Vor 50 Jahren: Sieben Menschen sterben im Steinbruch

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Alexandra Holm, Enkelin der damaligen Steinbruch-Chefin blickt auf die Ereignisse zurück. Foto: Jan Koch
Alexandra Holm, Enkelin der damaligen Steinbruch-Chefin blickt auf die Ereignisse zurück. Foto: Jan Koch
Grauwackenstein wurde in Förtschendorf abgebaut.
Grauwackenstein wurde in Förtschendorf abgebaut.
 
Im Steinbruch packte Änne Becker selbst mit an. Typisch für sie war ihr Hut, ...
Im Steinbruch packte Änne Becker selbst mit an. Typisch für sie war ihr Hut, ...
 
... dem man den Unfall deutlich ansieht.
... dem man den Unfall deutlich ansieht.
 
Änne Becker musste sich als Chefin im Steinbruch in einer Männerwelt durchsetzen.
Änne Becker musste sich als Chefin im Steinbruch in einer Männerwelt durchsetzen.
 
Die Aufnahme entstand nach dem Unglück am 21. März 1963.
Die Aufnahme entstand nach dem Unglück am 21. März 1963.
 
Alexandra Holms Vater (rechts) war Sprengmeister im Steinbruch. Er blieb damals unverletzt.
Alexandra Holms Vater (rechts) war Sprengmeister im Steinbruch. Er blieb damals unverletzt.
 
Eine Luftaufnahme vom Steinbruch.
Eine Luftaufnahme vom Steinbruch.
 
Unter diesem Bagger wurde Änne Becker begraben. Das habe ihr Leben gerettet, war sie überzeugt.
Unter diesem Bagger wurde Änne Becker begraben. Das habe ihr Leben gerettet, war sie überzeugt.
 
Eine Detailaufnahme des Baggers.
Eine Detailaufnahme des Baggers.
 
Sieben Menschen starben durch das Unglück in Förtschendorf.
Sieben Menschen starben durch das Unglück in Förtschendorf.
 
Eine noble Frau sei Änne Becker gewesen - außerhalb des Steinbruchs.
Eine noble Frau sei Änne Becker gewesen - außerhalb des Steinbruchs.
 

Vor 50 Jahren starben sieben Arbeiter im Förtschendorfer Steinbruch. Auch Chefin Änne Becker wurde verschüttet, überlebte aber schwer verletzt. Ihre Enkelin Alexandra Holm erzählt von einer kämpferischen Frau.

Die ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg waren schwer für Änne Becker aus Förtschendorf: Ihr Mann starb im Konzentrationslager Buchenwald. Zurück blieb eine Frau Anfang 40, die sich um einen Steinbruch kümmern sollte. Eine Aufgabe, in die sie hineinwuchs, sich für nichts zu schade war und sich die Hände schmutzig machte.
Alexandra Holm, Änne Beckers Enkelin, sitzt an einem alten Tisch in dem Haus in Förtschendorf, das ihre Großmutter gebaut hat. Vor ihr liegen einige Schwarz-Weiß-Bilder.



Große Ringe und Hüte waren Änne Beckers Markenzeichen. Hinzu kam ein Faible für Limousinen aus Stuttgart. "Sie war sehr nobel, wenn sie weggegangen ist, aber nicht im Steinbruch", erzählt Alexandra Holm. Sie zeigt auf ein Bild und sagt: "Das ist typisch für meine Oma", wie sie auf dem "Moggerla", einer kleinen Lokomotive, sitzt, mit der sie die Steine zum Bahnhof gefahren hat.
"Oma war mit dem Steinbruch verheiratet."

Unglück geschah um 15.30 Uhr

In dieser Ehe gab es allerdings nicht nur gute Tage. Im Gegenteil - bis heute wird sie von einem Datum überschattet: Dem 21. März 1963. Es war erst der dritte Tag nach der Winterpause, als wieder Leben in den Steinbruch einkehrte. Sieben Männer und Änne Becker arbeiteten daran, den begehrten Grauwackenstein abzubauen, als gegen 15.30 Uhr eine 120 Meter lange und 40 Meter hohe Felswand über ihnen zusammenbrach. Die Ursache war Wasser, das in eine tief gelegene Lehmschicht des Schotterbergs eingedrungen war.

Wenige Minuten später klingelte bei Alexandra Holms Mutter das Telefon. "Meine Mutter hat einen Anruf bekommen, dass ein Unglück geschehen ist und alle tot sind." Die lief sofort zum Steinbruch, um nach ihrer Mutter zu sehen. Und nach ihrem Mann, der dort als Sprengmeister arbeitete.

Alexandra Holms Vater ist nichts passiert, allerdings wurde Änne Becker schwer verletzt. "So schwer", sagt Alexandra Holm, "dass meine Mutter meine Oma gar nicht mehr erkannt hat. An der Wirbelsäule war alles kaputt, und sie hatte viele Kopfverletzungen." Ihr Glück sei ein Bagger gewesen. "Der hat ihr das Leben gerettet, das hat sie immer gesagt. Er hat die ganzen Steine abgehalten."

Um nach den anderen Verschütteten zu suchen, kamen Helfer aus ganz Oberfranken nach Förtschendorf. Sogar eine amerikanische Pioniereinheit aus Bamberg half. Nach und nach wurden die Männer tot geborgen. Die letzten drei erst sieben Monate später.

Kämpfernatur kehrt zurück

Das Unglück war ein harter Schlag; für die Angehörigen der Toten und auch für Änne Becker, die ein halbes Jahr im Kronacher Krankenhaus lag. Danach gab es für sie nur einen Weg: zurück in ihren Steinbruch. "Sie war eine Kämpfernatur", betont Alexandra Holm.Doch das Geschäft lief schlecht und die Versicherung zahlte nicht für den Schaden, den das Unglück verursacht hatte. Nach rund zehn Jahren, inzwischen im Rentenalter, verkaufte Änne Becker ihr Unternehmen. Dass sie traumatisiert gewesen sein könnte, davon hat Alexandra Holm nichts bemerkt. Nur eines: "Was ihr nie aus dem Kopf gegangen ist, waren die toten Mitarbeiter."

Wenn Alexandra Holm heute spazieren geht und den inzwischen stillgelegten Steinbruch sieht, hat sie "gemischte Gefühle". Einerseits, war er die große Leidenschaft der Großmutter, andererseits wäre er fast zu deren Grab geworden. So wie für sieben andere Menschen, die heute vor 50 Jahren unter den Geröllmassen starben.