Volkstrauertag wird in Welitsch zum Freudentag

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Georg Konrad mit der Zeitung vom 20. November 1989, in der über die Öffnung der Grenze bei Heinersdorf berichtet wurde. Fotos: Friedwald Schedel
Georg Konrad mit der Zeitung vom 20. November 1989, in der über die Öffnung der Grenze bei Heinersdorf berichtet wurde.  Fotos: Friedwald Schedel
Der damalige Pressiger Bürgermeister Georg Konrad (rechts) im Gespräch mit seiner Heinersdorfer Kollegin Marlies Plessney und ihrem Mann. Links ein DDR-Grenzsoldat. Foto: Archiv
Der damalige Pressiger Bürgermeister Georg Konrad (rechts) im Gespräch mit seiner Heinersdorfer Kollegin Marlies Plessney und ihrem Mann. Links ein DDR-Grenzsoldat.  Foto: Archiv
 
Am Sperrbalken war auf der Straße Richtung Heinersdorf bis zum 19. November 1989 Ende der Fahrt. Foto: Archiv
Am Sperrbalken war auf der Straße Richtung Heinersdorf bis zum 19. November 1989 Ende der Fahrt.  Foto: Archiv
 
In den ehemaligen Grenzabfertigungsbaracken ist eine Gedenkstätte untergebracht.
In den ehemaligen Grenzabfertigungsbaracken ist eine Gedenkstätte untergebracht.
 
Blick auf Grenzabsperrung und Mauer bei Heinersdorf Foto: Archiv
Blick auf Grenzabsperrung und Mauer bei Heinersdorf Foto: Archiv
 
Funktionsträger aus Bayern und Thüringen saßen am 19. November 1989 in einer Wirtschaft in Pressig zusammen. Foto: Archiv
Funktionsträger aus Bayern und Thüringen saßen am 19. November 1989 in einer Wirtschaft in Pressig zusammen. Foto: Archiv
 
Bürgermeister Georg Konrad und seine Judenbacher Kollegin Trott Foto: Archiv
Bürgermeister Georg Konrad und seine Judenbacher Kollegin Trott  Foto: Archiv
 
Bürgermeister Georg Konrad und seine Judenbacher Kollegin Trott sowie Altbürgermeister Josef Wich und Gemeinderat Barnickel (von rechts) Foto: Archiv
Bürgermeister Georg Konrad und seine Judenbacher Kollegin Trott sowie Altbürgermeister Josef Wich und Gemeinderat Barnickel (von rechts) Foto: Archiv
 
Der Musikverein spielte am Volkstrauertag an der Grenze. Foto: Archiv
Der Musikverein spielte am Volkstrauertag an der Grenze. Foto: Archiv
 
Menschenmassen am 19. November 1989 au der Grenze bei Heinersdorf Foto: Archiv
Menschenmassen am 19. November 1989 au der Grenze bei Heinersdorf Foto: Archiv
 
Die Welitscher winkten den Heinersdorfern, die zum Metallgitterzaun drängten, zu. Foto: Archiv
Die Welitscher winkten den Heinersdorfern, die zum Metallgitterzaun drängten, zu.  Foto: Archiv
 
Feier mit Theo Waigel am 17. Juni 1990 im Festzelt an der Grenze bei Heinersdorf. Theo Waigel war Redner bei der Kundgebung am 17. Juni 1989 an der Grenze und kam am Jahrestag gerne wieder. Foto: Archiv
Feier mit Theo Waigel am 17. Juni 1990 im Festzelt an der Grenze bei Heinersdorf. Theo Waigel war Redner bei der Kundgebung am 17. Juni 1989 an der Grenze und kam am Jahrestag gerne wieder.  Foto: Archiv
 
Da gab es noch kein Durchkommen. Das Bild entstand kurz vor der Grenzöffnung. Foto: Archiv
Da gab es noch kein Durchkommen. Das Bild entstand kurz vor der Grenzöffnung. Foto: Archiv
 
Foto: Archiv
Foto: Archiv
 
Modell der Grenzanlagen bei Heinersdorf. Der rot-weiße Sperrbalken müsste eigentlich hinter der Wegeabzweigung sein. Foto: Friedwald Schedel
Modell der Grenzanlagen bei Heinersdorf. Der rot-weiße Sperrbalken müsste eigentlich hinter der Wegeabzweigung sein. Foto: Friedwald Schedel
 
Modell der Grenzanlagen Foto: Friedwald Schedel
Modell der Grenzanlagen  Foto: Friedwald Schedel
 
