Rollstuhlfahrer testet Kronach auf Barrierefreiheit

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Behinderte leben in den Städten oft gefährlich. Dieser Bordstein ist für Rollstuhlfahrer und Menschen mit Rollatoren sehr gefährlich. Zwar ist er auf der einen Seite abgesenkt, doch auf der anderen Seite bleibt die Kante steil. Dadurch kann der Rollstuhl leicht umkippen. Fotos: Barbara Herbst
Behinderte leben in den Städten oft gefährlich. Dieser Bordstein ist für Rollstuhlfahrer und Menschen mit Rollatoren sehr gefährlich. Zwar ist er auf der einen Seite abgesenkt, doch auf der anderen Seite bleibt die Kante steil. Dadurch kann der Rollstuhl leicht umkippen.  Fotos: Barbara Herbst
Unterschiedliche Beläge, kleine Kanten: Luitpold Herrmann muss konzentriert bleiben, damit er mit seinem Rollstuhl nicht ins Rutschen oder Kippen gerät. Foto: Barbara Herbst
Unterschiedliche Beläge, kleine Kanten: Luitpold Herrmann muss konzentriert bleiben, damit er mit seinem Rollstuhl nicht ins Rutschen oder Kippen gerät. Foto: Barbara Herbst
 
Das schafft nicht jeder: Luitpold Herrmann muss seinen Rollstuhl vorne anheben, um auf den gehweg zu kommen. Foto: Barbara Herbst
Das schafft nicht jeder: Luitpold Herrmann muss seinen Rollstuhl vorne anheben, um auf den gehweg zu kommen. Foto: Barbara Herbst
 
Wenn Luitpold Herrmann mit viel Kraft den Rollstuhl vorne anhebt, kommt er auf den Gehweg. Foto: Barbara Herbst
Wenn Luitpold Herrmann mit viel Kraft den Rollstuhl vorne anhebt, kommt er auf den Gehweg. Foto: Barbara Herbst
 
Heinrich Gehring begleitet Luitpold Herrmann. Foto: Barbara Herbst
Heinrich Gehring begleitet Luitpold Herrmann. Foto: Barbara Herbst
 

Kronachs Straßen sind nicht behindertengerecht, findet Luitpold Herrmann. Der Rollstuhlfahrer testet die Gegend rund um den Eisernen Steg. Überall lauern Sackgassen oder Gefahrenstellen.

Auf den ersten Blick sieht die Gegend um dem Eisernen Steg in Kronach herum behindertengerecht aus. Es gibt Rampen und abgesenkte Bordsteine. Aber es ist nicht gut gelöst, findet Luitpold Herrmann. Schon auf dem Weg durch die Adolf-Kolping-Straße wird es für den Rollstuhlfahrer schwierig. Vom Bahnhof kommend, bleibt Herrmann an der Kante des Bürgersteigs stehen.

Der Bordstein ist zwar abgesenkt, aber nicht über die komplette Breite, sondern nur über ein paar Zentimeter. Das ist für einen Rollstuhl, Rollator oder Kinderwagen viel zu wenig Platz, um sicher herunterzukommen. "Ich bin sportlich, ich bekomme das hin. Aber ältere oder kranke Menschen mit Rollstühlen oder Rollatoren haben hier überhaupt keine Chance", erklärt der 58-Jährige. Sie könnten leicht kippen. Vor der Hochwassersanierung sei zumindest der Bordstein kein Problem gewesen.

Auch Heinrich Gehring schaut sich die Situation genau an. Seit vielen Jahren er sich mit barrierefreien Bauen. Der 69-Jährige war früher Abteilungsleiter im Kronacher Straßenbauamt. Seit Jahren engagiert er sich dafür, dass Barrieren verschwinden. Er hält Vorträge und ist mit Menschen unterwegs, die im öffentlichen Raum beeinträchtigt werden.

Nicht für jeden optimal
"Barrieren können für jeden etwas anderes sein", erklärt Gehring. Während der Blinde einen Randstein braucht, um sich orientieren zu können, würde der Rollstuhlfahrer am liebsten komplett darauf verzichten. Das mache das barrierefreie Bauen schwierig. Was für den Rollstuhlfahrer optimal gelöst ist, wird für den Sehbehinderten zum gefährlichen Hürdenlauf.

Luitpold Herrmann steht noch immer an der gefährlichen Kante. Das linke Rad ragt in die Luft. Der Kronacher muss sich konzentrieren, bis er seinen Rollstuhl sicher auf dem Pflaster hat. Es ist rutschig. Herrmann fährt ein paar Meter, schon lauert das nächste Hindernis auf dem Weg zum Eisernen Steg.

