Am Donnerstag wurde vor der Großen Jugendkammer in Coburg der Prozess gegen einen 19-Jährigen aus dem Landkreis Kronach wegen versuchten Mordes fortgesetzt.
Bei der umfangreichen Zeugenvernehmung stand dieses Mal unter anderem die Aussage einer jungen Frau im Blickpunkt. Sie war zur Tatzeit die neue Freundin des Angeklagten. "Er war wie aufgelöst. Er hat geweint, geschluchzt und am ganzen Körper gezittert", schilderte sie das Eintreffen des 19-Jährigen kurz nach der Tat. Ihrer Ansicht nach war ihr damaliger Freund zu ihr gekommen, um sich zu verabschieden. "Er konnte sich ja vorstellen, dass er irgendwelche Folgen zu erwarten hat."
Wie es andere Zeugen zuvor schon geschildert hatten, so hatte auch sie den 19-Jährigen nach der Tat erlebt: Er habe ihr vom Sex seines Opfers mit seiner "Ex" erzählt. "Er habe das gesehen, und plötzlich habe das Messer im anderen gesteckt", zitierte sie ihn. Für den Dolchstoß selbst habe er auch ihr gegenüber keine Erklärung gehabt.
Kurze Zeit vorher habe sie bei einer Feier keine Wut des Angeklagten auf seine "Ex" und das Opfer verspürt. Ihre ganze Clique habe vielmehr "vielleicht zehn Minuten lang Witze über sie gerissen", blickte sie zurück. "Mein damaliger Freund hat mitgemacht, er ist dabei aber nicht aggressiv geworden." Danach sei das Thema wieder vom Tisch gewesen.
Neuer Aspekt Die weitere Aussage der jungen Frau warf allerdings ein anderes Licht auf die Hintergründe der Geschehnisse, als es die vorherigen Angaben der Zeugen getan hatten. Angeblich hatte der 19-Jährige ja einen Freund an den Tatort begleitet, um ihm einen Gefallen zu tun und ein paar Takte mit dem später Niedergestochenen zu reden. Der Freund hatte nämlich selbst ein Auge auf die "Ex" des 19-Jährigen geworfen.
Die Zeugin sagte jedoch aus, dass das Verhältnis des Angeklagten zu diesem Freund in den Wochen und sogar in den letzten Tagen vor der Tat getrübt gewesen sei. "Irgendwie haben alle Stress miteinander gehabt, soweit ich mitbekommen habe", beschrieb sie die Situation zwischen allen Beteiligten an diesem Beziehungsdrama.
"Er hat sich in manchen Situationen gegen mich gestellt", gab der Angeklagte nun zu, dass es Probleme zwischen den beiden Freunden gegeben hatte. Auch der als Nebenkläger auftretende Niedergestochene bestätigte einen zeitweisen Bruch zwischen den beiden Kumpels. Das habe sich mit der Zeit aber wieder normalisiert. "Sie waren halt nicht mehr die besten Freunde", war sein Eindruck.
SMS kontrolliert Eine polizeiliche Auflistung der SMS vom und an den Angeklagten stellte dessen Auftreten vor Gericht plötzlich ebenfalls in Frage. "Er hatte die Beziehung noch nicht verarbeitet. Die Gefühle waren noch da", bilanzierte Richter Gerhard Amend mehrere Kurzmitteilungen, in denen sich der Angeklagte über seine Ex-Freundin geäußert hatte - auch noch kurz vor der Tat. Und Amend schimpfte, dass sich der 19-Jährige dem Gericht nicht geöffnet habe: "Er meinte, hier einen Coolen mimen zu müssen."
In der Folge gab der Angeklagte eine Erklärung ab. Er räumte ein, dass man lockere Sprüche auf der eigenen Feier losgelassen und mit den Deko-Messern herumgespielt habe. Später sei sein Freund völlig aufgewühlt aufgetaucht und habe entsetzt vom Sex bei der anderen Party berichtet. "Dem besorgen wir es mal richtig, das kann er so nicht bringen", habe der Freund über das Opfer geschimpft. "Da ist das Ganze in mir wieder hochgekommen", stellte der 19-Jährige fest, sich an den eigenen Beziehungsstress mit seiner "Ex" erinnert zu haben. Darauf habe er dem Opfer die Leviten lesen wollen.
"Goldene Brücken" Knackpunkt in der Verhandlung blieb jedoch die Frage nach dem Deko-Messer. "Ich weiß nicht mehr, wann ich es herausgezogen habe. Ich weiß nur noch, dass ich damit zugestochen habe", sagte der 19-Jährige hierzu. Eingesteckt habe er es womöglich sogar schon früher am Abend - und auf keinen Fall bewusst für die Tat.
Richter Gerhard Amend und Oberstaatsanwältin Ursula Haderlein schüttelten den Kopf. "So kommen wir nicht weiter", kommentierten sie zwischendurch mehrfach die Aussagen des Angeklagten, die in ihren Augen nur den neuen Zeugenaussagen angepasst worden seien. Die Oberstaatsanwältin hob hervor, dass der Angeklagte die ihm gebauten "goldenen Brücken" wieder einmal nicht nutze.