Postkarte von der Grenze bei Heinersdorf Foto: Archiv
Postkarte von der Grenze bei Heinersdorf Foto: Archiv
 
Das Modell des Grenzverlaufs in der Gedenkstätte Welitsch-Heinersdorf. Der weißblaue Pfahl zeigt den tatsächlichen Grenzverlauf, die Mauer war zig Meter zurückversetzt. Foto: Friedwald Schedel
Das Modell des Grenzverlaufs in der Gedenkstätte Welitsch-Heinersdorf. Der weißblaue Pfahl zeigt den tatsächlichen Grenzverlauf, die Mauer war zig Meter zurückversetzt. Foto: Friedwald Schedel
 
Die Sperranlagen bei Heinersdorf wurden detailgetreu nachgebildet. Foto: Friedwald Schedel
Die Sperranlagen bei Heinersdorf wurden detailgetreu nachgebildet. Foto: Friedwald Schedel
 
Die Sperranlagen bei Heinersdorf wurden detailgetreu nachgebildet. Foto: Friedwald Schedel
Die Sperranlagen bei Heinersdorf wurden detailgetreu nachgebildet. Foto: Friedwald Schedel
 
Die DDR-Flagge in der Gedenkstätte Foto: Friedwald Schedel
Die DDR-Flagge in der Gedenkstätte Foto: Friedwald Schedel
 
Die Grenzsicherungsanlagen waren gestaffelt. Der weiß-blaue Pfahl steht exakt auf der Grenze, der schwarz-rot-goldene Betonpfahl der DDR war zurückversetzt, damit das Emblem nicht gestohlen werden konnte.
Die Grenzsicherungsanlagen waren gestaffelt. Der weiß-blaue Pfahl steht exakt auf der Grenze, der schwarz-rot-goldene Betonpfahl der DDR war zurückversetzt, damit das Emblem nicht gestohlen werden konnte.
 
Die DDR-Grenzer konnten durch die Schlitze in der Betonkanzel schauen. Das Bild zeigt die Ost-Seite... Foto: Friedwald Schedel
Die DDR-Grenzer konnten durch die Schlitze in der Betonkanzel schauen. Das Bild zeigt die Ost-Seite...  Foto: Friedwald Schedel
 
... und dieses Bild die West-Seite. Foto: Friedwald Schedel
... und dieses Bild die West-Seite. Foto: Friedwald Schedel
 
Gedenkstein für die Opfer Foto: Friedwald Schedel
Gedenkstein für die Opfer Foto: Friedwald Schedel
 
Foto: Friedwald Schedel
Foto: Friedwald Schedel
 
Gedenkstein an die Grenzöffnung Foto: Friedwald Schedel
Gedenkstein an die Grenzöffnung Foto: Friedwald Schedel
 
Georg Konrad hat die Zeitung vom 20. November 1989 aufgehoben. Foto: Friedwald Schedel
Georg Konrad hat die Zeitung vom 20. November 1989 aufgehoben. Foto: Friedwald Schedel
 
Foto: Friedwald Schedel
Foto: Friedwald Schedel
 
Foto: Friedwald Schedel
Foto: Friedwald Schedel
 
Foto: Friedwald Schedel
Foto: Friedwald Schedel
 
Die Gedenkstätte befindet sich in den ehemaligen DDR-Grenzabfertigungsanlagen. Foto: Friedwald Schedel
Die Gedenkstätte befindet sich in den ehemaligen DDR-Grenzabfertigungsanlagen. Foto: Friedwald Schedel
 
Die Flusssperre im Tettaubach Foto: Friedwald Schedel
Die Flusssperre im Tettaubach Foto: Friedwald Schedel
 
Die Flusssperre im Tettaubach Foto: Friedwald Schedel
Die Flusssperre im Tettaubach Foto: Friedwald Schedel
 
Reste des Autosperrgrabens kurz vor der Grenze auf Thüringer Seite Foto: Friedwald Schedel
Reste des Autosperrgrabens kurz vor der Grenze auf Thüringer Seite  Foto: Friedwald Schedel
 
Die Mauer auf Heinersdorfer Seite Foto: Friedwald Schedel
Die Mauer auf Heinersdorfer Seite  Foto: Friedwald Schedel
 
Die Mauer Welitscher Seite - sie stand aber zig Meter auf DDR-Gebiet. Foto: Friedwald Schedel
Die Mauer Welitscher Seite - sie stand aber zig Meter auf DDR-Gebiet. Foto: Friedwald Schedel
 
