Mehr Zeit auf dem Weg zum Abitur in Kronach

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Die Mittelstufe plus bietet den Gymnasiasten die Möglichkeit, den Schulstoff der Mittelstufe auf ein weiteres Jahr auszudehnen. Foto: dpa
Die Mittelstufe plus bietet den Gymnasiasten die Möglichkeit, den Schulstoff der Mittelstufe auf ein weiteres Jahr auszudehnen. Foto: dpa

In einem Pilotversuch erhalten Schüler des Frankenwald-Gymnasiums die Möglichkeit, den Stoff der Mittelstufe auf ein zusätzliches Jahr auszudehnen. Für Schulleiter Klaus Morsch ist das aber kein Grund, dass sich die Schüler auf die faule Haut legen können.

Als das Frankenwald-Gymnasium am Donnerstag die Nachricht erhielt, als Pilotschule für das Projekt "Mittelstufe plus" ausgewählt worden zu sein, setzte sich sofort eine Maschinerie mit den weiteren Planungen in Gang. "Wir haben dann gleich einen Elternbrief aufgesetzt und am Freitag in den siebten Klassen das Projekt kurz erläutert", erklärt Schulleiter Klaus Morsch, der mit seinem Team jetzt etwas unter zeitlichem Druck steht. "Die Eltern haben jetzt vier Wochen Zeit zu überlegen, ob sie das für ihr Kind wollen. Danach bleiben uns noch zwei bis drei Wochen, um das Projekt schulorganisatorisch umzusetzen."

Entschleunigung
Auch wenn Morsch und sein Team jetzt "Schlag auf Schlag" arbeiten müssen, die Vorfreude über dieses Projekt überwiegt deutlich, bietet es doch den Schülern die Möglichkeit, ihren Weg zum Abitur etwas zu entschleunigen. Übungsdefizite aus diversen Gründen wie zum Beispiel auch in Zusammenhang mit der Pubertät hätten in der Vergangenheit mitunter dazu geführt, dass Schüler eine Klasse wiederholen oder gar die Schule wechseln mussten. Gerade für solche Schüler sei die "Mittelstufe plus" eine wertvolle Option.

Reduzierung der Fächerzahl
Das Konzept sieht vor, dass einzelne Fächer aus den Jahrgangsstufen 8, 9 und 10 in die dann neue Jahrgangsstufe 9+ verlegt werden. Das führt unterm Strich zu einer Reduzierung der Fächeranzahl und der Stundenzahl pro Jahrgangsstufe. In der "Mittelstufe plus" werden die Schüler in der Regel nur 30 Wochenstunden (in den Jahrgangsstufen 8, 9, 9+) beziehungsweise 32 in der Jahrgangsstufe 10 besuchen. Dabei findet nur einmal - in der zehnten Klasse - verpflichtend Nachmittagsunterricht statt. In der "normalen" Mittelstufe gibt es in der achten Jahrgangsstufe 32, in den Klassen 9 bis 10 sind es jeweils 34 Wochenstunden. Unterm Strich wird die Gesamt-Stundenzahl aber auf Grund der zusätzlichen Jahrgangsstufe 9+ natürlich höher liegen als im "Regelzug".

Keine Rückkehr zum G9
Schulleiter Klaus Morsch verdeutlicht, dass es sich bei der Mittelstufe plus keinesfalls um eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium handelt. "Dann müssten auch die alten Lehrpläne wieder eingeführt werden." Aber das ist nicht der Fall. Vielmehr bleibt es ein G8, nur eben mit einem erweiterten Zeitangebot.

Faktor Zeit
Der Faktor Zeit spielt generell eine wichtige Rolle. Denn die gewonnene Freizeit sollen die künftigen Schüler der Mittelstufe plus nach Wunsch der Schulleitung tatsächlich für ehrenamtliches Engagement nutzen. "Wir erwarten von den Schülern eine Absichtserklärung", betont Morsch. Damit müssen die Schüler begründen, warum sie die Option ziehen wollen und wie sie die gewonnene Zeit beispielsweise in Vereinen, in der Kirche oder sonstigen Organisationen nutzen wollen. Grundsätzlich will die Schulleitung dadurch vermeiden, dass Schüler die Mittelstufe plus als Möglichkeit sehen, sich eventuell auf die faule Haut legen zu können.

