Parallelwelt beim Kronacher Schützenfest: Als Laie am Schießstand

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Geduldig erklärt 2. Schützenmeister Matthias Kümmet der Reporterin ohne Schießerfahrung, worauf es beim Schuss mit dem Kleinkaliber auf 50 Meter ankommt. Fotos: Barbara Herbst
Geduldig erklärt 2. Schützenmeister Matthias Kümmet der Reporterin ohne Schießerfahrung, worauf es beim Schuss mit dem Kleinkaliber auf 50 Meter ankommt. Fotos: Barbara Herbst
Eine Anmeldung mit Namen ist vor jedem Schießen erforderlich. Foto: Barbara Herbst
Eine Anmeldung mit Namen ist vor jedem Schießen erforderlich.  Foto: Barbara Herbst
 
Vor an den Schießstand getreten werden kann, muss einiges ausgefüllt werden. Foto: Barbar Herbst
Vor an den Schießstand getreten werden kann, muss einiges ausgefüllt werden.  Foto: Barbar Herbst
 
Eine Einweisung bekommt, wer noch nie eine Waffe in der Hand hatte. Foto: Barbara Herbst
Eine Einweisung bekommt, wer noch nie eine Waffe in der Hand hatte. Foto: Barbara Herbst
 
Die richtige Haltung ist wichtig. Foto: Barbara Herbst
Die richtige Haltung ist wichtig.  Foto: Barbara Herbst
 
Die rote Fahne in der Öffnung für die Munition bedeutet, dass das Gewehr ungeladen ist. Foto: Barbara Herbst
Die rote Fahne in der Öffnung für die Munition bedeutet, dass das Gewehr ungeladen ist.  Foto: Barbara Herbst
 
Laden Foto: Barbara Herbst
Laden  Foto: Barbara Herbst
 
Scharf stellen Foto: Barbara Herbst
Scharf stellen  Foto: Barbara Herbst
 
Und im besten Fall treffen - Die ersten Treffer der Reporterin. Foto: Barbara Herbst
Und im besten Fall treffen - Die ersten Treffer der Reporterin.  Foto: Barbara Herbst
 
Einer der es besser kann: Dieter Gläßel war schon Bundesschützenmeister. Jetzt steht er als Aufpasser am Stand. Foto: Barbara Herbst
Einer der es besser kann: Dieter Gläßel war schon Bundesschützenmeister. Jetzt steht er als Aufpasser am Stand. Foto: Barbara Herbst
 
Er hat sogar seinen eigenen Schieß-Stand. Foto: Barbara Herbst
Er hat sogar seinen eigenen Schieß-Stand. Foto: Barbara Herbst
 
In Kronach stehen alle Aufsichten im Schützenanzug am Schießstand - eine Besonderheit. Foto: Barbara Herbst
In Kronach stehen alle Aufsichten im Schützenanzug am Schießstand - eine Besonderheit.  Foto: Barbara Herbst
 
Bis zu 200 Teilnehmer verzeichenen die Kronacher Schützen beim Preisschießen auf dem Freischießen jedes Jahr. Foto: Barbara Herbst
Bis zu 200 Teilnehmer verzeichenen die Kronacher Schützen beim Preisschießen auf dem Freischießen jedes Jahr.  Foto: Barbara Herbst
 
Hightech am Schießstand: Beim Luftgewehr muss die Zielscheibe nicht mehr eingefahren werden. Das Ergebnis wird am Bildschirm angezeigt. Foto: Barbara Herbst
Hightech am Schießstand: Beim Luftgewehr muss die Zielscheibe nicht mehr eingefahren werden. Das Ergebnis wird am Bildschirm angezeigt.  Foto: Barbara Herbst
 
Die wahren Profis: Leon Müller kurz nach seinem Schuß um den Jungschützenkönig - es wird wohl nicht reichen Foto: Barbara Herbst
Die wahren Profis: Leon Müller kurz nach seinem Schuß um den Jungschützenkönig - es wird wohl nicht reichen  Foto: Barbara Herbst
 
Auch seine Zwillingsschwester Alina ist im Rennen um die Königswürde. Foto: Barbar Herbst
Auch seine Zwillingsschwester Alina ist im Rennen um die Königswürde.  Foto: Barbar Herbst
 
 
Die Waffenschränke. Foto: Barbara Herbst
Die Waffenschränke.  Foto: Barbara Herbst
 