Im Fränkischen Tag vom 20. November 1989 erschien ein großer Bericht über die Grenzöffnung vom Vortag. Foto: Friedwald Schedel
Im Fränkischen Tag vom 20. November 1989 erschien ein großer Bericht über die Grenzöffnung vom Vortag. Foto: Friedwald Schedel
 
Blick durch die Sehschlitze der DDR-Beobachtungskanzel zur Gedenkstätte Heinersdorf/Welitsch Foto: Friedwald Schedel
Blick durch die Sehschlitze der DDR-Beobachtungskanzel zur Gedenkstätte Heinersdorf/Welitsch Foto: Friedwald Schedel
 
In Scharen strömten die Heinersdorfer Richtung Pressig. An der Grenze wurden sie willkommen geheißen und auf die Auszahlung des Begrüßungsgelds im Rathaus sowie auf die Öffnung der Geschäfte sogar am Samstag und Sonntag hingewiesen. Foto: Archiv
In Scharen strömten die Heinersdorfer Richtung Pressig. An der Grenze wurden sie willkommen geheißen und auf die Auszahlung des Begrüßungsgelds im Rathaus sowie auf die Öffnung der Geschäfte sogar am Samstag und Sonntag hingewiesen.  Foto: Archiv
 
"Macht das Tor auf!",, forderten die Welitscher am 19. November 1989. Foto: Archiv
"Macht das Tor auf!",, forderten die Welitscher am 19. November 1989. Foto: Archiv
 
Die Offiziellen aus dem Kreis Kronach erwarteten die Gäste aus der DDR. Das Bild zeigt (von rechts) Hans Möckl, Werner und Claudia Schnappauf, Rudi Daum sowie Georg Konrad (links). Foto: Archiv
Die Offiziellen aus dem Kreis Kronach erwarteten die Gäste aus der DDR. Das Bild zeigt (von rechts) Hans Möckl, Werner und Claudia Schnappauf, Rudi Daum sowie Georg Konrad (links). Foto: Archiv
 
Die Heinersdorfer Bürgermeisterin Plessney und ihr Pressiger Kollege Georg Konrad Foto: Archiv
Die Heinersdorfer Bürgermeisterin Plessney und ihr Pressiger Kollege Georg Konrad Foto: Archiv
 
Auf der Aussichtsplattform an der Grenze bei Heinersdorf begrüßten sie die Besucher aus der DDR (von rechts): Georg Konrad, Werner Schnappauf und Hans Barnickel. Foto: Archiv
Auf der Aussichtsplattform an der Grenze bei Heinersdorf begrüßten sie die Besucher aus der DDR (von rechts): Georg Konrad, Werner Schnappauf und Hans Barnickel. Foto: Archiv
 
Gespräch an der Grenze bei Heinersdorf. Das Bild zeigt (von links): Willi Ruß (Grenzpolizei) Georg Konrad (Bürgermeister) und Manfred Ziereis (Grenzpolizei) mit DDR-Vertretern. Foto: Archiv
Gespräch an der Grenze bei Heinersdorf. Das Bild zeigt (von links): Willi Ruß (Grenzpolizei) Georg Konrad (Bürgermeister) und Manfred Ziereis (Grenzpolizei) mit DDR-Vertretern.  Foto: Archiv
 
Die Grenzkontrollorgane beider Seiten feierten unter dem Weihnachtsbaum. Foto: Archiv
Die Grenzkontrollorgane beider Seiten feierten unter dem Weihnachtsbaum.  Foto: Archiv
 
An der Grenze wurden die Heinersdorfer willkommen geheißen und auf die Auszahlung des Begrüßungsgelds im Rathaus sowie auf die Öffnung der Geschäfte sogar am Samstag und Sonntag hingewiesen. Foto: Archiv
An der Grenze wurden die Heinersdorfer willkommen geheißen und auf die Auszahlung des Begrüßungsgelds im Rathaus sowie auf die Öffnung der Geschäfte sogar am Samstag und Sonntag hingewiesen.  Foto: Archiv
 

Am 19. November 1989 erzwangen die Welitscher und Heinersdorfer Bürger die Öffnung des Metallgitterzauns am Tettaubach. Die Musikvereine Pressig und Heinersdorf spielten dabei eine besondere Rolle. Der ehemalige Pressiger Bürgermeister Georg Konrad berichtet in einem Video-Beitrag.

