Vor etwas über zwei Jahren kam Matthias Himmler bei einem tragischen Verkehrsunfall auf dem Heimweg vom Kulmbacher Bierfest ums Leben. Zur Trauer kamen für die Familie der Ärger über Gerichtsurteile und hohe Kosten.
Rita Himmler hält an, wendet und fährt wieder zurück nach Hause. "In Lösau war es plötzlich, als wenn mir jemand sagt ,Fahr' nicht weiter‘", erinnert sie sich. Leise fügt sie hinzu: "Einen Kilometer weiter und ich wäre dazugekommen." Sie spricht von dem Ort, an dem ihr Sohn Matthias tot im Straßengraben gefunden wurde.
Es ist der 4. August 2012. Matthias Himmler ist auf dem Heimweg vom Bierfest in Kulmbach. Zu Fuß, weil er nicht mehr mit in das Auto passte, in dem sein jüngerer Bruder Marco mitgefahren ist. Zu Hause angekommen, wollen Marco und Mutter Rita ihn abholen. Marco telefoniert mit Matthias, plötzlich ist das Gespräch weg. "Warum hat er denn jetzt aufgelegt?", wundert sich Marco.
Weil Matthias angefahren wurde von einer 20-Jährigen, die ebenfalls auf dem Heimweg vom Bierfest war - mit dem Auto - und mit 1,6 Promille im Blut.
Zweimal fahren Mutter Rita und Bruder Marco in der Nacht an der Stelle vorbei, an der heute ein Kreuz und Blumen an Matthias erinnern. "Zweimal - und wir wussten nicht, dass er da unten im Graben liegt", sagt Mutter Rita. Gedanken habe sie sich zunächst nicht gemacht. Vielleicht ist der Akku leer oder der Empfang weg. "Matthias war sehr sportlich. Ich dachte, vielleicht nimmt er eine Abkürzung." Wieder zu Hause, trägt die Mutter die Zeitungen aus, hinterher setzt sie sich nochmal ins Auto. Matthias ist noch nicht daheim, sie will doch nochmal die Strecke abfahren, ihn suchen. In Lösau dreht sie um.
Kaum wieder daheim, kommen auch schon Polizisten den Weg zu ihrem Haus hinauf. "Ich wusste sofort Bescheid.
Marco konnte es gar nicht glauben, er war doch noch vor wenigen Stunden mit ihm zusammen."
Doch für Rita Himmler ist ihr Sohn nicht nur einmal gestorben, sondern insgesamt dreimal.
Das zweite Mal im Dezember 2013, als die junge Frau, die Matthias in der Nacht zum 4. August angefahren hat, vom Kulmbacher Jugendrichter zu 120 Stunden gemeinnütziger Arbeit, Drogenscreening, Fortsetzung der psychotherapeutischen Behandlung und Zahlung der Verfahrenskosten - einschließlich der Nebenklage - verurteilt wird. Wegen vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt und Unfallflucht. "Das war ein Schlag ins Gesicht", sagt Rita Himmler und fügt an: "Wenn das alles ist, was ein Menschenleben wert ist..." Sie und ihre Familie hätten sich eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung und unterlassener Hilfeleistung gewünscht. Damit ihr Sohn entlastet wird.
Immerhin soll er laut Gericht eine Teilschuld tragen, weil er auf der rechten und damit, so ein Gutachter, auf der falschen Straßenseite gelaufen sei.
Entlastung ist wichtig Rita Himmler und ihr Mann entscheiden sich, in Berufung zu gehen. Nicht aus Hass auf die junge Unfallfahrerin, sondern für Matthias, damit er entlastet wird. "Natürlich sind wir aufgeklärt worden, was ist, wenn wir verlieren", sagt Rita Himmler. "Aber das war es uns wert, wir hatten Hoffnung." Die Eltern verlieren die Berufung aber heuer im August. Die für den Vorwurf der fahrlässigen Tötung notwendige Verletzung der Sorgfaltspflicht sei nicht erkennbar, begründet das Gericht. Matthias stirbt ein drittes Mal.
Die Kosten für die Berufung müssen die Himmlers tragen. Sowohl die Kosten für ihren Anwalt als auch die 1400 Euro für den der jungen Unfallfahrerin.
Und natürlich die Gerichtskosten. Die Himmlers rechnen mit einer fünfstelligen Summe.
Rita Himmler zeigt Fotos von ihrem Sohn, eine Collage, die ihr Matthias' Chef geschenkt und über die sie sich sehr gefreut hat. Matthias arbeitete als Bestatter - "mit Leib und Seele. Er konnte mit dem Tod umgehen". Für die Mutter sind solche Geschenke Erinnerungen. "Wir haben mit seinem Arbeitskollegen auch mal gegrillt, über ihn gesprochen. Das zeigt, dass er nicht vergessen wird", freut sich die Mutter. Auch ein Album mit Bildern von der Beerdigung holt sie hervor: Junge Menschen sind darauf zu sehen. Sie lassen weiße Luftballons mit daran befestigten Zetteln - Erinnerungen, Wünsche, letzte Worte an Matthias - aufsteigen. "Es ist nicht jeder Tag gleich. Manchmal kann ich mir das nicht anschauen. Ein anderes Mal wieder brauche ich das", sagt Rita Himmler.
Es hilft ihr beim Verarbeiten - genau wie die Gespräche bei einem Psychologen oder in der Trauergruppe. "Das hilft, ich fühle mich dort aufgehoben, werde verstanden. Die anderen haben mit ähnlichen Schicksalsschlägen zu kämpfen, können nachempfinden. Wer drüber reden will, redet. Wer nicht, hört zu", beschreibt sie die Treffen, die immer am letzten Freitag im Monat stattfinden. Rita Himmler geht gerne unter Leute. "Man muss raus", ist sie überzeugt. So finde sie Ablenkung.
Doch auch der Glaube hilft ihr, ihr Schicksal anzunehmen - obwohl sie keine Antwort auf die Frage nach dem Warum findet. "Ich habe von Matthias geträumt. In dem Traum bin ich da draußen runtergelaufen", deutet sie aus dem Esszimmerfenster. "Da stand Matthias und ich habe zu ihm gesagt ,Mensch Matthias, da bist du ja. Die sagen doch alle, du bist gestorben.' Er hat mir geantwortet, dass es ihm gut geht da oben."
ist man der Willkür der Richter und Lenker ausgesetzt.
Das Urteil und das Strafmaß gegen die volltrunkene (und ich las gerade wahrscheinlich unter Drogen stehende ) Frau, die sich auch noch ins Ausland abgesetzt hatte, war skandalös und wahrscheinlich auch sexistisch.
Aber das macht den jungen Mann auch nicht wieder lebendig.
Mein Mitgefühl mit den Angehörigen.