Versuchter Mord: Zeugen müssen nochmal ran

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Seit drei Tagen wird in Coburg gegen einen 19-Jährigen aus dem Kreis Kronach wegen versuchten Mordes verhandelt. Foto: Jochen Berger
Seit drei Tagen wird in Coburg gegen einen 19-Jährigen aus dem Kreis Kronach wegen versuchten Mordes verhandelt. Foto: Jochen Berger

Richter Gerhard Amend zog am dritten Verhandlungstag der Großen Jugendkammer in Coburg im Prozess wegen versuchten Mordes gegen einen 19-Jährigen aus dem Landkreis Kronach die Zügel an.

"Ich habe keine Lust mehr, mich mit Halbheiten bedienen zu lassen", wetterte Richter Gerhard Amend am Freitag angesichts diverser Erinnerungslücken mancher Zeugen. Deshalb hatte er mehrere Personen ein zweites Mal geladen.

Erneut im Zeugenstand


Eine bereits zum zweiten Mal geladene Frau, die sich nur noch an wenige Details aus der Tatnacht erinnern konnte, stellte fest, dass sie nichts vom Herumspielen mit Deko-Dolchen bei einer Feier mitbekommen habe. Sie versicherte dem Richter allerdings, dass sie bemerkt hätte, wenn der Angeklagte sich einen solchen Dolch unmittelbar vor der Abfahrt an den Tatort vom Tisch genommen hätte.

"Sie lügen mich an, ich lasse sie vereidigen!", polterte Amend los. Er hielt der Zeugin vor, dass sie bei der Polizei noch ausgesagt habe: "Ja, er hätte den Dolch nehmen können." Nach einer tränenreichen Pause räumte die junge Frau ein, sie sei sich schon bei der Polizei ihrer Sache nicht sicher gewesen.

Freund hat Schuldgefühle


Auch dem Freund des Angeklagten fühlten der Richter und Staatsanwältin Ursula Haderlein in dessen "zweiter Runde" energisch auf den Zahn. Wie ein Sachverständiger bestätigte, sei trotz zur Tatzeit knapp zwei Promille Alkohol im Blut nicht erklärlich, warum der junge Mann sich erneut an gar keine konkreten Emotionen oder Wortwechsel erinnern konnte. Immerhin hatte er den Angeklagten über den Sex von dessen "Ex" - zu diesem Zeitpunkt der Schwarm des Zeugen - mit dem späteren Opfer bei einer anderen Party informiert. Amend stellte fest: "So ein Gespräch vergisst man nicht, wenn danach ein Kumpel einen anderen niedergestochen hat und man selbst der Auslöser war!”

Auch den Knatsch, den er selbst mit dem 19-Jährigen in den Wochen vor der Tat hatte, räumte der Zeuge erst nach mehrfachem Nachhaken ein. "Ich fühle mich ziemlich schuldig. Ich träume jede Nacht von den paar Fetzen, an die ich mich erinnere", unterstrich der junge Mann.

Frühere Aussage


Der Ermittlungsrichter schilderte seine Vernehmung des Angeklagten. Dieser habe sich von Anfang an zur Tat äußern wollen, er habe jedoch mit der Situation überfordert gewirkt. Er habe damals gesagt, bei der Feier mit einem Deko-Dolch herumgespielt zu haben. Diesen habe er dann eher zufällig mitgenommen.
Die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe vertrat die Meinung, dass auf den Angeklagten Jugendrecht angewendet werden sollte.

Abschließend äußerten sich die Sachverständigen. Eine Psychologin bezeichnete den Angeklagten als kooperativen, leicht überdurchschnittlich intelligenten jungen Mann. Er habe eine gute Erziehung erfahren und zeige soziale Kompetenz.

"Aus neuropsychologischer Sicht ist aber nicht nachvollziehbar, warum man sich an so eine Handlung nicht erinnert", ging sie auf die Aussagen des 19-Jährigen zur konkreten Tat ein. Sie stellte fest, dass der junge Mann nie gelernt habe, mit Krisen und Konflikten umzugehen. "Wir lernen aber, indem wir Konflikte austragen und Krisen meistern.” Angesichts dessen machte sie Reiferückstände beim Angeklagten aus. Sie riet ihm - ebenso wie allen anderen an diesen Geschehnissen beteiligten jungen Leuten - jede mögliche psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, um diese Krise zu bewältigen.

Affektdelikt unwahrscheinlich


Auch ein Psychiater hielt den Angeklagten für einen ruhigen, unauffälligen, jungen Mann. Er versicherte: "Es sind keine Anzeichen einer psychiatrischen Krankheit zu erkennen." Die ausbleibenden konkreten Aussagen zur Tat hielt der Sachverständige ebenfalls für medizinisch nicht nachvollziehbar.

Zur Frage, ob ein Affektdelikt vorliegen könnte, meinte der Psychiater, dass das Vorgeschehen und die Flucht vom Tatort so gut wie komplett dagegen sprächen. "Es war ein ganz präziser, mehrschrittlicher Tatablauf.” Und der Angeklagte sei sich danach seiner Handlung auch bewusst gewesen. Nach Ansicht des Sachverständigen spreche in diesem Fall jedoch Vieles für die Anwendung von Jugendrecht.


Der Prozess


Anklage Die Staatsanwaltschaft wirft dem 19-jährigen Angeklagten versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vor.

Hintergrund Der Angeklagte soll im Dezember 2011 bei einer Party erschienen sein und dort den Sexualpartner seiner ehemaligen Freundin mit einem mitgebrachten Deko-Dolch niedergestochen haben.

Fortsetzung Der Prozess wird am Montag um 13.30 Uhr mit den Plädoyers fortgesetzt. Am Dienstag soll das Urteil verkündet werden.