Wie ging es bei den Schlecker Mitarbeiterinnen weiter?

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Andrea Limmer zerknüllt die letzte Schlecker-Tüte. Foto: Vanessa Schneider
Andrea Limmer zerknüllt die letzte Schlecker-Tüte. Foto: Vanessa Schneider

Die Insolvenz der Drogeriekette vor gut einem Jahr schockte die Verkäuferin Andrea Limmer aus Burkersdorf. Nach 16 Jahren musste sie sich einen neuen Job suchen. Das hat bei ihr schnell geklappt. Andere hatten weniger Glück.

Andrea Limmer fühlt sich unwohl in der weißen Schürze. "Wie eine Oma", sagt die 38-Jährige und zieht ihre ehemalige Arbeitskleidung gleich wieder aus. Eine der schickeren Schürzen sei es. Daraufhin muss Limmer lachen und den Kopf schütteln. Sie kann kaum noch glauben, dass sie die und andere Exemplare über die Hälfte ihres Jahres täglich getragen hat. Vor fast einem Jahr, am 1. April, war nach 16 Jahren plötzlich Schluss damit. Die Schürzen blieben im Schrank, Andrea Limmer war arbeitslos. Die Verkäuferin aus Burkersdorf war eine von 25 000 Mitarbeitern der Drogeriekette Schlecker, die im Januar 2012 Insolvenz anmeldete. Wenige Monate später schlossen bundesweit die Filialen. In Stadt und Landkreis Kronach waren das insgesamt 15. Vom einen auf den anderen Tag räumten die Mitarbeiter, überwiegend Frauen, keine Regale mehr ein; sie schrieben Bewerbungen.


Ein Schock! Limmer wurde Opfer der ersten Entlassungswelle. Am 28. März bekam sie per Post mitgeteilt, dass ihr zum 30. Juni gekündigt wird. Einen Tag später erreichte sie ein weiteres Schreiben: Freistellung zum 31. März.

Vermutlich ist es ihr Glück gewesen, dass sie so früh entlassen worden ist, denn gerade die Mitarbeiterinnen aus der zweiten "Welle" haben große Probleme etwas Neues zu finden. Noch immer sucht die Hälfte der gekündigten Verkäuferinnen nach einem neuen Job. Andere nahmen Arbeitsstellen an, die ihre Existenz sichern, aber über die sie unglücklich sind. Auch in Limmers Bekanntenkreis gibt es solche Fälle. Sie erzählt von schlechter Bezahlung und miesen Arbeitszeiten.

Limmer aber hatte Glück. Nach ihrer Kündigung schrieb sie Bewerbungen. 16 Jahre musste sie keinen Lebenslauf verfassen oder ein Anschreiben formulieren. Doch es gelang ihr. Gleich mehrere Jobs wurden ihr angeboten. Drei Wochen nach der Kündigung nahm sie einen Job in einem großen Supermarkt in Burgkunstadt an. Sie wird weitergebildet, hat Trubel um sich herum. Das gefällt ihr.

Schlecker? "Ich vermisse es nicht." Dennoch möchte sie eines klarstellen. Die Schlagzeilen über Schlecker konnte sie persönlich nie bestätigen. "Wenn wir uns nicht wohl gefühlt hätten, wären wir sonst so lange bei Schlecker geblieben? Es ging uns eigentlich nicht schlecht. Wir waren unser eigener Herr." Der Lohn sei pünktlich überwiesen worden und sei immer genug gewesen, um davon zu leben.

Erst in den letzten Jahren habe sich vieles verändert. Oft sei sie alleine im Laden gewesen. Ohne Kollegen und vor allem ohne Kunden. Sie habe sich unterfordert gefühlt, habe aus Langeweile den ganzen Tag den Laden geputzt. Die Regale haben unmodern und billig gewirkt. Es wurde sichtbar nicht mehr viel investiert, schildert Limmer. Die Motivation habe nachgelassen. Drei Jahre vor der Pleite habe es immer wieder Vorfälle gegeben, die die Mitarbeiterinnen tuscheln ließen. "Wir waren uns sicher: Da ist was im Busch." Bestellte Waren seien einfach nicht geliefert, die Lücken in den Regalen immer größer geworden. Oft sollten sie den Lagerbestand abbauen. "Man hat die Insolvenz gespürt." Die Konsequenz hatten natürlich die Verkäuferinnen zu tragen, denn sie mussten den Kunden erklären, dass sie nicht wüssten, wann die Ware wieder eintreffen werde. Doch von offizieller Seite gab es nie eine Auskunft. "Es wurde bis zum Schluss verheimlicht. Das war nicht schön."


Starke Konkurrenten

Doch bis zur Bekanntgabe der Insolvenz hatte Limmer nie mit dem Gedanken gespielt, sich eine neue Arbeitsstelle zu suchen. Die 16 Jahre Betriebszugehörigkeit wollte sie nicht einfach so wegwerfen. Sie hoffte, dass ihre Filiale zu einem XL-Markt ausgebaut wird, denn die Fläche wäre vorhanden gewesen. Doch es tat sich nichts. Zudem musste sie immer wieder feststellen, wie unmodern Schlecker im Vergleich zur Konkurrenz gewesen sei. Veraltete Kassensysteme, alte Regale - es sei nicht mehr zeitgemäß gewesen. Der neue Slogan verjüngte das Image auch nicht. Die Verkäuferinnen machten sich nach der Insolvenz darüber lustig. "Wir haben immer gesagt: For you. Vor Ort. Für immer fort."
Aus ihrer Filiale wurde ihr als erste gekündigt. "Ich denke mit dem Sozialplan lief das auch nicht so sauber." Limmer hat zwei Kinder und war 16 Jahre dabei. Jüngere Kolleginnen mit weniger Kindern haben vorerst keine Kündigung bekommen. "Es war wie eine Lotterie: Wer wird entlassen?" Das einzige, was sie ärgert ist, dass sie keinerlei Abfindung erhalten hat. "Wo bleibt da die Wertschätzung?" Dagegen hat sie geklagt. Die Briefe vom Insolvenzberater schickt sie gleich weiter. Schlecker - eine Sache für ihren Anwalt. Auf der Arbeit trägt Limmer nun eine Bluse, sie fühlt sich wohl und atmet tief durch. Das Kapitel Schlecker ist für sie abgeschlossen.