Ein Junge mit geistiger Behinderung ist am Donnerstag gemeinsam mit seiner Familie nach Aserbaidschan abgeschoben worden. Tom Sauer von der Humanitären Hilfe appelliert vor dem Kronacher Asylbewerberheim an die Behörden.
Tom Sauer wollte am Freitagnachmittag als Nikolaus verkleidet Weihnachtsfreude im Asylbewerberheim verbreiten. Doch kurz zuvor ist der Vorsitzende der Humanitären Hilfe den Tränen nahe: Nicht vor Rührung, sondern vor Wut und Trauer. Er schreit. Viele Bewohner des Heims kommen heraus und blicken auf die bunten Plakate, die Sauer auf dem Boden ausgebreitet hat. "Hilfe für Cesaret", "Wo ist Euer Gewissen?" und "Menschenwürde mit Füßen treten" hat Sauer in großen Buchstaben daraufgeschrieben. Es ist eine Protestaktion.
Eine Familie, die in Deutschland Asyl suchte, wurde am Donnerstag abgeschoben. Drei Kinder und zwei Erwachsene. Das Mädchen ist erst sechs Monate alt. Der neunjährige Sohn ist geistig behindert. "Cesaret kam extrem traumatisiert zur Lebenshilfe. Er konnte keinen Blickkontakt aufnehmen", beschreibt Sauer den Jungen und spricht davon, dass Cesaret mitansehen musste, wie sein Vater misshandelt worden ist.
Cesaret sei vor zwei Jahren nicht in der Lage gewesen, sich Schuhe alleine anzuziehen oder die Hände zu waschen. "Cesaret wirkte sehr verstört, ängstlich und war in seiner Selbständigkeit, im Sozialverhalten und seiner Emotionalität äußerst eingeschränkt", erklärt Tom Sauer. Der Junge habe sogar eine Windel getragen. Die Familie unterstützte ihr Kind, gewährte ihm medizinische und pädagogische Hilfe. In der Förderschule der Lebenshilfe Kronach und auch in der Heilpädagogischen Tagesstätte habe er große Fortschritte gemacht. "Er baute Vertrauen auf. Sein Zustand verbesserte sich deutlich. Cesaret wurde selbstbewusster und selbständiger", sagt Sauer. Cesaret halte nun sogar Blickkontakt. Zwar könne er nicht sprechen, aber er mache mit alternativen Kommunikationsmitteln Fortschritte, um Kontakt mit seinen Eltern und Mitschülern aufnehmen zu können.
30 Minuten Zeit um 5 Uhr
Der Vorsitzende der Humanitären Hilfe hat den Jungen selbst kennengelernt. Es schmerzt ihn sehr, dass nun die Förderung nicht mehr gewährleistet ist.
Eigentlich hätte Cesaret am Freitag bei der Weihnachtsfeier im Asylbewerberheim dabei sein sollen. Doch am Donnerstagmorgen wurde er gegen fünf Uhr geweckt und gemeinsam mit seiner Familie zum Flughafen gebracht. Sie lebten im Asylbewerberheim in Kronach. Gerade einmal eine halbe Stunde sollen sie gehabt haben, um ihre Sachen zu packen. Dann ging es mit dem Flieger in die Hauptstadt von Aserbaidschan. In Baku kam die Familie nachts um 21.30 Uhr an.
"Wir sind alle entsetzt", sagt Sozialpädagoge Gerd Weickert, der in Kronach Flüchtlinge und Migranten berät. Auch er kannte die Familie. "Die Art und Weise, wie in diesem Fall vorgegangen worden ist, ist ungeheuerlich."
Die Ausländerbehörde Kronach hält sich sehr bedeckt. Es galt eine Ausreiseverpflichtung, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entschieden und vom Verwaltungsgericht Bayreuth bestätigt worden ist. "Die Ausländerbehörde des Landratsamtes Kronach war an die Entscheidung gebunden und musste zuständigkeitshalber die Ausreiseverpflichtung durchsetzen", heißt es in einer Stellungnahme. "Mehr kann aus Datenschutzgründen nicht zum konkreten Fall ausgeführt werden, wofür wir um Verständnis bitten."
Ausweisung eines Behinderten?
Kein Verständnis für das, was sich am Donnerstagmorgen abgespielt hat, hat der Anwalt der Familie, Christoph Käss. Er kennt viele Fälle, doch bei diese Vorgehensweise spricht er von einer "üblen Sache". Am Abend zuvor wurde der Ausreiseschein ausgestellt. "Man hat der Familie keinen Chance gegeben, freiwillig zu gehen", ärgert er sich.
Doch kann man einen Jungen mit Behinderung überhaupt ausweisen? Es müsse geprüft werden, inwieweit es eine Krankheit ist, und ob sie lebensbedrohlich ist. Im Falle von Cesaret entschieden sich die Behörden dagegen. "Ob eine geltend gemachte Erkrankung oder Behinderung ein Abschiebehindernis darstellt, ist Gegenstand der Überprüfung des jeweiligen Falles durch das Bundesamt und - wenn eingeschaltet - auch durch das Verwaltungsgericht", heißt es aus dem Landratsamt.