Der Volkstrauertag ist eigentlich ein ganz besonderer Tag des Erinnerns an die Opfer von Krieg und Gewalt. Ein Tag zum Innehalten, ein so genannter "stiller Tag". Jubel und Blasmusik sind da normalerweise verpönt. Nicht so am 19. November 1989, denn da öffnete sich das Tor im Metallgitterzaun der bestens abgesicherten und bewachten DDR-Grenze bei Heinersdorf.

Für den ehemaligen Pressiger Bürgermeister Georg Konrad wird dieser Volkstrauertag unvergesslich bleiben, denn er pendelte zwischen Kranzniederlegungen, Begegnungen mit DDR-Bürgermeisterinnen und Jubel am Grenzzaun hin und her. Konrad, der gerade an einer Chronik seines Heimatorts Welitsch arbeitet, hat den Fränkischen Tag vom 20. November 1989 aufgehoben, in dem die Grenzöffnung des Vortags dokumentiert worden ist.


Ein sonniger Sonntag
Am Volkstrauertag 1989, einem sonnigen Sonntag, lag das Erzwingen der Öffnung des Metallgitterzauns bei Heinersdorf in der Luft, erinnert sich Konrad. Die Leute wollten "rüber und nüber", zu Fuß allerdings. An einen Grenzübergang für Autos, der kurze Zeit später eingerichtet wurde, war gar nicht gedacht. Doch ähnlich wie eine Woche zuvor am Falkenstein überschlugen sich auch bei Welitsch die Ereignisse. Nach dem Gottesdienst in Pressig stand die Judenbacher Bürgermeisterin Margit Trott mit Familie vor der Kirche. Sie war über einen der wie Pilze aus dem Boden sprießenden Übergänge gekommen und traf sich zum Gespräch mit ihrem Pressiger Kollegen Konrad.

Gemeinsam wollte man kurz nach Mittag schauen, was sich bei Heinersdorf tat, aber es gab kein Durchkommen. Die Straße bis zur Grenze und der parallel verlaufende landwirtschaftliche Weg waren total zugeparkt. Hunderte von Frankenwäldern riefen den DDR-Grenzern "Macht das Tor auf!" zu. Also fuhren Konrad und Margit Trott auf den Berg und blickten von dort auf die Menschenmassen an der Grenze. Dort stand der ehemalige Grenzpolizist Manfred Ziereis und bat per Megafon, doch bitte keine Grenzverletzung zu begehen, denn die weiß-blauen Pfähle markierten den Grenzverlauf. Der Metallgitterzaun war zig Meter auf DDR-Territorium zurückgesetzt. Ein Überschreiten der Linie zwischen den weiß-blauen Pfählen hätte deshalb eine Grenzverletzung dargestellt.


Uniformträger weggedrückt
Der Musikverein Pressig hatte mit den Musikerkollegen aus Heinersdorf vereinbart, dass man gemeinsam mit Musik auf die Grenzanlagen zumarschieren wolle. Und so machten sich auch die Heinersdorfer Bürger mit ihrer Blaskapelle gegen 14 Uhr des 19. November 1989 auf den Weg zum Metallgitterzaun. Doch man traf auf eine Kette von Uniformträgern, die sich weigerten, den Weg freizugeben. "Drücken!", lautete das leise Kommando auf Heinersdorfer Seite - und die Staatsmacht musste sich im wahrsten Sinne des Wortes dem Druck der Bürger geschlagen geben. Die Heinersdorfer sah man von westlicher Seite erst, als sie am ersten der beiden Metallgitterzäune angekommen waren. Ab diesem Augenblick gab es kein Halten mehr - auf beiden Seiten!

Der Jubel war grenzenlos und unbeschreiblich, als sich die Heinersdorfer und Welitscher umarmen konnten. Viele der älteren Mitbürger kannten sich noch von früher, denn es gab viele freundschaftliche und verwandtschaftliche Verbindungen.


Feier im Kulturhaus
Zunächst war an eine zweistündige Öffnung des Übergangs für Fußgänger gedacht, aber damit gab sich das Volk nicht zufrieden. Die letzten Welitscher sollen von der Wiedersehensfeier im Kulturhaus von Heinersdorf erst am Montag im Morgengrauen nach Hause gelaufen sein - und die Grenze war immer noch auf! In kürzester Zeit wurde der Übergang auch für Autos passierbar gemacht, Kontrollstellen wurden eingerichtet. In den Baracken befindet sich jetzt die Gedenkstätte Heinersdorf/Welitsch.