Hier werden die Ergebnisse der Zielscheiben digital ausgewertet... Foto: Barbara Herbst
Hier werden die Ergebnisse der Zielscheiben digital ausgewertet... Foto: Barbara Herbst
 
...und dann bekommt man sein Schießergebnis ausgehändigt. Foto: Barbara Herbst
...und dann bekommt man sein Schießergebnis ausgehändigt.  Foto: Barbara Herbst
 
Die Waffe wiegt rund sechs Kilo, für ungeübte Arme nicht ganz so einfach. Foto: Barbara Herbst
Die Waffe wiegt rund sechs Kilo, für ungeübte Arme nicht ganz so einfach.  Foto: Barbara Herbst
 
Die diesjährige Königsscheibe. Foto: Barbara Herbst
Die diesjährige Königsscheibe.  Foto: Barbara Herbst
 
Am Schießstand ist während des Freischießens einiges los. Foto: Barbara Herbst
Am Schießstand ist während des Freischießens einiges los.  Foto: Barbara Herbst
 
Nach fünf Schuss wird die Scheibe gewechselt. Foto: Barbar Herbst
Nach fünf Schuss wird die Scheibe gewechselt.  Foto: Barbar Herbst
 
Die Königsklippe, die jeder Schützenkönig anfertigen lässt. Foto: Barbara Herbst
Die Königsklippe, die jeder Schützenkönig anfertigen lässt.  Foto: Barbara Herbst
 
Beim Kleinkaliber auf 100 Meter wird auf eine mit Hirsch bemalte Scheibe geschossen. Foto: Barbara Herbst
Beim Kleinkaliber auf 100 Meter wird auf eine mit Hirsch bemalte Scheibe geschossen. Foto: Barbara Herbst
 
Die Waffen sind sicher verschlossen. Foto: Barbara Herbst
Die Waffen sind sicher verschlossen.  Foto: Barbara Herbst
 

Wer das Freischießen im wahrsten Sinne des Wortes erleben will, der muss vorbei an Zuckerwatte, Riesenrad und Ponyreiten. Rein ins Schützenhaus - hin zu Kleinkaliber, Pistole und Luftgewehr. Ein Nachmittag auf dem Schießstand.

Rote Fahne raus, Munition rein. Mit der linken Hand die Eisenstange umklammern, Zeigefinger ausstrecken und Gewehrlauf auflegen. Gewehrschaft in die Schulter pressen, breitbeinig hinstellen, anlegen, zielen, atmen, abdrücken.

"Man muss voll konzentriert sein, beim geringsten Zitterer ist der Schuss verloren", sagt Matthias Kümmet und legt das Kleinkalibergewehr aus dem die Reporterin gerade ihren ersten Schuss abgefeuert hat, zurück auf den Tresen des Schießstandes.

Wenn Bierbänke rutschen und Blasmusik Klänge konzentrierter Stille weichen, wenn anstelle Maßkrug Klappern ein Schuss ertönt, wenn der Rauch nicht vom Bratwurstgrill aufsteigt, sondern sich aus der Munitionsöffnung schlängelt, und der Geruch von karamelisiertem Zucker dem von Schießpulver weicht, dann ist man eingetreten.
Eingetreten in die andere Welt des Freischießens, unten im Schützenhaus, weg von Fressbude und Fahrgeschäft. Die Welt von Matthias Kümmet und seinen Vereinskollegen.

Kümmet, 43 Jahre alt, Zweiter Vorstand und Zweiter Schützenmeister der Schützengesellschaft Kronach war noch nie Schützenkönig. Pistolenschießen, sagt er, liege ihm mehr, der Schützenkönig wird aber nun mal immer mit dem Gewehr ermittelt.

"Dein Vater hat auch zehn Jahre gebraucht", ruft Dieter Gläßel in Kümmets Richtung. Kümmet grinst kurz, dann drückt ihm einer der Schützen ein Gewehr in die Hand. "Ich bin das Mädchen für alles", sagt Kümmert, dann eilt er mit dem Gewehr in der Hand davon. Die Schaftkappe muss angeschraubt werden.

Dieter Gläßel hat sich derweil wieder in Richtung Schießstand gedreht - seinem Schießstand. Von der Decke baumelt ein Blechschild mit der Aufschrift 50-Meter-Stand, darunter hängt ein zweites Schild: Dieter Gläßel-Stand, Bundeschützenmeister 1969. Gläßel ist 74 Jahre alt und steht, schwarzer Anzug, weißes Hemd, als Aufsichtsperson am Eingang des Schießstandes. Insgesamt acht Aufsichtspersonen sind im Einsatz, mindestens eine an jedem Schießstand. Die Stände sind aufgeteilt nach Waffenart: Kleinkaliber, Luftgewehr und Pistole.

