Einbauküche, Doppelbett und Regenwalddusche für zwei - und das alles auf gerade einmal 27 Quadratmetern. Dass sich Minimalismus und Wohnkomfort nicht ausschließen, beweist ein Stockheimer Ehepaar mit seinen Tiny Houses.
Ist es ein Haus? Oder doch eher ein Wohnmobil? Wer vor dem Holzhäuschen in der Stockheimer Schützenhalle steht, merkt schon: Diese Frage lässt sich nicht so leicht beantworten. Denn tatsächlich hat diese noch relativ junge Wohnform etwas von beidem. Die amerikanische Tiny-House-Bewegung - Leben in Minihäusern - wird auch in Deutschland immer beliebter. Der Clou: Weil das Eigenheim so klein ist, kann es sein Besitzer praktisch überall mit hinnehmen.
Mitten in der Corona-Pandemie haben sich die Stockheimer Marion und Alfred Lang selbstständig gemacht. Nun baut das Ehepaar in der Schützenhalle der Bergwerksgemeinde Minihäuser. "Unsere Tiny Houses haben eine maximale Gesamtfläche von 27 Quadratmetern", erklärt Alfred Lang. Bis zu dieser Größe dürfen die Häuser auf öffentlichen Straßen ohne zusätzliche Genehmigung transportiert werden, was den Umzug erheblich erleichtert.
"Viele Kunden wünschen sich so ein Modell als Ferienhaus", berichtet Marion Lang. Immer mehr Leute hätten den Wunsch, auch im Urlaub autark zu wohnen. Alles, was der Besitzer benötigt, ist ein Grundstück, auf dem sein Mini-Haus stehen kann, sowie einen Anschluss an Kanalsystem und Stromnetz.
Viele, darunter auch die Langs, nutzen das Eigenheim zum kleinen Preis auch als Geldanlage. Kleine Ferienhäuser liegen voll im Trend hin zum Minimalismus: Ein etwas größeres Exemplar mit 42 Quadratmetern, welches das Paar in Stockheim seit sechs Jahren als Ferienhaus vermietet, sei ständig ausgebucht. "Wenn Gäste abreisen, habe ich ein wenig Zeit zum Saubermachen, dann kommen schon die nächsten", berichtet Marion Lang. Darum bauen sie derzeit ein weiteres Mini-Ferienhaus.
Vom Ferienhaus zum Erstwohnsitz
Tiny Houses sind inzwischen längst nicht mehr nur Zweitwohnsitz oder Urlaubsdomizil: Immer mehr Menschen entschließen sich dazu, in den Minihäusern zu leben. Wer jetzt an ein Dasein als Ölsardine in der Büchse denkt, wird spätestens beim Eintreten eines Besseren belehrt: Das Erste, das ins Auge springt, ist die großzügige Einbauküche.
Ein großer Kühlschrank, Spüle, Hängeschränke, Herd und Kaffeemaschine - für einen Moment wähnt sich der Gast in einer gewöhnlichen Wohnung, wäre da nicht der kleine Esstisch, der gleichzeitig als Mini-Büro dient. "Klar, irgendwo muss man Abstriche machen", räumt Marion Lang ein. Doch die Vorteile bei einem 27-Quadratmeter-Häuschen würden überwiegen.
Vor allem Amerikaner lieben die Extremvariante mit lediglich 15 Quadratmetern Grundfläche. Da will jeder Quadratzentimeter genutzt werden, und das am besten doppelt. Dementsprechend ist die Einrichtung in diesen Häusern meistens eine komplette Maßanfertigung. "Da braucht man mit einer Einrichtung aus dem Möbelhaus gar nicht erst anfangen", erklärt die gelernte Grafikerin, während sie die Ausziehcouch in ein Bett für zwei Personen umfunktioniert. "Hier hingegen passt ein ganz normaler Schrank oder sogar ein Bett hinein."
Am größten ist das Erstaunen wohl aber im Badezimmer, das neben Toilette, Waschbecken und Handtuchwärmer über eine Regenwalddusche verfügt, in die locker zwei Personen passen. "Das ist schon fast mehr Luxus, als manch einer zuhause hat", scherzt Alfred Lang.
Etwa ab 40.000 Euro ist ein solches Minihaus im Rohbau bereits zu haben. Mancher Kunde möchte sein Tiny House in Eigenregie ausbauen. Aber auch, wenn die Langs die Arbeit übernehmen, seien den Wünschen der Besitzer innerhalb ihrer neuen vier Holzwände keine Grenzen gesetzt. Der Endpreis steigt entsprechend der gewünschten Ausstattung. Wer für das gleiche Geld eine Eigentumswohnung kaufen will, muss lange suchen. Und sollte er in ein paar Jahren umziehen wollen, kann er die nicht mitnehmen - sein Mini-Haus schon.
Vom Senior bis zur jungen Familie
Ein Eigenheim von der Größe einer Ein-Zimmer-Wohnung - kann das auf Dauer funktionieren? Die Antwort liegt im Fichtelgebirge: Dort ist in den vergangenen Jahren die erste Tiny-House-Siedlung entstanden. Inzwischen leben Alleinstehende, Senioren und junge Familien in 24 Mini-Häusern und es werden stetig mehr. Das "Tiny House Village" hat sogar sein eigenes Ortsschild.
Ein ähnliches Projekt können sich die Langs auch in Burggrub vorstellen: Dort wollen sie das 4500 Quadratmeter große Gelände rund um die alte Schule gemeinsam mit der Gemeinde wiederbeleben. Mit etwa zehn Parzellen zwischen 300 und 420 Quadratmetern Größe würde eine Art kleines Dorf entstehen. "Dort könnten auch Tiny Houses stehen, müssen sie aber nicht", findet Marion Lang.
Sicher ist die minimalistische Wohnform nichts für jedermann, doch eine Sache zeigt sie deutlich: Für ein glückliches Leben braucht es weniger, als viele denken.