Käss schilderten den Fall der Familie genauer. Die Familie wurde nach Aserbaidschan abgeschoben, doch eigentlich sei sie aus dem Gebiet des heutigen Armeniens. Die Herkunft der Familie festzustellen, sei in diesem Fall nicht einfach.
Das Paar floh kurz vor dem Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1988 erst nach Kasachstan, dann nach Russland. Doch es galt dort immer als Ausländer, erklärt Käss. Die Familie sei sehr schlecht behandelt worden. Dann flüchtete sie vor drei Jahren nach Deutschland. Asylrechtlich sei die Lage sehr mager, sagt der Anwalt. Es muss schließlich festgestellt werden, aus welchem Land die Familie stammt und weshalb sie Asyl beantragt. Dass die Familie keine Angaben zu Armenien machen konnte - immerhin lebt sie seit 25 Jahren nicht mehr in diesem Gebiet - habe die Lage nicht einfacher gemacht.
Sie waren noch niemals dort
Wie Käss erklärte, hatten die deutschen Behörden bei der Botschaft in Armenien und auch Aserbaidschan wegen einer Anreise angefragt, doch beide Botschaften haben den Antrag Anfang des Jahres abgewiesen. Doch dann änderte die aserbaidschanische Botschaft ihre Meinung und die Familie wurde von der Polizei abgeholt, um in ein Land gebracht zu werden, in dem sie noch niemals war. Sämtliche Unterlagen seien für den Fall einer Ausweisung nach Armenien geprüft worden, aber nicht im Falle Aserbaidschans. Der Anwalt hält diese Entscheidung deshalb für rechtswidrig. Er will sich weiter für die Familie einsetzen.
Spendenkonto eingerichtet
Tom Sauer ringt mit der Fassung. "Die Art wie hier mit Menschen umgegangen wird, macht uns äußerst betroffen. Es ist erschütternd und entsetzlich. Das war kein Akt, der human war! Wir fordern Schutz für Cesaret und seine Familie! Wir werden alles dafür tun, um sie zurück nach Deutschland zu holen. Wir fordern die Behörden und die Politiker dazu auf", ruft Tom Sauer. Seine Nerven liegen blank.
Ein Asylbewerber verfolgt die Protestaktion und fügt am Ende auf Englisch hinzu, dass die Familie lieb war. Es ist still. Alle sind bedrückt. Tom Sauer zieht plötzlich sein Nikolauskostüm an, schnappt sich die Gitarre und versucht, dennoch ein wenig Freude in das Asylbewerberheim zu bringen.
Spendenkonto "Hilfe für Cesaret": Kontonummer: 101365617 Bankleitzahl: 771 50000 Sparkasse Kulmbach-Kronach
die Herkunft der Familie ist nicht so leicht feststellbar?? Also ich weiss wo ich herkomme und wenn diese Familie es nicht weiss.... schon seltsam wenn diese Leute nichtmal wissen wo sie herkommen oder?? mfg
Ich kenne einen Fall, wo eine deutsche Frau mit einen Mann (der illegal in Deutschland war) ein Kind gezeugt hat. Diese Frau ist bei der Geburt gestorben, er ist untergetaucht und das Kind wurde zur Adoption freigegeben, weil kein Vater bekannt war.
Als der Mann gefunden wurde und abgeschoben werde sollte, fiel ihn wieder ein, das er ein Kind hat und jetzt beschäftigen sich Jahre schon das Familiengericht mit den Fall. Er gibt das Kind nicht frei zu Adoption, obwohl das Ehepaar, bei dem das Kind ist, es gerne behalten möchten. Solange er es nicht frei gibt, kann er in Deutschland bleiben. Kosten der Gerichtsverhandlungen und des Anwalts von Ihm bezahlt ja der Staat.
Man muß dazu sagen das er weder das Kind haben möchte noch ein Duldungsrecht inne hat und trotzdem nicht abgeschoben werden darf. Familien die nach Deutschland fliehen, weil sie Angst um ihr Leben und Kinder haben, die aber werden abgeschoben! Warum darf der eine und der andere nicht?
"Es galt eine Ausreiseverpflichtung, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entschieden und vom Verwaltungsgericht Bayreuth bestätigt worden ist. "Die Ausländerbehörde des Landratsamtes Kronach war an die Entscheidung gebunden und musste zuständigkeitshalber die Ausreiseverpflichtung durchsetzen."
Wer stellt sich hier über das Gesetz und ausserhalb von geltendem Recht?
Ein Verein, ein Stadtangestellter, ein Anwalt?
Klar haben auch Asylbegehrende auch mal ein behindertes Kind. Wie war das mit der Gleichbehandlung?
Man kann auf der Stimmungsschiene zu Weihnachten wohl alles in Frage stellen.