Geschossen wird mit dem Kleinkaliber auf 50 oder 100 Meter Entfernung. Angelehnt an jagdliche Disziplinen, wird bei 100 Metern auf eine mit Rehbock bemalte Scheibe geschossen. Das Keiler-Schießen findet an einem Stand im Freien statt. Geschossen wird auf eine mit Keiler bemalte Schreibe, die von rechts nach links fährt.
"Ich stehe hier, damit nichts passiert", sagt Dieter Gläßel gerade, als Kümmert wieder um die Ecke biegt. "Das ist übrigens eine Besonderheit hier: Auf keinem anderen Schießstand stehen die Aufsichten mit Schützenanzug". Mit Anzug beim Abzug. Das gibt es nur in Kronach.

Kümmert trägt ein weißes, kurzärmliges Hemd, auf der dunkelgrünen Krawatte zwei kleine gestickte Gewehre. Er blickt sich um, macht eine ausladende Handbewegung und sagt: "Es ist die Parallelwelt des Schützenfests, die viele nicht mehr kennen". Und dabei ist das sogenannte Preisschießen, der eigentliche Grund für jedes Schützenfest.


Die Technik hält Einzug

"Jeder kann vorbeikommen und schießen", sagt Kümmet. Auch wer noch nie ein Gewehr in der Hand hatte. Allein Schützenkönig kann nur werden, wer auch im Verein ist. Jeder andere bekommt eine Einweisung und ein Gewehr gestellt, muss sich mit Namen und Adresse anmelden und eine Tagesversicherung unterschreiben - "wie es vom unserem Verband gefordert wird", sagt Kümmet. An vier Nachmittagen wird geschossen, heute noch von 13 bis 18 Uhr.Passiert ist, solange er sich erinnern könne, noch nie etwas.

Über 200 Teilnehmer haben die Kronacher Schützen im Schnitt pro Jahr. Die meisten kommen aus anderen Schützenvereinen - "die sind dann morgen wieder auf dem nächsten Schießen", sagt Kümmet. Der Hauptpreis sind 250 Euro, vier Euro sind das niedrigste Preisgeld. Die Teilnahmegebühr beträgt, je nach Disziplin acht oder elf Euro. Auch die Mitglieder zahlen, wenn sie auf die Königsscheibe schießen. Geld, das dem tatsächlichen Schützenkönig am Ende für das Essen gutgeschrieben wird, zu dem er traditionell einladen muss.

Kurzer Ausflug zum Luftgewehr-Stand, vorbei an Waffentresoren und aufgerollten Fahnen. Dort angekommen sagt Kümmet: "Einer der modernsten Stände." Digitale Firewall mal anders. Was aussieht wie die Miniatur-Ausgabe einer dieser leuchtenden Wände, an denen sonst nur Röntgenaufnahmen hängen, ist an diesem Hightech-Stand die Zielscheibe. In der Mitte das schwarze Kreuz. Links neben dem Schützen steht ein Bildschirm, ein gelber Punkt leuchtet auf, wo das Geschoss die Zielscheibe getroffen hat.

Zurück am Gewehrstand wird ganz links gerade die Königsscheibe eingespannt. Eine Scheibe, angefertigt vom Schützenkönig des vergangenen Jahres. Maßkrug, Wildschwein, Reh und Wiese sind beliebte Motive. Auf die Scheibe schießt, wer Schützenkönig werden will und wer kein Schützenkönig werden will. "Es bleibt spannender, wenn man nicht weiß, wer absichtlich daneben schießt", sagt Kümmet. Ein Fehlschuss mit Ansage kommt trotzdem mitunter vor: "Ich werd' nicht treffen, ich war schon 1972 Schützenkönig", ist dann zu hören.

Dem einen gebietet es die Fairness, daneben zu schießen - auch andere sollen die Chance auf den Titel haben. Dem anderen gebietet es der Blick in den Geldbeutel. Der Treffer ins Schwarze kann schnell mehrere Hundert Euro kosten. Angefangen beim traditionellen Festessen, über die anzufertigende Königsscheibe bis zur Königsklippe, einem Anhänger für die Königskette. Es gilt also: Auch Nicht-Treffen kann mitunter eine Kunst sein. Sozusagen die Königsdisziplin.