Wie sinnvoll ist das Enthornen von Kälbern?

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Mindestens 500 Grad ist der Brennstab heiß, mit dem Erwin Schwarz das Kalb enthornt. Fotos: Jan Koch
Mindestens 500 Grad ist der Brennstab heiß, mit dem Erwin Schwarz das Kalb enthornt. Fotos: Jan Koch
Das Kalb nach der Enthornung
Das Kalb nach der Enthornung
 
Der Hornansatz vor der Prozedur
Der Hornansatz vor der Prozedur
 
Hier wäre das Horn gewachsen.
Hier wäre das Horn gewachsen.
 

Landwirte enthornen Kälber, damit sie keine Menschen und sich nicht gegenseitig verletzen können. Erwin Schwarz, Kreisobmann des Bauernverbandes, sieht darin eine Notwendigkeit. Andere bezeichnen die Enthornung als Tierquälerei.

Das Kalb steht auf wackligen Beinen in seiner Box auf dem Hof von Erwin Schwarz in Burggrub. "Gut zwei Wochen ist es alt", sagt Schwarz, Kreisobmann im Bayerischen Bauernverband.

In der Hand hält er einen Brennstab. Zwischen 500 und 700 Grad wird das Metall heiß, mit dem er gleich die bislang kaum erkennbare Hornanlage auf dem Kopf des Jungtiers veröden wird. Während der Prozedur, die rund fünf Sekunden pro Hornansatz dauert, wird das Kalb festgehalten. Kleine Rauchschwaden steigen in die Luft - es macht keinen Mucks, obwohl es nicht betäubt wurde. Laut Tierschutzgesetz ist das bis zur sechsten Lebenswoche des Jungtiers erlaubt. "Das Kalb hat das nach 15 Minuten schon wieder vergessen", behauptet Schwarz. Dort, wo ohne das Brenneisen die Hörner des Kalbs gewachsen wären, prangen nun zwei 50 Centstück große Brandflecke - es wird ein hornloses Leben führen.

Für Erwin Schwarz ist das eine Notwendigkeit.
Hätten seine Rinder Hörner, bedeute das "eine riesige Verletzungsgefahr", betont er. "Wenn die Tiere ihre Hörner noch haben und sich bei einem Kampf um die Rangordnung verletzen, tut ihnen das mehr weh als die Enthornung. Die Verletzungsgefahr innerhalb der Herde ist so viel geringer." Schwarz' Argument ist für Marius Tüntus, Pressesprecher des Deutschen Tierschutzbunds, nicht nachvollziehbar. "Rinder fügen sich meist dann gegenseitig Verletzungen durch Hornstöße zu, wenn sie in zu dicht besetzten Laufställen gehalten werden und sich nicht gegenseitig ausweichen können."

"Himmel auf Erden"

Solch große Ställe werde es nicht geben können, entgegnet Erwin Schwarz, da sich selbst Wildtiere, die ausweichen können, bei Rangkämpfen verletzen. Sein Stall sei groß genug, um die Rinder artgerecht zu halten. "Im Vergleich zu früher ist der Laufstall der Himmel auf Erden", sagt Schwarz, "weil alle Funktionsbereiche wie Fressen, Liegen und Melken komplett getrennt sind." Früher, damit meint er die Ära der Anbinde ställe, in denen sich die Kühe kaum rühren konnten. Heute sind die Anbindeställe in der Minderzahl, da die Landwirte im Landkreis Kronach seit den 70er Jahren vermehrt auf den Laufstall setzen: Laut Erwin Schwarz machten sie zwischenzeitlich rund 70 Prozent aller Ställe aus. Mit dem Freilauf kam auch die Enthornung.

Nicht nur vor der Verletzungsgefahr innerhalb der Herde sorgen sich die Landwirte. "Wir Landwirte arbeiten mit den Tieren und sind in den Ställen. In Deutschland haben wir jährlich zirka 200 schwere Unfälle mit Rindern. Ich persönlich habe größeren Respekt vor einem Tier mit Hörnern." Marius Tüntus hält das Verletzungsrisiko für gering, "wenn die Rinder Vertrauen zu den Menschen haben, die sie betreuen". Erwin Schwarz betont, dass die Tiere ihn auch unabsichtlich verletzten könnten. "Die Kuh will sich vielleicht einfach nur lecken, schmeißt ihren Kopf nach hinten und schon hat man die Hörner im Rücken, wenn man vorbeiläuft", erklärt er.

Keinen Schmerz gibt es nicht

Erwin Schwarz ist von der Enthornung überzeugt, Marius Tüntus empfindet sie als Tierquälerei. "Für das Kalb ist das sehr schmerzhaft, denn das Horn und die darunter liegenden Hautschichten sind gut durchblutet und mit Nerven durchzogen." Wie stark das Schmerzempfinden des Kalbs ist, kann Hubert Schmittnägel, Tierarzt in Kronach, nicht genau einschätzen. "Beim Kalb ist das Schmerzempfinden im Vergleich zum ausgewachsenen Rind noch nicht so ausgebildet, aber dass man sagt, es sei kein Schmerz vorhanden, das gibt es nicht. Die Schmerzempfindung ist, durch die Evolution bedingt, genetisch festgelegt und dient dazu, den Körper vor Schaden zu schützen."

Enthornen wollen sie weiter, aber gegen schmerzausschaltende Medikamente hätten die Landwirte nichts, unterstreicht Erwin Schwarz. Solange die Landwirte den Tieren ein Präparat selbst verabreichen dürfen. Sollte hierfür ein Tierarzt gerufen werden müssen, sei das "nicht praxistauglich" - zu wenige gebe es davon im Landkreis, um verlässliche Termine vereinbaren zu können.