Balancieren braucht viel Kraft
Normalerweise würde eine Treppe den Zugang versperren, aber es gibt eine Rampe. Doch auch hier wird es schwierig. Um überhaupt den Weg hochfahren zu können, muss Luitpold Herrmann schon wieder auf den Gehsteig. Zentimeter trennen den Weg von der Straße. Herrmann kippt seinen Rollstuhl nach hinten, damit die Vorderräder in der Luft stehen. Diesen Balanceakt schaffen nur die wenigsten. Nur auf diese Weise ist es Luitpold Herrmann überhaupt möglich, auf den Gehweg zu kommen.

Heinrich Gehring fällt auf: "Weiter hinten wird der Gehweg wieder schmaler. Er misst hier nur 95 Zentimeter", sagt er. Ein Rollstuhlfahrer aber brauche mehr Platz. Etwa 1,10 Meter muss der Gehweg breit sein, damit der Rollstuhlfahrer problemlos fahren kann. "Es sind die Kleinigkeiten, die es einem schwer machen", sagt Herrmann und schätzt, dass es allein im Kronacher Stadtgebiet über 100 Barrieren gibt. Das bedeutet für ihn vor allem, viele Umwege nutzen zu müssen. "Man muss genau wissen, wo man hin will, sonst ist man verloren", sagt er und lächelt. Dann listet er zig Beispiele auf, wann er schon einmal vor einem Hindernis stand. Zentimeterhohe Bürgersteige, die plötzlich aufhören. Steile und enge Rampen. Es kommt vor, dass er minutenlang unterwegs ist, um die Straße endlich überqueren zu können.

Bekannte Barrieren meiden
Luitpold Herrmann weiß, wo die Barrieren sind und wie er sie meiden kann. "Ich kenne meine Wege und plane es auch zuvor. Anders geht es nicht." Fremde hätten kaum eine Chance. Manchmal muss Herrmann auch auf die Straße ausweichen und das ist wiederum gefährlich. Im Bereich der Frischen Quelle berichtet Herrmann von einem Bordstein, der auf der einen Seite abgesenkt ist. Auf der anderen Seite kommt er jedoch nicht mehr auf den Gehsteig. Die Kante ist zu hoch. "Da muss man echt vorausschauen."

Herrmann hat Verständnis dafür, dass sich manche Barrieren technisch nicht anders lösen lassen. Bekommt er am Schützenplatz keinen Parkplatz, müsste er mit seinem Rollstuhl eigentlich die Nordbrücke überqueren - das Schützenfest bleibt dann für ihn in weiter Ferne oder er begibt sich in Gefahr, weil er auf die Straße ausweicht. Der Gehsteig ist an dieser Stelle sehr hoch, was sich durch einen Stahlträger aber nicht anders lösen ließe, erklärt Herrmann. "Barrieren bleiben es trotzdem." Sie entstehen auch durch rechtliche Probleme. Manche Rampen können nicht lang genug gebaut werden, weil sie sonst in ein Privatgrundstück reichen würde.

Dadurch werden manche Auffahrten zu steil: Es gibt eine Baumaßnahme speziell für Behinderte, doch sie sind nicht nutzbar. Auch am Eisernen Steg ist das der Fall. Luitpold Herrmann fährt über die Brücke, die breit genug ist. Auf der Seite zur Rosenau fährt er die Rampe hinunter. Auch das ist noch kein Problem. Doch als er die Strecke zurück möchte, wird es wieder ernst. Vor ihm liegt ein langer steiler Weg. Viel Laub liegt dort. "Da komme ich gerade so hoch. Mit viel Anstrengung."

Probleme sind im Randgebiet
"Barrieren gibt es in jeder Stadt", sagt Herrmann. Einzig an der Nordseeküste, an der er gerne Urlaub macht, gibt es viele abgesenkte Bordsteine, die ihm den Alltag deutlich erleichtern. In Kronach lauern die Probleme auch nicht an zentralen Plätzen. "Am Marienplatz ist es soweit in Ordnung, aber sobald man hinauskommt, fangen die Probleme an." Das beobachtet er auch in anderen Städten. In den Geschäften hat Luitpold Herrmann sehr gute Erfahrungen gemacht. Viele Verkäufer, Kunden und Passanten seien sehr hilfsbereit, obwohl sie den Umgang mit dem Rollstuhl nicht gewöhnt sind. Herrmann schmunzelt und sagt: "Manchmal hauen sie sich dabei sogar ein Rad ans Bein."

Welche Erfahrungen haben Sie in Kronach gemacht? Wo sind ihrer Meinung nach viele Barrieren? Wo ist es gut gelöst worden? Schreiben Sie uns eine E-Mail an redaktion.kronach@infranken.de und beschreiben Sie, welche Erlebnisse und Erfahrungen Sie mit Barrieren in Kronach gemacht haben.