Der ehemalige Grenzpolizist aus Ludwigsstadt war vor Ort, als der Metallgitterzaun am Falkenstein 1989 niedergerissen wurde. Der Bundesgrenzschutz aus Coburg und die DDR-Grenztruppen arbeiteten dabei Hand in Hand. Zum Grenzgang gibt es viele weitere Bilder und ein Video.
Es war einer der ergreifendsten Momente im Leben von Martin Weber: Am Sonntag, 12. November 1989, um die Mittagszeit erlebten er und Hunderte von Frankenwäldern mit, wie der Metallgitterzaun am Falkenstein niedergerissen und damit ein Stück Weltgeschichte geschrieben wurde.
Das damals Unglaubliche an der Situation: Bundesgrenzschutz Coburg und DDR-Grenztruppen taten das gemeinsam! Jeder, der dies Wochen oder Monate vorher prophezeit hätte, wäre als Fantast bezeichnet worden.
Die Ereignisse vor 25 Jahren überschlugen sich: Am 9. November fiel die Mauer in Berlin, am 11. November kamen die ersten Züge, die keine so genannten Interzonenzüge waren, mit Tausenden von DDR-Bürgern aus Richtung Probstzella nach Ludwigsstadt und Kronach, am 12. November wurde der Grenzübergang bei Falkenstein für Fußgänger geöffnet, bereits am nächsten Tag um 6 Uhr früh für Autos.
Der Druck der Massen
Für den Grenzpolizeibeamten Martin Weber zeichnete sich bereits am Sonntagmorgen des 12. November 1989 ab, dass dies ein überaus bedeutsamer Tag für den Kreis Kronach werden würde. Weber war bei einer Besprechung im Landratsamt Kronach mit dem damaligen Landrat Werner Schnappauf (CSU). Der wollte sich mit seiner "Kollegin" Edith Ludwig, Vorsitzende des Rates des Kreises Saalfeld, am Falkenstein treffen. Major Eberhardt und eine Pioniereinheit der DDR-Grenztruppen sollten eine Öffnung der Grenze am Falkenstein vorbereiten - aber nicht für diesem Sonntag. Doch es kam anders als von Thüringer Seite gedacht.
Die Teilnehmer der Kronacher Besprechung fuhren zum Falkenstein, eine Einheit des Bundesgrenzschutzes Coburg auch.
Edith Ludwig und Major Eberhardt zögerten, die Grenze sofort zu öffnen, doch auch ohne Handys und Facebook hatte sich im Raum Ludwigsstadt herumgesprochen, dass etwas ganz Außergewöhnliches bevorstehe. Hunderte von Zaungästen warteten nur darauf, einige Meter auf DDR-Gebiet laufen zu können. Sie jubelten, als Bundesgrenzschutz und DDR-Grenztruppen den Metallgitterzaun, der von beiden Seiten ganz dicht an das Gleis der Bahnlinie München-Berlin reichte, entfernten.
Absprachen per Handschlag besiegelt
Edith Ludwig fühlte sich überfahren und musste von bayerischer Seite aus mehrmals ermuntert werden, endlich "aufzumachen", damit man "rübermachen" konnte. Martin Weber erinnert sich noch genau an ihr Zaudern.
Sie sagte: "Ich werde jetzt in eine Situation gedrängt und weiß nicht, wie ich entscheiden soll." Unter dem Druck der Massen entschied sie richtig und machte den Weg frei. Die Bayern drängten auf der Reichsstraße 85, wie die Bundesstraße 85 auf Thüringer Seite genannt wurde, gen Probstzella - und kehrten nach einigen Hundert Metern brav wieder um. Sie waren "drüben" gewesen und zufrieden.
Für Martin Weber war die Arbeit an diesem denkwürdigen Sonntag aber noch nicht zu Ende. Mit Major Eberhardt, einem sehr umgänglichen DDR-Offizier, gab es Absprachen, die per Handschlag besiegelt wurden, ein Bild, von dem man vorher nicht zu träumen gewagt hätte. Das Straßenbauamt Kronach räumte in der Nacht von der Reichsstraße 85 den "Staub der Geschichte", denn in Jahrzehnten der Nichtnutzung hatte sich eine fast kniehohe Dreckschicht auf dem Asphalt abgelagert. Bereits um 6 Uhr am 13.
November rollten die ersten Trabis aus Probstzella gen Lauenstein. Mit Major Eberhardt besprach Martin Weber auch den Ablauf der Grenzabfertigung, denn es musste kontrolliert werden, da sich in der DDR auch Vietnamesen und Russen aufhielten - und die durften nicht ohne Weiteres nach Bayern.
Martin Weber erinnert bei der Grenzbegehung auch an einen weiteren unbürokratischen Akt, das so genannte "Bierdeckelabkommen" zwischen Sowjets und Amerikanern. Damit wurde der Grenzverlauf am Falkenstein geändert, denn sonst wäre die Grenze direkt durch den Biergarten der edlen Villa verlaufen, aber diese wollten die US-Offiziere nutzen und den Biergarten natürlich auch.