir anstrengt, bekommt er ein Lob, auch wenn er unsportlich ist. Da versuche ich einfach, den Druck etwas rauszunehmen."
Außerdem versucht Silke Woletz-Bauer im Unterricht zu vermeiden, dass sich die Schüler selbstständig in Gruppen einteilen. Denn so bleiben meistens die Schwächeren am längsten auf der Bank sitzen.

In Bayern ist Sport kein Versetzungsfach. Die Note geht zwar ins Zeugnis ein, aber niemand kann deshalb sitzen bleiben. "Ich finde es insofern sinnvoll, dass ein bisschen Leistung verlangt wird. Die Schüler sollen sich anstrengen und sich eben auch mal mit Sportarten ausein andersetzen, mit denen sie sonst nicht zu tun hätten."
Silke Woletz-Bauer gibt auch Wirtschaftsunterricht. Doch beim Schulsport zeige sich am besten, wer teamfähig ist, findet die Lehrerin. "Das sind nicht unbedingt die sehr guten Schüler."