Kronach
Theater
Räuber Hotzenplotz eröffnet die Kronacher Rosenberg Festspiele
Das skurrile Figurenkabinett aus Ottfried Preußlers Räuber Hotzenplotz eröffnet die Saison der Rosenberg Festspiele mit einem rasant inszenierten Theaterspaß.

Gastregisseurin Stephanie Kuhlmann hat mit dem Stück "Der Räuber Hotzenplotz" einen rasanten Theaterspaß inszeniert. Foto: Matthias Hoch
+31
Bilder
Was ist das bloß für ein Kerl, der kaltblütig und brutal einer alten Frau die geliebte Kaffeemühle raubt und im nächsten Moment herumhüpft wie ein Kind? Ist der grobschlächtige Gesell so furchterregend wie er aussieht oder verbirgt sich hinter dem Zottelbart nur ein derber Spaßmacher? Beißt er oder will er nur spielen? An diesen Fragen kauen seit mehr als fünfzig Jahren große und kleine Leserinnen oder (Kasperl-)Theaterzuschauer herum und in diesem Sommer nun auch das Publikum der Rosenberg Festspiele.
Gastregisseurin Stephanie Kuhlmann setzt auf den ohnehin schon flotten Plot um eine ganz besondere Kaffeemühle noch eine Schippe drauf. Mit einem Ensemble wie aus dem Bilderbuch greift sie tief in die dramaturgische Kreativkiste und bringt den Räuber Hotzenplotz als Detektivgeschichte mit Gruseleffekten und Lausbubenstreichen auf die Bühne. Bis zuletzt lachen alle - freilich bis auf einen.
Bis es dazu kommt, geht es turbulent zu: auf Großmutters Bank, im Wald, in der Räuberhöhle und im Zauberschloss. Die Kinder im Publikum werden Teil des Stücks: sie klatschen und singen fröhlich mit beim Lied "Wer hat Angst vor dem Hotzenplotz", sie geben dem Kasper Entwarnung, der Angst hat vom Zauberer "geblitzdingst" zu werden.
Über den augenzwinkernden Gruß in Richtung "Men in Black" freuen sich auch die Erwachsenen. Beim Zaubern heißt es heutzutage längst nicht mehr "Hokus Pokus Fidibus", sondern "Expelliarmus!" Offenbar hat die in eine Unke verzauberte Fee ihr Handwerk in Hogwarts gelernt. Die Regisseurin hievt die Räuberpistole mit diesen Schmankerln in die Gegenwart, übrigens auch mit einem souveränen Umgang mit der Genderthematik: der Seppel oder die Seppel, nein - einfach Seppel.
Dass das Stück nach einem halben Jahrhundert immer noch seinen Reiz hat liegt aber vor allem in der Vielschichtigkeit der Charaktere, die nicht nur beim Räuber (Lutz Leyh) zutage tritt und die alle Schauspielerinnen und Schauspieler lustvoll auskosten. So tattert die Großmutter (Susanne Rösch) gebückt zu nostalgischen Grammophonklängen auf das Theaterrund, tritt dem dreisten Räuber aber ziemlich resolut entgegen. Das Duo Infernale aus Kasper (Tom Ohnerast) und Seppel (Stefanie Masnik) ist genauso lebensklug wie naiv, so mutig wie ängstlich und so gerissen wie begriffsstutzig. Sie treiben abwechselnd den Hotzenplotz und Zauberer in den Wahnsinn.
Diese beiden Finsterlinge pflegen ihr großes Ego mit nicht minder großer Eitelkeit und sind daher ein gefundenes Fressen für den frechen Kasper. Der macht aus dem "großen und bösen Zauberer "Petrosilius Zwackelmann" kurzerhand den "großen und blöden Zauberer Spekulatius Wackelzahn", oder wie auch immer. Dennis Pfuhl gibt ihn als androgynen Rockstar auf Glitzerplateauschuhen, immer am Rand der Neurose. Die unberechenbaren Stimmungsschwankungen verursachen mehr Angst als seine Zauberei, die er effektvoll einsetzt. Es raucht und donnert, Menschen werden weg und wieder hergezaubert. Das funktioniert auf der Theaterwiese ohne aufwendige Techniktricks, sondern (fast) allein mit der Kraft der Imagination, die mit guten Ideen aus der Regie, den intelligenten Kulissen von Michael Haufe und präzisem Timing von den Schauspielern in Gang gesetzt wird. Etwa bei der Verwandlung des Räubers Hotzenplotz, der als Gimpel mit Räuberhut im Käfig landet. Die Zeitrafferszene über acht Stunden ist Kopfkino pur: Seppel schält Kartoffeln und der gefiederte Hotzenplotz zwitschert sich durch vierzig Jahre Musikgeschichte, von "Atemlos" bis "Smoke on the water".
Zu einem Kinderstück gehört, dass sich das Chaos zum Schluss in Wohlgefallen auflöst und der Wachtmeister Dimpflmoser seinen Dienst versehen kann. Jürgen Malcher ist der einzige Laie im Ensemble, sein Gendarm trägt zum Fortgang der Handlung eigentlich nichts bei, aber was wäre das für ein Verlust ohne ihn! Im bräsigem Beamtenhabitus und breitem Bayerisch geht er (nicht) auf Verbrecherjagd und ihm dabei zuzusehen und zuzuhören ist ein großer Spaß.
