Wellmanns Nachfolger gesucht: Wer erklimmt die Festung Rosenberg?

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Heißer als momentan kann die Gerüchteküche wohl kaum brodeln: Lange soll es aber nicht mehr dauern, ehe der neue künstlerische Leiter feststeht. Fotos: Archiv / Collage: Dagmar Klumb
Heißer als momentan kann die Gerüchteküche wohl kaum brodeln: Lange soll es aber nicht mehr dauern, ehe der neue künstlerische Leiter feststeht. Fotos: Archiv / Collage: Dagmar Klumb

Ende Oktober soll das neue Team der Rosenberg-Festspiele präsentiert werden. Inklusive des Nachfolgers von Heidemarie Wellmann.

Hamlet. Dritter Aufzug, erste Szene: Sein oder Nichtsein? Wahrscheinlich ist es die berühmteste Frage der Theatergeschichte. Gut, abgesehen vielleicht von der, die Goethe sein Gretchen äußern lässt. Doch die stellt sich für die Rosenberg-Festspiele gerade nicht. Denn ähnlich wie der Prinz von Dänemark in William Shakespeares Bühnenstück stehen die erst vor einem Jahr neu gegründeten Festspiele vor einer wahrscheinlich existenziellen Entscheidung.

Eine Spielzeit nachdem der Vertrag des langjährigen Indentdanten Daniel Leistner nicht verlängert wurde, war es nun seine Nachfolgerin Heidemarie Wellmann, die auf ihre Unterschrift unter einen neuen Kontrakt verzichtete - ein Szenario, das sich die Stadt wenige Wochen zuvor so wohl nicht vorstellen konnte.
Schließlich erklärte erklärte Bürgermeister Wolfgang Beiergrößlein (FW) schon wenige Tage nach der letzten Vorstellung, gerne mit Wellmann als künstlerischer Leiterin weitermachen zu wollen. Doch der fehlte die Rückendeckung und war auch sonst nicht ganz damit zufrieden, wie es bei den neuen Festspielen hinter den Kulissen so zugeht.


Die wichtigste Entscheidung

Schon die nahe Zukunft wird zeigen, ob die Stadt - wie Hamlet in seinem Monolog - Scheu vor entschlossenem Handeln zeigt. Denn die Zeit drängt. Die Stücke der kommenden Spielzeit müssen festgelegt, Kostüme geplant und Schauspieler gebucht werden. Spätestens Mitte November soll der neue Spielplan vorgestellt werden. "Am besten natürlich baldmöglichst", sagt Kerstin Löw, die Leiterin des Kronacher Tourismusbüros, das für die Organisation der Festspiele zuständig ist.

Doch die wichtigste Entscheidung soll schon davor getroffen werden. Genauer gesagt: vor dem 24. Oktober. "Zur kommenden Stadtratssitzung werden wir unser Team vorstellen", sagt Löw. Dass bis dahin schon jeder Posten vergeben ist, könne sie zwar nicht garantieren, "aber der der künstlerischen Leitung auf jeden Fall". Derzeit würden weiterhin Bewerbungsgespräche laufen.

Die Verantwortlichen stehen derweil vor einem Dilemma. Einerseits ist auf der Suche Eile geboten, andererseits muss der nächste Schuss sitzen. Ein weiteres Jahr Theater rund ums Theater kann und möchte sich die Stadt wohl kaum erlauben.


Der hypothetische Fall

Dem Vernehmen nach sehnen sich sowohl auf als auch neben der Bühne alle nach Kontinuität und Ruhe. "Das Theater in Kronach ist schon etwas Besonderes; in der Art, wie es aus der Stadt heraus gewachsen ist", sagt der Schauspieler Hardy Kistner. "Aber letztlich passieren dort die gleichen Dinge wie in jedem anderen Stadttheater auch. Allerdings mit dem Unterschied, dass sie an anderen Theatern nicht nach außen getragen werden."