Natürlich habe diese Absichtserklärung in erster Linie symbolischen Charakter, erklärt Morsch, der sich dadurch dennoch eine gewisse Signalwirkung erhofft. Und wenn es am Ende darum gehe, wer in die Mittelstufe plus wechseln darf, dann könne diese Absichtserklärung ein wichtiges Auswahlkriterium darstellen. Der Schulleiter ist aber auch davon überzeugt, dass das bürgerschaftliche Engagement ein ganz zentraler Punkt für die Region sei, ein Stück weit Lebensqualität vermitteln und die Menschen auch an die Region binden kann.

Derzeit gibt es in der siebten Jahrgangsstufe vier Klassen, deren Schüler letztlich die Wahl haben, ab dem kommenden Schuljahr die Mittelstufe plus zu besuchen. Der Wunsch der Schulleitung ist es, dass zwei Klassen im herkömmlichen G8 weiterlaufen und zwei weitere in der Mittelstufe plus gebildet werden können. "Das wäre für uns organisatorisch am einfachsten", verweist stellvertretender Schulleiter Alf Merkel auf die personelle Planung und die Erstellung der Stundenpläne.

Herausforderung stellen
Wenn sich aber eine andere Konstellation ergebe, werde man sich natürlich auch der Herausforderung stellen. Wichtig ist laut Merkel, dass mindestens eine achte Klasse wegen der Durchlässigkeit im bisherigen System weiterlaufen müsse, um beispielsweise mögliche Wiederholer aufnehmen zu können.

Mindestens 20 Schüler
Für die Klassenbildung hoffen die Verantwortlichen auf 20 Schüler. Maximal dürften es 32 sein. Aber Merkel und auch Morsch betonen unisono, dass Klassen mit so vielen Schülern nicht erstrebenswert seien.
Obwohl das Pilotprojekt noch nicht begonnen hat, ist die Schulleitung vollends davon überzeugt. "Sonst hätten wir uns auch nicht beworben", so Morsch, der beim Informationsbesuch der siebten Klasse am Freitag die Aussage einer Schülerin bemerkenswert fand. "Sie hat gesagt, sie könne dann mehr üben, um später ein besseres Abi zu machen und schließlich Medizin studieren zu können."

Auch das ist natürlich ein Argument, wenngleich vielleicht nicht das nahe liegendste. Dennoch ist man sich einig, dass das Projekt eine tolle Chance darstelle. Und Beratungslehrerin Carmen Ginevrino betont ausdrücklich, dass man bei Bedarf für intensive Beratung zur Verfügung stehe.

Das Pilotprojekt wird über eine Dauer von zwei Jahren getestet. Sollten die Erfahrungen positiv sein, wird anschließend jedem Gymnasium freigestellt, die "Mittelstufe plus" anzubieten.

Kernpunkte der Mittelstufe plus am FWG im Überblick

Der Stoff der Mittelstufe wird von drei auf vier Jahre ausgedehnt. Das Lernen wird dadurch spürbar entschleunigt, da Kernfächer durchgehend vierjährig unterrichtet werden.

Durch die Verlagerung einzelner (Neben-)Fächer aus den Jahrgangsstufen 8, 9 und 10 in die Jahrgangsstufe 9+ kommt es zu einer Reduzierung der Fächer- und Stundenzahl pro Jahrgangsstufe gegenüber dem Regelzug. In den Jahrgangsstufen 8,9 und 9+ findet kein regulärer Nachmittagsunterricht statt. Die Schüler werden dadurch bei zusätzlicher Förderung zeitlich entlastet und haben mehr Zeit für außerunterrichtliche schulische und/oder außerschulische Interessen.

Die Mittlere Reife/Oberstufenreife erhält man automatisch mit bestandener 10. Klasse oder auch mit bestandener Sonderprüfung am Ende der Jahrgangsstufe 9+. Allerdings ist dadurch der Sprung in die gymnasiale Oberstufe nicht möglich, wohl aber - bei ausreichendem Notenschnitt - der Besuch einer FOS

Ein Wechsel zwischen Mittelstufe plus und regulärer Mittelstufe ist möglich, sofern es die Klassengrößen zulassen. Die Schulleitung entscheidet über die Aufnahme in die Mittelstufe plus.