"Der Räuber Hotzenplotz" entstand in einer Schaffenskrise. Die war bestimmt schlimm für Ottfried Preußler, für alle anderen aber ein Glücksfall. Der rasante Theaterspaß mit dem Panoptikum skurriler Gestalten zieht hoffentlich noch viele Zuschauerinnen und Zuschauer auf die Theaterwiese der Festung Rosenberg.
Gastregisseurin Stephanie Kuhlmann setzt auf den ohnehin schon flotten Plot um eine ganz besondere Kaffeemühle noch eine Schippe drauf. Mit einem Ensemble wie aus dem Bilderbuch greift sie tief in die dramaturgische Kreativkiste und bringt den Räuber Hotzenplotz als Detektivgeschichte mit Gruseleffekten und Lausbubenstreichen auf die Bühne. Bis zuletzt lachen alle - freilich bis auf einen.
Bis es dazu kommt, geht es turbulent zu: auf Großmutters Bank, im Wald, in der Räuberhöhle und im Zauberschloss. Die Kinder im Publikum werden Teil des Stücks: sie klatschen und singen fröhlich mit beim Lied "Wer hat Angst vor dem Hotzenplotz", sie geben dem Kasper Entwarnung, der Angst hat vom Zauberer "geblitzdingst" zu werden.
Über den augenzwinkernden Gruß in Richtung "Men in Black" freuen sich auch die Erwachsenen. Beim Zaubern heißt es heutzutage längst nicht mehr "Hokus Pokus Fidibus", sondern "Expelliarmus!" Offenbar hat die in eine Unke verzauberte Fee ihr Handwerk in Hogwarts gelernt. Die Regisseurin hievt die Räuberpistole mit diesen Schmankerln in die Gegenwart, übrigens auch mit einem souveränen Umgang mit der Genderthematik: der Seppel oder die Seppel, nein - einfach Seppel.
Dass das Stück nach einem halben Jahrhundert immer noch seinen Reiz hat liegt aber vor allem in der Vielschichtigkeit der Charaktere, die nicht nur beim Räuber (Lutz Leyh) zutage tritt und die alle Schauspielerinnen und Schauspieler lustvoll auskosten. So tattert die Großmutter (Susanne Rösch) gebückt zu nostalgischen Grammophonklängen auf das Theaterrund, tritt dem dreisten Räuber aber ziemlich resolut entgegen. Das Duo Infernale aus Kasper (Tom Ohnerast) und Seppel (Stefanie Masnik) ist genauso lebensklug wie naiv, so mutig wie ängstlich und so gerissen wie begriffsstutzig. Sie treiben abwechselnd den Hotzenplotz und Zauberer in den Wahnsinn.
Diese beiden Finsterlinge pflegen ihr großes Ego mit nicht minder großer Eitelkeit und sind daher ein gefundenes Fressen für den frechen Kasper. Der macht aus dem "großen und bösen Zauberer "Petrosilius Zwackelmann" kurzerhand den "großen und blöden Zauberer Spekulatius Wackelzahn", oder wie auch immer. Dennis Pfuhl gibt ihn als androgynen Rockstar auf Glitzerplateauschuhen, immer am Rand der Neurose. Die unberechenbaren Stimmungsschwankungen verursachen mehr Angst als seine Zauberei, die er effektvoll einsetzt. Es raucht und donnert, Menschen werden weg und wieder hergezaubert. Das funktioniert auf der Theaterwiese ohne aufwendige Techniktricks, sondern (fast) allein mit der Kraft der Imagination, die mit guten Ideen aus der Regie, den intelligenten Kulissen von Michael Haufe und präzisem Timing von den Schauspielern in Gang gesetzt wird. Etwa bei der Verwandlung des Räubers Hotzenplotz, der als Gimpel mit Räuberhut im Käfig landet. Die Zeitrafferszene über acht Stunden ist Kopfkino pur: Seppel schält Kartoffeln und der gefiederte Hotzenplotz zwitschert sich durch vierzig Jahre Musikgeschichte, von "Atemlos" bis "Smoke on the water".
Produkt einer Schaffenskrise
Zu einem Kinderstück gehört, dass sich das Chaos zum Schluss in Wohlgefallen auflöst und der Wachtmeister Dimpflmoser seinen Dienst versehen kann. Jürgen Malcher ist der einzige Laie im Ensemble, sein Gendarm trägt zum Fortgang der Handlung eigentlich nichts bei, aber was wäre das für ein Verlust ohne ihn! Im bräsigem Beamtenhabitus und breitem Bayerisch geht er (nicht) auf Verbrecherjagd und ihm dabei zuzusehen und zuzuhören ist ein großer Spaß."Der Räuber Hotzenplotz" entstand in einer Schaffenskrise. Die war bestimmt schlimm für Ottfried Preußler, für alle anderen aber ein Glücksfall. Der rasante Theaterspaß mit dem Panoptikum skurriler Gestalten zieht hoffentlich noch viele Zuschauerinnen und Zuschauer auf die Theaterwiese der Festung Rosenberg.