Der Berliner war in der gerade zu Ende gegangenen Spielzeit Ensemble-Mitglied, verfolgte die Geschehnisse auf der Festung so hautnah - und gilt als ein möglicher Nachfolger Wellmanns. Im Gespräch mit unserer Zeitung zeigte er sich überrascht, dass sein Name offenbar in den Ring geworfen wurde. Von der Stadt Kronach habe sich bei ihm jedenfalls noch niemand gemeldet. Im hypothetischen Fall sei aber alles offen: "Man muss einfach miteinander sprechen. Desinteresse klingt anders. Mehr könne er dazu aber nicht sagen. "Es ist schwierig, Leute zu fragen, wie die Suppe schmeckt, wenn man noch gar nicht angefangen hat, zu kochen", scherzt Kistner.

Definitiv kein Kandidat auf Wellmanns ehemaligen Posten ist Uli Scherbel. Der bundesweit gefragte Musicaldarsteller erteilt seiner Heimatstadt allein schon aus organisatorischen Gründen einen Korb. "Ich bin bis weit in den Sommer ausgebucht", erklärt er. "Jetzt spiele ich in Hamburg, dann in Bregenz." Scherbel findet es bedauerlich, was in Kronach mit den Festspielen passiert. Es gebe dort viele talentierte Personen, die gerne bei den Festspielen wirken würden.


Es dampft und brodelt

Immer wieder fällt dagegen der Name Ulrike Mahr. Die Schauspielerin und Regisseurin lenkte in den ersten Jahren zusammen mit Leistner die damaligen Faust-Festspiele. Nun könnte es zu einer Rosenberg-Rückkehr kommen. Was sie allerdings weder bestätigen noch dementieren konnte, da sie für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war.

Quintessenz: Noch dampft und brodelt es eifrig in der Gerüchteküche. Glaubt man ersten Geschmacksproben, die nach außen dringen, könnte es auf einen Namen hinauslaufen, der in Kronach kaum bekannt ist.
Doch kommen wir lieber zurück zu den Fakten. Denn definitiv fest steht derzeit nur, dass die Karten für die dann hoffentlich bekannten kommenden Stücke wie gewohnt ab dem ersten Advent in den Vorverkauf kommen. Dem Weihnachtsgeschäft sei Dank.

Kommentar von Marian Hamacher: Bloß kein graues Mittelmaß

Zu beneiden sind die Entscheidungsträger der Rosenberg-Festspiele derzeit sicher nicht. Anstatt in Ruhe auf die Suche nach neuen Stücken und den dazu passenden Schauspielern gehen zu dürfen, stehen sie vor den Scherbenhaufen eines PR-Desasters. Anders ist das, was durch die Art und Weise von Heidemarie Wellmanns Rücktritt sowie die darauf folgenden Reaktionen passierte, wohl kaum zu bezeichnen.

Dabei hätte nicht viel gefehlt und alle hätten einen ruhigen Herbst erlebt. Vielleicht unterbrochen von gegenseitigem Schulterklopfen. Denn inhaltlich war den neugegründeten Festspielen wenig bis nichts vorzuwerfen. Wellmann gelang es in kurzer Zeit, Profi- und Laiendarsteller auf der Bühne zu einem Ensemble zu vereinen, das auf einem äußerst hohen Niveau agierte.

Doch die nötige Ruhe - auch aus den Reihen der Organisatoren - fehlte offenbar. Das muss sich schleunigst ändern. Wellmanns Nachfolgerin oder Nachfolger muss Raum erhalten, sich zu entfalten, die eigenen Vorstellungen umzusetzen. Auch wenn die dann vielleicht nicht jedem gefallen. Kompromisslösungen sind in der Politik zwar fast zwingend nötig, führen in der Kunst aber oft zu grauem Mittelmaß - und daran ist in Kronach wohl niemandem gelegen.

Inwieweit in der jüngeren Festspiel-Vergangenheit persönliche Animositäten zu den personellen Entscheidungen führten, ist ebenso unklar wie der Name des neuen künstlerischen Leiters.

Doch vielleicht muss bei den persönlichen Befindlichkeiten der Hebel angesetzt werden: Ein neuer unverbrauchter Name. Eine Person, die Zeit hat, sich ein genaues Bild zu machen und jedem unvoreingenommen gegenübersteht. Das könnte der richtige Weg sein, das zu bekommen, was den Festspielen fehlt: Ruhe und Kontinuität.