Ein Gebäude mit Geschichte wird aus dem Ortsbild von Pressig verschwinden.
"Das ehemalige Bahnhofs-Hotel in Pressig fällt nun der Spitzhacke zum Opfer. Das um 1898 erbaute Hotel war bis in die Nachkriegszeit ein gut besuchtes Domizil für Geschäftsreisende. Erbaut wurde es im Zuge des Eisenbahn-Booms und auf Grund der damaligen zentralen Lage am Durchgangsverkehrs der D-Züge zwischen München und Berlin.
Ortschronist Georg Dinkel hat die ereignisreiche Geschichte dieses einstigen Feudaldomizils festgehalten. Demnach waren im Jahre 1898 der Kaufmann Georg Hempfling aus Pressig und der Gastwirt Johann Zinner aus Förtschendorf die Erbauer und ersten Besitzer des damals als erstes Hotel am Platze gewürdigten Hauses. Als Standort war auch Rothenkirchen eingetragen, da sich der Bahnhofbereich im heutigen Pressig auf Rothenkirchener Grund befand. Im Jahre 1904 wechselte erstmals der Besitzer. Der Hotelier Heinrich Roth aus Saalfeld erwarb das Gebäude für 65 000 Mark. 1909 ging das Hotel für 74.000 Mark in den Besitz von Heinrich Leiner aus Förtschendorf. Einem Eintrag 1912 ist zu entnehmen, dass es sich um ein gut gehendes Hotel im Frankenwald handelte. Im Gebäude befinden sich zwei Wirtschaftsräume, zehn Fremdenzimmer mit insgesamt 17 Betten. Der Bierumsatz lag bei rund 700 Hektoliter jährlich.
Das Hotel wurde vor einigen Jahren von der benachbarten Firma Rauschert erworben, die das Gebäude nun abreißen und Lagerräume an gleicher Stelle errichten will. Dem Unternehmen gehört inzwischen auch das gegenüberliegende Bahnhofsgebäude, welches man eventuell für Archivzwecke nutzen will. In beiden Fällen ist aber eine endgültige Nutzung noch nicht beschlossen.
Bürgermeister Hans Pietz bedauert einerseits, dass dieses Traditionsgebäude aus dem Ortskern verschwindet, andererseits denkt er aber, dass Rauschert mit einem neuen Gebäude den Ortskern verschönern und aufwerten wird. Schließlich diene die Maßnahme auch der Sicherung von Arbeitsplätzen.
Auf dem Foto ist schön dargestellt, wie ein Zweckgebäude (das weiße rechts dahinter) das Ortsbild "verschönern" wird. Auch als Nicht-Oberfranke bedauere ich es sehr, wie der Charakter der Ortschaften zerstört wird. Was der Krieg nicht geschafft hat, wird jetzt nachgeholt.
"Bürgermeister Hans Pietz bedauert einerseits, dass dieses Traditionsgebäude aus dem Ortskern verschwindet, andererseits denkt er aber, dass Rauschert mit einem neuen Gebäude den Ortskern verschönern und aufwerten wird."
Lagerräume einer Firma sollen den Ortskern verschönern? Und aufweren??? Das wäre aber das erste Mal in der Geschichte. Mag sein, daß ein Neubau schön aussieht, wiewohl ich mir das bei einem Lagerhaus nur schwer vorstellen kann. Aber wie wird das neue Gebäude in 20 Jahren aussehen? Wie die meisten der trostlosen, verratzten Industriebauten?
Weshalb wurde kein Weg gesucht, das alte Hotel innen für die Nutzung als Lagergebäude umzubauen? Oder habe ich das nur nicht mitgekriegt? Pressig, der Kreis und das Land müßten doch ein Interesse daran haben, ein solches Gebäude zu erhalten und einer neuen Nutzung zuzuführen. Und die Firma Rauschert hätte sich ein hervorragendes Denkmal geschaffen, das sämtliche Geschäftspapiere zieren könnte. Publicity kann man sich von einem neuen Zweckbau bestimmt nicht erwarten, höchstens das Kopfschütteln kommender Generationen, die nicht mehr verstehen können, wie Ortsgeschichte vernichtet wurde.