Rock 'n' Roll und bitter-süße Lyrik

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Kai Deckelmann am Klavier und Ingo Cesaro mit Gedichten gestalteten eine zweistündige Performance im früheren Modehaus Mohr in Nordhalben. Norbert Neugebauer
Kai Deckelmann am Klavier und Ingo Cesaro mit Gedichten gestalteten eine zweistündige Performance im früheren Modehaus Mohr in Nordhalben. Norbert Neugebauer
Norbert Neugebauer
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"Poesie trifft Piano" hieß das Motto bei einem gemeinsamen Auftritt von Ingo Cesaro und Kai D. beim Nordhalbener Kunstsommer.

Politisches, Amüsantes und musikalische Zwischenspiele gab es für die gut 70 Besucher des Sonntags-Events "Poesie trifft Piano" mit Ingo Cesaro und Kai D. im ehemaligen Modehaus Mohr in Nordhalben.

Vor gut 35 Jahren war der Kronacher Dichter Ingo Cesaro zum ersten Mal zu einer musikalischen Lesung in Nordhalben, damals im Haus des Gastes. Unverändert mit schwarzer Kleidung und silberner Mähne, unverändert auch seine Themenvielfalt. Liebesgedichte gehörten dazu, allerdings diesmal eher zur Abrundung seiner Schaffensvielfalt. Amüsantes auch, Spott- und Sportgedichte, wobei er bekannte Begrifflichkeiten ins Absurde dreht oder sie ironisch aufspießt - literarisches Entertainment von leichter Hand, aber durchaus mit Tiefsinn.

Wenn der sich nicht gleich den Zuhörern erschließt, dann ist Cesaro auch gern bereit, ein Haiku ("17 Silben, 5-7-5 Versmaß") nochmals zu rezitieren. Er erzählt locker, dass Dichterlesungen in Japan oft sehr schnell vorbei sind und der stundenlang im Großstadtgewirr unterwegs Gewesene dann mit leichter Verspätung einen leeren Saal vorfindet. Nicht so in Nordhalben.

Die Besucher, darunter sicher manche, die zum ersten Mal zu einer solchen Veranstaltung gekommen sind, erleben eine gut zweistündige Performance mit angemessener Pause zum Reflektieren und Luftholen. Und Durchschnaufen müssen sie nach Cesaros zeitpolitischem Auftakt, in dem er sich mit der Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer auseinandersetzt. "Vor Malta" ist eines seiner neueren Prosatexte dazu. Beklemmend, wenn er darin die Fischer erzählen lässt, dass sie Angst haben, ihre Netze auszuwerfen, weil sie darin tote Afrikaner finden. Diesen "Beifang" können sie nicht wieder über Bord werfen, er verfolgt sie in Form von Behörden und in ihren Träumen.

"Schreibtischtäter", wie die italienischen Politiker, gibt es jedoch überall im reichen Europa, die die Ursachen des Elends und die selbstmörderischen Fluchten mit zu verantworten haben. "Wir Dichter müssen auf Nachrichten aus zweiter Hand reagieren und stecken immer bis zum Hals in Gedichten", sagt er eingangs, um die Gäste auf die Ausgangslage in seine literarischen Gedankengänge einzuweihen.

Aber auch in sein Seelenleben gibt er Einblick. Mit Jan Palach, der sich vor 50 Jahren, wie noch weitere 16 Verzweifelte, aus Protest gegen den Einmarsch in die damalige Tschechoslowakei, selbst verbrannt hat, beschäftigt er sich seither.

Dass Palach in der Heimat vergessen wurde, wollte er nicht hinnehmen und hat deshalb ein Diskussionsforum in Prag mit anberaumt. Diese Veranstaltung verlief völlig kontrovers und führte, wenn wohl auch nicht aus unmittelbarem Zusammenhang, zum Tod einer Teilnehmerin. Ein traumatisches Erlebnis, das er auch in seinem Schaffen verarbeiten muss und die ihm "Schwere Träume" verursachen.

Dafür, dass die Zuhörer angesichts der bitteren Themen zu Beginn nicht in Depression verfallen, sorgte Kai D. am Klavier. Er ist, zusammen mit seiner Frau Diana Deckelmann, Hauptorganisator des Nordhalbener Kunstsommers und gleichzeitig teilnehmender Künstler. "Bella Ciao", das zum Sommerhit avancierte Kampflied der italienischen Antifaschisten, setzte der Nordhalbener als fröhlichen Auftakt. Mit dem romantischen "I like Chopin" leitete er zu den Liebesgedichten über und holte dann zu seiner Version von "Creep" Perkussionist Thomas Köstner als "special guest" ans Cajon.

Eine spontane Session

"It's allright" (Eigenkomposition) eröffnete den zweiten Teil im früheren Modehaus der Gastgeber Ralf und Elisabeth Mohr, das seine Premiere als durchaus ansprechendes Künstlersommer-Veranstaltungslokal feiern konnte. Nach den abschließenden "Kriminal-Haikus" aus Cesaros Band "Eine schöne Leich'" wünschten die beiden heimischen Musiker den Gästen "Sweet Dreams". Da diese jedoch noch nicht genug hatten, gab es noch eine spontane Session mit viel Rock 'n' Roll zum Mitgrooven und Tanzen - ein guter Opener für die zweite Woche des überaus lebendigen Nordhalbener Kunstsommers.