Schauspielerin Ulrike Mahr, die die Faust-Festspiele mitbegründet hat, steht wieder in Kronach auf der Bühne - und zwar als Päpstin. Im Gespräch mit uns verrät sie, was Schauspielerei für sie bedeutet, aber auch, was sie hier vorhat.
Im Café wird sie von einem älteren Herrn gleich erkannt. "Sie sind doch die Frau Mahr, die den Mephisto gespielt hat, gell?" Ulrike Mahr lächelt. Sie freut sich, dass die Leute in Kronach sie erkennen. Immerhin ist es über zehn Jahre her, dass sie bei den Faust-Festspielen, die sie initiiert, mitbegründet und mitgeleitet hat, auf der Bühne stand. Zwischenzeitlich hat sie einige Zeit in Hamburg gelebt, bevor sie vor mittlerweile auch schon wieder mehreren Jahren nach Kronach zurückgekehrt ist. Und hier steht sie am kommenden Samstag und Montag wieder auf der Bühne. Und zwar im Jugend- und Kulturtreff Struwwelpeter. Als Päpstin.
Von Hamburg zurück nach Kronach - ist das in Ihrem Metier nicht ein gewagter Schritt? Immerhin ist kulturell in einer Großstadt sicher mehr geboten als im Frankenwald, oder?Ulrike Mahr: Klar, in Hamburg oder Berlin gibt es mehr Struktur für Schauspieler. Gerade, wenn man anfragt, ob wer bei einem Projekt mitmacht, ist das dort sicherlich leichter. Aber das heißt nicht, dass man sich hier nicht auch ein Netzwerk aufbauen kann. Ich finde durchaus, dass es hier und in der näheren Umgebung ein gutes Kulturangebot gibt. Ich freue mich auch, hier wieder etwas machen zu können - das bringt wieder andere Energie. Und gerade im Struwwel - dort hat das Kulturcafé vor zehn Jahren mit Jamie Bond, meinem Theater- und Kabarettprogramm, eröffnet.
Jetzt, zehn Jahre später, stehen Sie dort nicht als Jamie Bond auf der Bühne, sondern als die Päpstin. Wieso schlüpfen Sie ausgerechnet in diese Rolle?Schon als ich den Roman gelesen habe, hat mich die Figur fasziniert, ich hatte sofort einen Film vor Augen. Ich wusste einfach, dass ich sie auf die Bühne bringen will. Erst kürzlich sah ich mir die Verfilmung von 1972 mit Liv Ullmann als Päpstin an. Sie zeigt die Legendenfigur ähnlich, wie ich sie sehe.
Es hat sich immer weiter entwickelt - unter anderem mit der Glaskünstlerin Susan Liebold, die wie ich zum Künstlerkollektiv Eining gehört, und von der auch Glasobjekte im Stück zu sehen sind. Mit dem Künstlerkollektiv haben wir im letzten Jahr schon eine Art Auftakt zu einer Trilogie gemacht, in dem ein Teil meines Stückes in den Installationen der Glasobjekte und Videokunst performt wurde. Im Herbst 2015 wird es eine weitere Produktion von Eining geben, die sich auch mit den Themen meines Solostückes befasst, und in der Elemente daraus auftauchen. Die Thematik zieht sich durch, wird aber wieder andere Formen der Darstellung mit Glasobjekten, Videokunst und Performance finden.
Bei Ihrer Inszenierung handelt es sich um eine speziell konzipierte Solovariante. Und das obwohl ja zwei Personen vorkommen. In der Ankündigung heißt es schließlich, dass es um die Geschichte einer Frau geht und um deren Begegnung mit der Päpstin. Das klingt spannend. Was erwartet den Besucher denn?Es geht um die Geschichte dieser Frau, aber es gibt zwei Personen - das ist richtig. Die beiden haben viel gemeinsam. Mir geht es bei dem Stück aber nicht darum, in viele verschiedene Rollen zu schlüpfen. Vielmehr stelle ich Fragen. Fragen nach Wissen und Glaube, Wahrheit und Täuschung, Liebe und Bestimmung, Männlichkeit und Weiblichkeit, Freiheit und Unterdrückung und die Frage nach der Macht. Ich habe mich mit der Legende beschäftigt und anhand derer Fragen entwickelt. So geht es auch um die Frage "War das Mittelalter gestern oder ist es heute?". Wenn ich in den Nachrichten höre, dass es immer noch Kulturen auf dieser Welt gibt, in denen Mädchen nicht lesen dürfen, dann frage ich mich, ob nicht auch in der heutigen Zeit noch mittelalterliche Missstände herrschen.
Ich stelle diese Fragen aber nur, ich gebe keine Antworten.
Das heißt, die soll der Zuschauer für sich selbst finden?Ja, vielleicht. Ich hoffe, den Zuschauer berühren zu können, zum Nachdenken anregen zu können. Ich will, dass man einfach auf gewisse Dinge draufschaut und den Bezug zur Jetzt-Zeit herstellt.
Wenn man das so hört, könnte man den Eindruck gewinnen, Sie sind in ihrer Arbeit politischer geworden.Ich denke, dass Theater und Film auch ein Spiegel der Zeit sind und beide - sowohl Theater als auch Film - die Menschen auf der Gefühlsebene erreichen können. Theater und Film geben auch die Möglichkeit, aktuelle und teilweise auch schwierige Themen vielseitig darstellen und umsetzen zu können. Als Geschichten. Sichtbar und spürbar. Für mich persönlich ist Schauspiel etwas, was die Leute berühren soll - in welcher Emotion auch immer. Das lässt sich sowieso nicht planen.
Das ist ja das Spannende - gerade beim Theater, wo alles live und die unmittelbare Nähe zum Publikum da ist. Eigentlich können wir nur machen und uns freuen, wenn das Publikum in Resonanz damit geht.
Mephisto, Jamie Bond, die Päpstin - haben Sie eine Vorliebe für männliche Rollen?(Schmunzelt). Es sind ja eigentlich keine männlichen Rollen, es sind ja alles weibliche Rollen. Eigentlich war nur Peer Gynt, den ich 2002 bei den Faust-Festspielen gespielt habe, ein Mann. Ach, und in der sechsten Klasse habe ich mal Robin Hood gespielt, das war quasi der Anfang. Aber was alle Rollen gemeinsam haben: Es sind starke Persönlichkeiten - allerdings auch mit schwachen Seiten. Diese Mischung ist es, was mich fasziniert.
Der Auftritt im Kulturcafé des Struwwelpeters ist so etwas wie der Wiederbeginn hier. Welche Ziele haben Sie denn hier in Kronach noch?
Ich könnte mir vorstellen, hier wieder etwas zu machen. Ich fände es gut, wenn es die Möglichkeit eines kleinen Theaters gäbe. Oder eine Zusammenkunft zum kreativen Austausch wäre nett. Mal schauen.
Das Gespräch führte Corinna Igler